Der unbekannte Strümpfelbacher

15.03.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Strümpfelbach) - Der malerische Weinort Strümpfelbach im Remstal, Bestandteil von Weinstadt, ist bekannt wegen der „Kunststücke“ aus Bronze, die hier von einer Künstlerdynastie, der Familie Nuss, gefertigt werden, Namen wie „Europa mit Stier“ und „Leda mit Schwan“ tragen und sogar die Wege in den Weinbergen säumen. Was Wein betrifft, so kennt man hier seit etlichen Jahren die emsige Wengerter-Familie Kuhnle. Aber jetzt gibt es einen neuen Namen: Andi Knauß ist auf dem besten Weg, zweigleisig nach vorn zu marschieren.

 

Zweigleisig deshalb, weil er neben dem Familienbetrieb, in dem Vater Horst (Jahrgang 1959) noch für den Außenbetrieb auf 12 Hektar zuständig ist, ein weiteres kleines Weingut als Mitinhaber betreut, das sich vor einigen Jahren ein Freund anlachte und eine sehr eigenwillige Betriebsbezeichnung hat: 48° 46´ 53“ north oo9° 22´ 05“ east - parfum der erde. Doch fangen wir mit Andi Knauß an. Oder mit dem Senior.

Horst Knauß kam ursprünglich aus der Automobilindustrie, machte aber Mitte der neunziger Jahre seinen Abschluss als Winzer und startete 1995 als Quereinsteiger. Zwei Jahre später begann Junior Andi als gerade 15-Jähriger seine Winzerausbildung bei Bernhard Ellwanger im nahe Großheppach. Von 2004 bis 2006 saß er auf der Schulbank der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg und schloss als Winzermeister ab. Was ihn besonders prägte, war ein Praktikum im Jahr 2007 bei Hans („John“) Nittnaus in Gols am Neusiedlersee, der vor allem mit Blaufränkisch sowie seiner roten Cuvée Comondor (die kürzlich ihren 20. Geburtstag feierte –  verdeutlicht, dass er zu den besten Rotweinmachern Österreichs gehört.

Das passte. Schließlich haben Vater und Sohn Knauß einen Rotweinanteil von 70 Prozent, der in den nächsten Jahren noch gesteigert werden soll. Die Stöcke sind zum Teil bis zu 40 Jahre alt. Für die besten Weine der Reserve-Klasse, als „R“ gekennzeichnet, werden Ertragsreduzierungen auf rund 30 Liter/Ar praktiziert. Hinterher reifen die Weine lang in 300 bis 500 Liter fassenden Holzfässern mit schwacher bis mittlerer Toastung und werden unfiltriert gefüllt. Die Weißweine werden im Edelstahl vergoren und liegen anschließend in großen Holzfässern.

Andi Knauß setzt auf den Faktor Zeit. Seine Spätburgunder und Lemberger „R“ aus 2009 kommen erst im Mai 2011 in den Verkauf, die Cuvée Altenberg (Merlot, Lemberger) wird nicht vor September 2011 freigegeben. Wer nicht so lang auf spannende Rotweine warten will, kann sich schon am ebenfalls prächtigen 2009er Lemberger „S“ und dem Zweigelt „S“ laben. Auch die rote Basislinie mit Spätburgunder, Lemberger und Trollinger ist durchaus achtbar. Die aktuellen Weißweine (eine Cuvée Grauburgunder/Weißburgunder, Chardonnay und Riesling) gehören überwiegend in die Knauß’sche Selektionskategorie „S“. Am besten gefällt hier der saftige, delikate Riesling.

Und dann ist da noch das kleine Weingut mit dem ungewöhnlichen Namen, der für die Geokoordinaten der Weinberge steht und mit seinem Zusatz besondere Qualität und so etwas wie eine Schollen-Verbundenheit andeutet. Dr. Rainer Scholz (46), tätig in der Telekommunikation, kam über Berlin nach Schwaben, hatte ein Büro in Stuttgart und einen Wohnsitz in Strümpfelbach. Als Reben zum Verkauf standen, schlug er zu. Denn mittlerweile hatte er den Wein und die dazu gehörige Landschaft schätzen - und Andi Knauß kennen gelernt. 2006 begann man mit einem Barriquefass voll Regent. Inzwischen sind weitere Sorten dazu gekommen, nämlich Spätburgunder, Riesling und Müller-Thurgau. Sie werden, wie inzwischen auch die Knauß-Weine, ohne Reinzuchthefen vergoren. „Die Weine sollen den Charakter des Bodens repräsentieren“, meint das Duo.

Der Müller-Thurgau ist ein knackiger, herzhafter Sommerwein, der Riesling imponiert mit Saft und mineralischen Komponenten, der Spätburgunder gerät richtig raffiniert und vielschichtig. Und auch beim Regent, der anfangs durch die neue Eiche etwas holzig geriet, hat man mit 2009 den richtigen Weg zum eleganten, feurigen Rotwein gefunden. Die Preise für die Weine aus beiden Betrieben sind in der Top-Kategorie durchaus selbstbewusst (z.B. Spätburgunder von Scholz 28,90, Regent 24.90, Cuvée Altenberg von Knauß 28 Euro). Aber diese Roten sind nun mal erstklassig. Und es gibt deutlich preiswertere Alternativen unter 10 Euro.

Beim Parfum-Betrieb betreibt man eine vernünftige Arbeitsteilung. Scholz, der inzwischen beruflich wieder in den deutschen Norden übergesiedelt ist, kommt alle zwei Wochen nach Strümpfelbach, um seine Reben zu bewirtschaften. Er kümmert sich auch um die Vermarktung und hat dafür in Sommelier und Weinhändler Daniel Hassert aus Winterbach (Remstal-Freunde kennen ihn aus dem „Lamm“ in Remshalden-Hebsack) einen Partner gefunden. Für den Ausbau ist Andi Knauß zuständig. (r.knoll)

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