Ex-Reinhartshausen-Betriebsleiter Bibo gründet Weingut
07.01.2014 - R.KNOLL
DEUTSCHLAND (Hallgarten) - Anfang März 2013 wurde Sensationelles in der deutschen Weinszene verkündet. Das Pfälzer Weingut Lergenmüller, mit 118 Hektar Rebfläche (80 Hektar Eigenbesitz) einer der größten Betriebe Deutschlands, übernahm das traditionelle Weingut Schloss Reinhartshausen im Rheingau mit seinen 80 Hektar – und mit Personal, zu dem auch der seit dem Jahrgang 2003 hier tätige Betriebsleiter Walter Bibo gehörte (wir berichteten: "Pfälzer Familie Lergenmüller übernimmt Schloss Reinhartshausen im Rheingau"
Der hatte in einer längeren Phase vorher schon mitbekommen, dass die Vorbesitzer, eine Vereinigung der „Freunde von Schloss Reinhartshausen“, Käufer suchten. Darunter waren offenbar auch einige „Heuschrecken“, die eher daran interessiert waren, mit den Toplagen des Betriebes ein schnelles Geschäft zu machen, ebenso aber wohl seriöse Interessenten. Dass letztlich zwei Winzer nach längeren Geheimgesprächen den Zuschlag bekamen, hatte für Bibo besondere Bedeutung. „Mir war schnell klar, dass solche Profis den Betrieb selbst leiten wollen und eigentlich keinen Direktor brauchen.“
Bald wurde denn auch, „um den Qualitätskurs zu fördern“, ein Beirat gebildet, in dem Bibo nach außen hin zwar noch Sitz und Stimme hatte. Aber auch seine beratende Funktion war nicht sonderlich ausgeprägt, so dass der 54-Jährige Überlegungen über seine berufliche Zukunft anstellte. Es gab einige Gespräche, unter anderem auch mit Joachim Heger aus dem badischen Ihringen, für den Bibo vor Reinhartshausen in dessen Zweitbetrieb Weinhaus Heger tätig war. Der machte ihn mit dem Unternehmer Kai Runge aus Gaggenau bekannt, der als 56-Jähriger Überlegungen anstellte, was es noch Neues in seinem Leben geben kann.
Scheinbar stimmte die Chemie mit Bibo, so dass die beiden „nach reiflicher Überlegung“ beschlossen, gemeinsam ein Weingut, bzw. vorläufig eine Weinkellerei zu gründen. „Klingt mutig“, lacht Walter Bibo. „Aber weil wir beide nicht mehr die Jüngsten sind, haben wir viel Erfahrung.“ Ein Keller wurde gefunden, Holzfässer und Tanks besorgt. Und weil es für eine eigene Ernte zu spät war, wurde Bibo bei Kollegen fündig, die ansprechende, noch gärende, hefetrübe Jungweine verkauften. „Die Weine lassen sich durch weiteren Ausbau beeinflussen“, ist sich der Ex-Betriebsleiter sicher. Mitte 2014 wird es die ersten trockenen Riesling-Abfüllungen der in Hallgarten, dem Wohnort von Bibo, ansässigen Kellerei Bibo & Runge geben. Für den Jahrgang 2014 soll das Traubengut dann von eigenen Arealen oder von Pachtflächen kommen. Die Partner werden eine Arbeitsteilung praktizieren. Bibo ist für den Wein verantwortlich, Kai Runge kümmert sich um den Verkauf.
Das Weingut Schloss Reinhartshausen ist für Walter Bibo Vergangenheit. Dortselbst gab es noch weitere personelle Veränderungen. Kellermeister Matthias Craß ging vor kurzem ab und wurde von Martin Vogel (bis 2012 bei Ress, dann unter anderem kurzzeitig bei August Eser in Oestrich-Winkel) ersetzt. Die für den Verkauf im Export zuständige Andrea Beßlich wechselte in ähnlicher Funktion zu Herres-Sekt in Trier. „Aber wir sind guter Dinge und haben alles im Griff“, lässt Jürgen Lergenmüller trotz eines wegen Fäulnis geringen Ertrages in 2013 wissen. Der Gault-Millau-Standard (drei Trauben) wurde gehalten. Dass das Weingut nach der Übernahme nicht mehr VDP-Mitglied sein konnte, wurmt die Brüder nach wie vor. Aber es sei durch ein Stillhalteabkommen mit den Verkäufern unmöglich gewesen, vorher die Weichen für eine weitere Mitgliedschaft zu stellen (wie es kürzlich beim Verkauf des Weingutes Lang, Hattenheim, geschah - wir berichteten: "Ein Schweizer kauft Rheingauer Weingut - Und VDP-Chefin wird Winzerin").
Was sie trotz allem mit diesem Kauf bewerkstelligt haben, kommt Jürgen und Stephan Lergenmüller nach wie vor fast wie ein Traum vor. Dass sie im Rheingau allerdings noch nicht richtig orientiert sind, stellte sich im Herbst 2013 heraus, als versehentlich mit dem Vollernter eine ganze Reihe einer Großes-Gewächs-Lage bei einem Nachbarn abgeerntet wurde. In der Pfalz hätte man in einem solchen Fall einen Traubentausch gemacht, glauben die Lergenmüllers. Die Wertigkeit des Erntegutes verhinderte indes ein solches Arrangement. Der Kollege ließ sich einen durchaus realistischen Wert von 10 Euro für das Kilo Trauben vergüten.
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