Ein fruchtiger Weißwein aus der holsteinischen Schweiz

14.09.2011 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Hamburg) - Weinreben gehören nicht zu den Gewächsen, die man in Schleswig-Holstein erwartet. Bekannt ist das Bundesland eher für andere Kulturpflanzen. Die Region Dithmarschen etwa gilt als größtes zusammenhängendes Kohlanbaugebiet Europas. Doch seit kurzem versuchen auch einige Winzer zwischen Nord- und Ostsee ihr Glück - eine Idee, die angesichts der Klimaerwärmung nicht so abwegig ist, wie sie scheint. Während einer mittelalterlichen Warmphase war Weinbau dort bereits verbreitet. Mit steigenden Temperaturen dehnen sich in Norddeutschland erneut die Zonen aus, in denen Reben prinzipiell gedeihen.

 

Melanie Engel gehört einer der zwei größeren landwirtschaftlichen Betriebe, die in Schleswig-Holstein Wein produzieren. Der Weinberg, den die 33-Jährige mit ihrem Lebensgefährten bewirtschaftet, liegt bei Malkwitz, einem Dorf in der hügeligen sogenannten holsteinischen Schweiz. Auf einer 220 Meter langen Fläche pflanzte sie mit Hilfe eines Winzers aus Süddeutschland drei Hektar Weinreben, größtenteils weiße der Rebsorte Solaris, aber auch ein erstes kleines Experiment mit Rotwein läuft mit den Rebsorten Regent und Cabernet Cortis.

"Er hat uns erst für völlig bekloppt gehalten", erinnert sich Engel an die erste Reaktion des Winzers. Aber als er die Gegebenheiten an dem geschützten Südhang kennenlernte, sei er überzeugt gewesen, sagt die 33-Jährige. 2010 gab es auf dem "Ingenhof", wo ansonsten Erdbeeren, Kartoffeln und Raps gedeihen, die erste Weinlese. Die reichte für 3000 Flaschen. Der laut Engel "fruchtige" Weißwein wird seit Ende Juni verkauft, in diesem Herbst folgt die zweite Ernte.

2009 überließ Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein in einer einmaligen Aktion die Pflanzrechte für zehn Hektar Wein. Das Landwirtschaftsministerium in Kiel verlangte von den Interessenten unter anderem Boden- und Klimagutachten über die Eignung ihrer Flächen. Neben Engel erhielt der rheinland-pfälzische Winzer Steffen J. Montigny den Zuschlag für zwei Hektar im nahen Grebin. Der Rest verteilt sich auf kleinere Felder, etwa auf den nordfriesischen Inseln.

Zumindest für den Eigenbedarf sei Weinbau auf schleswig-holsteinischen Bauernhöfen früher durchaus üblich gewesen, sagt Christian Seyfert, Sprecher des Kieler Landwirtschaftsministeriums. "Wir gehen davon aus, dass mit dem einsetzenden Klimawandel die Qualität des Weins besser werden dürfte." Die Übernahme der zehn Hektar im Jahr 2009 sei aber eine einmalige Aktion gewesen.

Nach Erkenntnissen von Historikern war Weinbau in Schleswig-Holstein während des Mittelalters sogar weit verbreitet. Eine jahrhundertelange Warmphase ließ einen vermutlich recht sauren Wein gedeihen. Kälteres Klima, die Verbreitung des Bieres und steigende Nachfrage an Getreidefeldern beendeten dies später.

Im 21. Jahrhundert sorgt nun der menschengemachte Klimawandel dafür, dass Weinanbau in Schleswig-Holstein wieder leichter wird. "Die Gebiete, in denen Weinbau in Deutschland nicht möglich ist, schrumpfen", erklärt Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüros in Geesthacht, einer Einrichtung des dortigen Helmholtz-Zentrums, das regionale Folgen des Klimawandels erforscht.

Setze sich der gegenwärtige Temperaturanstieg fort, sei Weinbau bis zum Ende dieses Jahrhunderts in ganz Norddeutschland zumindest mit bestimmten Rebsorten aus klimatischer Sicht möglich, sagt Meinke. Wie es um die Bodenbeschaffenheit stehe und was der Wein am Ende für eine Qualität habe, sei eine andere Frage.

In der Tat ist Weinbau in Schleswig-Holstein trotz Klimawandels nicht mit dem in klassischen Weinregionen vergleichbar. Es gibt häufige Spätfröste, die Reifeperiode ist kürzer. Engel nutzt daher auch die sehr robuste Weißweinrebsorte Solaris. "Unser Anspruch ist es auch nicht, mit den hochwertigen Weinen aus Süddeutschland mitzuhalten", sagt sie. Eher gehe es um die Vermarktung neuer regionaler Produkte. Insgesamt sei ihr Wein aber schon "ein wirklich guter".

Zurück zur Übersicht