Ein Ahr-Winzer macht großen Wein in der Türkei
26.03.2011 - R.KNOLL
DEUTSCHLAND / TÜRKEI (Dernau / Mugla) - Die Türken kommen! Zur ProWein nach Düsseldorf, wo sie erstmals in Halle 3 - A 20 auf breiterer Front und weniger still als in der Vergangenheit auftreten wollen. Als „modernes Weinland“ will man sich präsentieren und gleichzeitig verkünden, dass die Türkei „die Wiege der Weinkultur“ ist. Das stimmt zwar nicht ganz, lässt unberücksichtigt, dass andere Länder (das heutige Georgien) deutlich früher dran waren und dass es die Türken waren, die mit der eigentlichen europäischen Weinkultur-Wiege Griechenland rund 400 Jahre in der Zeit des Osmanen-Herrschaft vom 15. bis ins 19. Jahrhundert nicht gerade freundschaftlich umgingen und den Weinanbau sowie das Aussprechen des Wortes „Wein“ verboten.
Aber das ist Vergangenheit, das Land hat sich dem Wein geöffnet. Immer mehr Betriebe lassen nicht nur Tafeltrauben auf den geschätzten 590 000 Hektar Rebfläche heran wachsen, sondern investieren in die Vinifikation. Zwar werden vorläufig nur rund 5 Prozent der Erträge für Wein genutzt, aber der Anteil ist im Wachsen. Ein Unternehmen, der führende Spirituosenanbieter Mey Icki, gründete sogar eine Weinakademie, die schon von einigen tausend Interessenten besucht wurde, auch von vielen privaten Interessenten.
Bei Weinwettbewerben in verschiedenen Ländern gab es Gold- und Silbermedaillen (was man nicht zu hoch hängen darf, weil die Vergabepraxis solcher Disziplinen oft nicht nachvollziehbar ist). Einzelne Spitzenweine tauchen sogar schon in Städten wie Paris und London auf den Karten von Top-Restaurants auf. Der Kayra Imperial, eines der roten Aushängeschilder, wurde kürzlich in Berlin einer illustren Runde vorgestellt. Fast zeitgleich präsentieren türkische Erzeuger auf der ITB in der Bundeshauptstadt.
Hinter solchen Aktivitäten steckt meist der erst 2008 gegründete Verband Wines of Turkey, dem vorläufig acht Betriebe angehören. Zielsetzung ist es laut Sprecher Taner Öğutoğlu, die Weinkultur voran zu bringen. Außerdem will man nicht nur ethnische Märkte, sprich türkische Restaurants und Lebensmittelgeschäfte in den Fokus nehmen, sondern den Fachhandel und die gehobene Gastronomie erreichen.
Wenn die Türken das schaffen, werden bald Sorten wie Kalecik Karasi, Boğazkere, Öküzgözü, Emir und Narince auf Weinkarten auftauchen, alles autochthone Reben, die - so die Vorankündigung zur ProWein - „eine Entdeckung wert sind“. Dass sehr gutes Potenzial im türkischen Boden steckt, beweist ein Deutscher, der den vermutlich bislang besten Rotwein, der je in diesem Land erzeugt wurde, gemacht hat!
Hermann-Josef Kreuzberg aus Dernau an der Ahr war etliche Jahre lang im bekannten Familienbetrieb der Macher im Keller. Sehr gute Bewertungen in Weinführern und mehrfach Spitzenplätze beim Deutschen Rotweinpreis des Weinmagazins Vinum zeigten, dass Kreuzberg ein gutes Händchen für Spätburgunder und Frühburgunder hatte und es später auch für einen Zuwachs wie Cabernet Sauvignon entwickelte (der an der Ahr zunächst in den neunziger Jahren noch verboten war). Mit der Zeit mochte er nicht mehr Angestellter seines Bruders Ludwig sein, der den Betrieb vom Vater übernommen hatte. „Ich wollte mich selbst verwirklichen“, blickt er zurück. 2009 machte er sich mit seiner Frau Irma mit einem 2-Hektar-Betrieb selbstständig. Außerdem betrieben die beiden schon einige Jahre vorher eine Straußwirtschaft.
Aber da gab es vorher schon einen türkischen Freund, Frank Josten, der Hermann-Josef Kreuzberg neugierig auf die weinbaulichen Möglichkeiten in der Türkei machte. Das Trio um die THERA Winery wurde komplettiert durch Mustafa Al, ein langjähriger türkischer Freund von Frank Josten. Sie fanden ein geeignetes Areal an der Südwestküste gegenüber der griechischen Insel Rhodos in der Provinz Mugla, nur 2,5 Kilometer von der türkischen Ägäis entfernt. Hier ist’s im Sommer sehr trocken, die nötige Feuchtigkeit im Boden liefert ein reichlicher Niederschlag in den Wintermonaten. Die Produktionserlaubnis war nicht einfach zu bekommen, die bürokratischen Hürden sind noch etwas höher als in Deutschland. Auch bei der Kellerausstattung musste viel improvisiert werden. Schließlich schaffte man es, die Barriques aus Frankreich und die sonstige Technik über einen türkischen Importeur aus Italien zu importieren.
2007 wurde der erste Wein der Thera Winery eingebracht, eine Cuvée aus 70 Prozent Cabernet Sauvignon und 30 Prozent Merlot. Bemerkenswert an dem im neuen, nur schwach getoasteten Holz ausgebauten Wein ist der relativ geringe Alkoholgehalt von „nur“ 12,8 % vol., der bewusst angestrebt wurde. „In der Türkei muss man wahnsinnig aufpassen“, hat der 54-Jährige schnell gelernt. „Wenn man die Trauben nur einige Tage zu lang hängen lasst, schnellt der Zuckergehalt wahnsinnig hoch.“ Nach 22 Monate Barriquelager, unfiltrierter Füllung und einem Jahr Flaschenreife ist der Wein inzwischen palettenweise in Dernau angelangt, wo ihn Kreuzberg für angemessene 29 Euro verkauft.
Wer den Wein probiert, verspürt einen feinen Duft nach Nüssen, Mandeln, Waldbeeren und Bitterschokolade, eine tolle Würze und Komplexität im Geschmack, viel Feuer und eine seidige Robe. Hermann-Josef Kreuzberg macht damit seinen beachtlichen Ahr-Burgundern gewaltige Konkurrenz. Die Nachfolger, die derzeit noch in der Türkei schlummern, versprechen nach Einschätzung des Winzers ein ähnliches Format. „Hier ist man vom Jahrgang weniger abhängig als in Deutschland.“
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