Der Jahrgang Bordeaux 2012 ist "zum Vergessen"

04.07.2013 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Ich komme zu dem Schluss, dass der Bordeaux Jahrgang 2012 wenn überhaupt nur das Adjektiv „bescheiden“ verdient hat. Egal welche Verkostungsnotizen ich mir ansehe, ob vor oder nach dem biologischen Säureabbau, ob vor oder nach den Blends – es ist ein Jahrgang mit durchschnittlicher Qualität der Trauben und mit durchschnittlichen Leistungen im Keller, trotz großer Anstrengungen.

 

Meine Verkostungsliste weist 628 Weine auf – sie gehören zu den Besten. Diejenigen, die sich nicht gut präsentieren, waren dünn und grün. Der Jahrgang 2012 rechtfertigt keine teuren Premier Crus – mit dem Jahrgang kann man keinen „Blumentopf“ gewinnen – er ist "zum Vergessen".

Natürlich gibt es Einzelfälle, die ich als Ausnahme definiere. Aber nur echte Kenner können diese Weine finden, wenn Sie sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Ich bin überrascht, dass kaum jemand diese Weine entdeckt hat. Ich denke dies zeigt uns, wie unreif die Welt des Weines ist – angefangen von den Erzeugern bis zum Konsumenten, eingeschlossen auch die so genannten Weinprofis.

Ich habe die Weine auf vielfältige Art verkostet: in den Schlössern, in meinem Büro oder bei Händlern. Ich nahm an den Verkostungen der Union Grand Crus teil, manchmal mit Profi-Kollegen oder auch im Kreise von Weinjournalisten. Ich besuchte die Verkostungen diverser Winzervereinigungen und Händler. Diese Vielfalt verschiedener Situationen in verschiedenen Zeiten ist geboten und auch wünschenswert, um den Weinen eine gerechte Chance zu geben sowie meine einzelnen Bemerkungen zu kontrollieren und anzupassen. Dieses Procedere, für das man sich unendlich viel Zeit nehmen muss, liefert aber dann auch Informationen von unvergleichlicher Tiefe und kommt einem gerechten Urteil so nahe wie möglich.

Was mich wieder einmal erstaunt ist das Niveau der Punkte für die Weine aus dem Jahrgang 2012. Ich bin verwundert über kühnste Hoffnungen einiger Châteaux. Es bringt mich zum Lachen – oftmals sind die Bewertungen so hoch wie bei den Jahrgängen 2005, 2009 und 2010. Aber im Ernst – ich finde dies empörend in Bezug zum Weinkonsumenten. Wo bleiben die wahren Kritiker mit Rückgrat und gerechten Bewertungen? Das Marketing der En Primeur Veranstaltungen wird immer professioneller. Die Schmeichler, die eine Partitur überhöhter Noten spielen wird immer größer. Lasst Euch nicht irreführen.

Mitglieder meines Online-Führers sind erstaunt, dass sie bisher nichts über die Weinlese der Châteaux Cos d'Estournel, Climens oder Ducru Beaucaillou gefunden haben. Warum das so ist habe ich in meinem Weinführer erläutert. Hier auf YOOPRESS erwähnte ich nur kurz, dass ich es vorziehe nicht bei den Châteaux umgarnt zu werden, sondern lieber die Weine in einem unabhängigen Ambiente verkoste. Das ist aber nicht im Sinne der Eigentümer oder des Marketingmanagements der Châteaux – also wird man mitunter auch vom „Heiligsten“ trotzig ausgeschlossen.

Allein meine zwei zentralen Fragen an die Châteaux sind durchaus kritischer Natur aber sie sind gerade bei solchen problematischen Jahrgängen wie 2012 auch angebracht: „Haben Sie die Proben zur En-Primeur mittels Umkehrosmose gefiltert?“ - „Und wenn dies nicht der Fall ist, haben Sie diese Technik in bisherigen Jahrgängen schon mal angewendet?“ Diese Fragen hört man in Bordeaux nicht gerne – da schließen sich manche Türen.

Aber die Dinge sind nicht so lustig. Die Preise für den Jahrgang 2012 sind viel zu hoch. Die Händler hatten gehofft, dass man zu mindestens zum Preisniveau von 2008 zurückkehren würde oder dass sich die Preise dem Ergebnis des Jahrgangs anpassen würden. Aber die Châteaux sind nicht zu den Preisen von 2008 zurückgekehrt, ganz einfach weil die Chinesen in jüngster Zeit alle Bestände aufgekauft haben. Durch das Hochziehen der Preise für Weine des Jahrgangs 2012 wollen einige Châteaux ihre Aktien aufbessern, falls der Absatz schlecht sein sollte.

Was geht also? Die Supermärkte in Frankreich kaufen was sie kriegen können. Die großen Châteaux verteilen ihre Chargen in winzigen Mengen, die bald vom Markt verschwunden sind. Wie so oft regiert hier nicht die Qualität sondern Begierde und Profit. Und in der Tat erleben einige Händler mit dem Jahrgang 2012 die schlimmste Kampagne ihres Wirkens in Bordeaux. Sie resignieren und handeln nach der goldenen Regel: „Wenn es keiner weiß wird es schon gut gehen“.

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