Das jüngste deutsche Weingut?

03.03.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Lauffen) - Winzer-Talente schießen in Deutschland aus dem Boden wie die sprichwörtlichen Pilze. Auch oder gerade in den letzten Jahren in Württemberg. Das vielleicht jüngste deutsche Weingut macht in Lauffen – im Schatten der großen Weingärtnergenossenschaft – inzwischen bei Insidern von sich reden. Ein Schwabe und eine Hannoveranerin wollen die Weinwelt am Neckar bereichern. Anfang 2013 gründeten sie ihr mit zunächst 0,7 Hektar sehr kleines Weingut. Aber mittlerweile sind sie schon bei etwas mehr als einem Hektar angelangt. Längerfristige Zielsetzung sind fünf Hektar.

 

Interessant ist der Werdegang des ungewöhnlichen Paares. Wiebke Krüger (27) war gerade 17 Jahre jung, als sie sich entschloss, Seiteneinsteigerin zu werden. Tobias Hirschmüller (28) stammt aus einer Lauffener Wengerter-Familie, die seit Generationen Mitglied der Lauffener Weingärtner ist. Sie studierte Internationale Weinwirtschaft sowie Weinbau und Oenologie in Geisenheim, wo sie wohl auch einige Studienkollegen kennenlernte, die wie sie aus weinfernen Regionen stammen. Denn längst ist es nicht mehr so, dass nur Winzertalente einen solchen Studiengang auf sich nehmen; auch ursprünglich branchenfremde Weinfans finden Gefallen am Wein. Praktische Erfahrungen sammelte die junge Dame im Würzburger Bürgerspital, dann in der Schweiz in der Weinhandlung Rutishauser und in Kalifornien bei Williams & Selyems, einem für Pinot Noir bekannten Gut im Russian River Valley. Wiebke war Stipendiatin der Daniel Renn Stiftung und wurde 2010 mit dem Oenologen-Nachwuchspreis des Bundes deutschen Oenologen ausgezeichnet. Nach dem Studium begann sie im Stuttgarter Weingut Wöhrwag zu arbeiten. 

Der junge Lauffener absolvierte eine Winzerlehre bei Jürgen Ellwanger im Remstal und studierte dann in Geisenheim. Parallel zum Studium begann er Zuhause, einen eigenen Weinberg zu bewirtschaften. Die Trauben lieferte er wie die Eltern an die Genossenschaft ab; hier war er Gründungsmitglied der Vereinigung „Vinitiative“, einer Truppe von jungen Mitgliedern, die gemeinsam einige besondere Rotweine kreierte und noch kreiert. Auch ihn führte der Weg nach Kalifornien, wo er beim Weingut Flowers an der Sonoma Coast ein studienbegleitendes Praktikum machte. Bei der Planung des Auslandssemesters lernten sich die beiden kennen. Und irgendwann entstand der Wunsch, es gemeinsam mit einem Weingut zu versuchen. 

Da an der Leine in Niedersachsen keine Reben wachsen, mussten es solche vom Neckar sein. Aller Anfang war schwer, denn die meisten Flächen waren bis zum 31. Dezember 2014 an die Genossenschaft gebunden. Eine Kündigungsfrist musste eingehalten werden. Mit dem Jahrgang 2015 wird das Spektrum deutlich breiter sein, dann gibt es neben der Hauptsorte Schwarzriesling und dem Grauburgunder noch Pinot Noir, Lemberger, Chardonnay, Riesling und Muskateller.

Aber was die beiden mit ihren vorläufig geringen Möglichkeiten zustande brachten, verdient Respekt und lässt erkennen, dass sie bei Ausbildung und Studium gut aufgepasst haben und vor einem baldigen Karrieresprung stehen. Sie arbeiten weitgehend biologisch, eine spätere Zertifizierung ist bereits angedacht. Die Trauben werden selektiv per Hand gelesen, abgepresst wird mit einer restaurierten Korbpresse. Die weitere Verarbeitung ist sehr schonend, die Bezeichnung „vegan“ wäre möglich. Die Weine werden hauptsächlich in 500-l-Eichenfässer ausgebaut. 

Der Schwarzriesling, der hier Pinot Meunier genannt wird, lieferte 2013 und 2014 saftige, verspielte Rotweine mit Trinkfluss. Auch mit  Grauburgunder kann das Weingut Hirschmüller (als Inhaberin ist vorläufig Wiebke Krüger eingetragen) durchaus reüssieren. Aber der Star im kleinen Sortiment ist der selbst versektete Perlage Rosé vom Pinot Meunier, der mutig mit nur 1,3 g/l Restzucker ohne süße Kosmetik abgefüllt wurde und trotzdem jede Menge Spaß macht.

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