25 Jahre Hades: Umsturz im Weinkeller

26.01.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Zweiflingen) - Ein württembergisches Winzer-Sextett mit fünf Buchstaben feierte - mit leichter Verspätung - seinen 25. Geburtstag. Die Hades-Gruppe blickt mit Stolz zurück, war sie es doch, die wesentlich dazu beitrug, dass das kleine Eichenholzfass in Deutschland salonfähig wurde.

 

Heute ist der Ausbau in den kleinen Fässern aus Eiche, bekannt auch unter der Bezeichnung Barrique, Normalität in deutschen Kellern. Manche Betriebe haben hunderte solcher Behälter im Keller liegen, aus unterschiedlichsten Herkünften. Die meisten Erzeuger haben dafür Fingerspitzengefühl entwickelt. Das war noch anders, als im Oktober 1986 eine kleine Gruppe von württembergischen Weingütern damit begann, sich intensiv mit der Vinifikation in solchen Fässern auseinander zu setzen.

Die Weingüter Fürst zu Hohenlohe in Öhringen, Graf Adelmann in Kleinbottwar, Drautz-Able in Heilbronn, Jürgen Ellwanger in Winterbach und der Sonnenhof der Familie Fischer bildeten mit den ersten Buchstaben ihres Betriebsnamens die Bezeichnung „Hades“. Mit ins Boot stieg auch das Staatsweingut Weinsberg. Und Motor der Vereinigung mit dem Untertitel „Studiengruppe neues Eichenholzfass“ war der vor einigen Jahren verstorbene Professor Rainer Zierock, der aus Württemberg stammte und damals an der Weinbauschule San Michele in Trient (Trentino) aktiv war.

Zierock war ein glühender Verfechter des neuen Eichenfasses, das in den achtziger Jahren langsam Einzug in deutschen Landen hielt und deren Ergebnisse vor allem die amtlichen Weinprüfer störten. Viele Weine wurden damals als „untypisch“ oder „holzig“ abgelehnt und mussten als Tafelweine vermarktet werden. Der ersten Kollektion der Hades-Gruppe erging es nicht anders. Die schwäbischen Wengerter waren nicht irritiert, sie beschlossen vielmehr, ihren Weg unbeirrt weiter zu gehen und bezeichneten ihre Weine aus den kleinen Fässern künftig generell als Tafelwein.

Zielsetzung war es vor allem, Rotweine zu erzeugen, mit denen sich international Staat machen lässt. Deshalb gab es auch Studienreisen nach Bordeaux, in die Bourgogne und nach Italien. Es folgten gemeinsame Einkäufe von Reben (Chardonnay, Merlot, Cabernet), die damals allenfalls im Versuchsanbau zugelassen waren und teilweise auch verbotswidrig im kleinen Umfang gepflanzt wurden. Bald wagte man sich auch an Cuvées, die früher in Deutschland als „Verschnitt“ bezeichnet wurden und nicht eben den besten Ruf hatten.

Wagemutig bauten die Hades-Mitglieder außerdem Weine im neuen Holz aus, die eher kurios anmuteten und deutlich machten, was sich nicht für Barriques eignet. Dazu gehörten beispielsweise ein nicht angereicherter Muskateller mit 80 Grad Öchsle, ein Riesling mit lediglich 11 „Volt“ Alkohol, ein hellroter Schillerwein und ein Rotling sowie ein Spätburgunder, den man 36 Monate im neuen Holz ließ - was er nicht ganz überstand.

Einer aus der Truppe hatte schon vorher eine ähnliche Erfahrung gesammelt. Jürgen Ellwanger baute einen leichtgewichtigen Ruländer des miserablen Jahrgangs 1984 für Spitzenkoch Vincent Klink auf dessen speziellen Wunsch aus. Das Resultat wurde von dem später so kommentiert: „Es ist mir gelungen, Holz in Flaschen zu verkaufen.“

Die ersten Initiativen der Hades-Winzer wurden in den Medien und der Fachwelt kritisch begleitet. Es gab nur wenig aufmunternde Kommentare. Der Name schien zu passen: Hades steht in der griechischen Mythologie für den Totengott und die Unterwelt. Kritiker prophezeiten, dass dem Verein bald das Totenglöcklein läuten würde und es ein Verbrechen am Wein sei, was sie machen. „Wir sahen es anders“, erinnert sich Michael Graf Adelmann. „Wir arbeiteten praktisch im Untergrund und konnten mit der Zeit einen Umsturz im Keller herbeiführen.“

Bald hatten Hades-Weine Erfolge bei Wettbewerben. In der ganzen Branche setzte ein Umdenken ein. Für die Truppe gab es diverse Auszeichnungen. Sie wurde zur Keimzelle des Deutschen Barrique-Forums, in dem sich 1990 Weingüter und Winzergenossenschaften zusammen fanden. Heute kann es sich kein ambitioniertes Weingut mehr leisten, bei seinen Rotweinen auf das neue Holz zu verzichten, wenn es Erfolg haben will. Beim Ausbau von Weißwein (insbesondere die weiße Burgunderwelt) ist ebenfalls häufig Eiche im Spiel.

Dass die Weine teilweise überraschende Stabilität haben, wurde an einem Jubiläumstag im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe (der Stätte der ersten offiziellen Präsentation in 1987) deutlich gemacht. Ein 2001er weißer „Jodokus“ von Drautz-Able zeigte sich sehr jugendlich, ebenso ein 1993er Lemberger Tafelwein von Adelmann (trotz nur 11,5 Grad Alkohol). Auch der 1997er Grauburgunder von Ellwanger wirkte vital. Einen 1988er Kerner vom Sonnenhof hatte eine merkliche Säure lebendig gehalten.

Eigentlich wäre das Jubiläum im Oktober 2011 fällig gewesen, aber mitten oder kurz nach der Ernte wollte man kein Wagnis eingehen. So beging man den 25. Geburtstag etwas später, dafür mit einem delikaten Menü von Sternekoch Boris Benecke. Die ehemalige Tantris-Sommeliere Paula Bosch, gebürtig im schwäbischen Riedlingen, führte durch den Abend. Das Menü wurde mit einer Ausnahme (eine 1989er rote Cuvée „Vignette“ von Adelmann) von jüngeren Hades-Weinen begleitet, die längst nicht mehr als Tafelwein deklariert werden und den Weinprüfern kein Kopfzerbrechen mehr bereiten.

Dass in den Betrieben die Senioren nicht mehr allesamt an der Front stehen, machte die nächste Generation deutlich. Markus Drautz ist bei Drautz-Able für den Ausbau verantwortlich, im Weingut Ellwanger sind es die Junioren Felix, Andreas und Jörg. Bei Fürst Hohenlohe hat Joachim Brand den langjährigen Betriebsleiter Siegfried Röll abgelöst, im Sonnenhof folgten auf Vater Albrecht Fischer die Söhne Martin und Joachim. Und Prinz Adelmann vertrat Vater Michael Graf Adelmann.

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