Michael Clark
Weinmoloch Treasury Wine Estates verliert seinen CEO
Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 26. Oktober 2019
AUSTRALIEN (Melbourne) – Investoren haben den Wert einer ihrer Marktliebhaber jüngst um 1,58 Milliarden Dollar erleichtert und damit die Aktie des Weinmolochs Treasury Wine Estates (TWE) um elf Prozent einstürzen lassen. Die Schockmeldung, mit der die Anleger überrascht wurden, lautete lapidar: Michael Clarke, CEO von Treasury Wine Estates (TWE), wird die Führung des Unternehmens im September 2020 abgeben. Clarke bestätigt dies mit den Worten: „Anstatt sechs Monate im Voraus zu kündigen, möchte ich wirklich, dass mein Abgang so ordentlich wie möglich über die Bühne geht, denn wir haben noch unsere besten Jahre vor uns.“
TWE nennt persönliche Gründe für den Abschied Clarkes, der die Finanzen von TWE seit März 2014 leitet. Ihr Finanz-CEO wolle in den Ruhestand wechseln, zurück in seine Heimat Großbritannien ziehen und mehr Zeit mit seiner Frau und Familie verbringen, die in England lebt, heisst es in einer Erklärung des Unternehmens. Clarke selbst sagt dazu: „Der Gesundheitszustand meiner Eltern ist nicht gut, meine Frau kümmert sich, ich dagegen kaum, da ich eine große und verantwortungsvolle Aufgabe bei TWE ausfüllen muss. Es ist für mich kaum möglich, meine Familie zu unterstützen und gleichzeitig meine Arbeit zu führen. Angesichts der zunehmenden familiären Herausforderungen möchte ich bei meiner Familie sein, was letztlich meinen Entschluss gefestigt hat.“
Tim Ford wird Nachfolger von Clarke als CEO. Ford kam 2011 zur TWE, wurde 2018 stellvertretender und im Januar 2019 COO (Chief Operating Officer). Ob er die Investoren bei Laune halten kann, ebenso effektiv wirken kann wie Clarke, ist fraglich und wird sich zeigen. Clarke kam 2014 zu TWE und konnte mit seiner Strategie, das TWE-Geschäft auf Kernmarken wie Penfolds, Wolf Blass, Lindeman’s, Rosemount oder Beringer zu fokussieren, die Investoren überzeugen. Dass, was Clark bei Antritt vorfand, war kaum zu bewältigen. Analysten hielten damals die Zerschlagung der TWE für wahrscheinlich. Die Aktie des Unternehmens lag mit 3,5 Dollar im Keller – heute ist sie sechsmal so viel wert.
Lobende Worte für einen großen Unternehmensführer
„Es besteht kein Zweifel daran, dass die TWE in den letzten fünfeinhalb Jahren unter Mikes Führung einen außerordentlichen Wandel vollzogen und hervorragende finanzielle Erträge erzielt hat. Die strukturellen Veränderungen und Initiativen, die von Mike und seinem Team durchgeführt wurden, haben TWE als ein deutlich stärkeres Unternehmen etabliert, als es vor ihm der Fall war“, wird Clarke von Paul Rayner, Vorsitzender der Finanzabteilung bei TWE, gelobt.
Belinda Moore, Analystin bei Morgan Stanley, wird in UK-Medien zitiert: „Michael Clark ist ein hervorragender CEO, der bei jeder Kennzahl starke Ergebnisse erzielen kann. Klar ist, dass bei Abgang von Clark, die Aktien fallen werden. Das war auch vorher so, als er von Coca Cola wegging. Er ist eben ein exzellenter CEO, der absolut großartige Arbeit leistet. Er kann Unternehmen, die ins Schlingern geraten, wieder an die Spitze führen. Die Aktionäre seiner Unternehmen sind stets verwöhnt, denn er liefert ihnen außergewöhnliche Renditen“.
Treasury Wine Estates
Die Treasury Wine Estates (kurz TWE), über deren geschäftlichen Aktionen ich schon mehrfach berichtet habe, ist heute saniert. Das Unternehmen bildete sich in 2011 aus einem Teil des australischen Getränkeriesen Fosters, der damals seine Weinsparte abstiess. Grund hierfür waren enorme Verluste auf dem US-Weinmarkt. Kurz nach Gründung ging die TWE selbstbewusst an die australische Börse. Fortan folgten Übernahmeangebote, allen voran von den US-Beteiligungsgesellschaften KKR/Rhône Capital und TPG Capital, die sich über zwei Jahre konkurrierend einen Wettstreit lieferten. Aber es blieb dabei – als in 2014 die Verhandlungen ergebnislos beendet wurden, war TWE zu einem der größten Weinhändler weltweit gewachsen. Jetzt trat die TWE unter Clarks Führung selbst als Übernehmer auf und verleibte sich Ende 2015 einen Großteil der Weinsparte des vor allem in den USA und Großbritannien als Marktführer erwachsenen Getränkeriesen Diageo. Die TWE mit Hauptsitz im australischen Melbourne unterhält Vertretungen in Kalifornien, London und Singapur. Die Hauptanbauflächen befinden sich in Südaustralien, Neuseeland und im kalifornischen Napa Valley.
Recherche-Links
Seit 2011 verfolge ich die Geschicke der Treasury Wine Estates. Höhen und Tiefen, Übernahmeschlachten, Einbrüche und Erfolge habe ich somit dokumentiert. Die Artikel sind so eine Art „realer Weinkrimi“ mit Blick hinter die Kulissen. Hier die per Datum aufsteigende Liste von 20 meiner elementarsten Beiträge zum Weinmoloch TWE – viel Vergnügen beim Lesen:
- 22.02.2011 – Die Aufspaltung der Bier- und Weinsparte bei Fosters nimmt Kontur an
- 07.07.2011 – Chinesische Investoren liebäugeln mit Wein-Nobelmarken wie Penfolds & Co
- 28.09.2011 – Treasury Wine Estates meldet Umsatzeinbruch
- 09.08.2012 – Treasury Wine Estates etabliert sich auf den Weinmärkten der USA und Asien
- 31.01.2013 – Treasury Wine Estates steht zur Übernahme an
- 22.07.2013 – TWE vernichtet alte und gealterte Weine in den USA
- 04.09.2013 – Gewinneinbruch bei Treasury Wine Estates
- 29.10.2013 – Minusgeschäft der TWE in den USA bedingt Rechtsstreit mit Aktionären
- 08.04.2014 – Treasury Wine Estates „resetten“ ihre Weingeschäfte
- 23.05.2014 – Treasury Wine Estate wiegelt US-Übernahme ab
- 15.08.2014 – Penfolds Inhaber TWE prüft erneutes Übernahmeangebot
- 21.08.2014 – Treasury Wine Estastes inmitten einer Übernahmeschlacht
- 03.09.2014 – Australian Vintage überstrahlt Rivalen mit starkem Gewinnanstieg
- 09.10.2014 – Übernahme von Penfolds Eigner TWE kollabiert
- 20.11.2014 – Schwierige Entscheidung: TWE schließt historisches Weingut
- 02.07.2015 – TWE verkauft sein kalifornisches Portfolio
- 08.09.2015 – Treasury Wine Estates wieder auf Erholungskurs
- 15.01.2016 – TWE schafft die Wende
- 27.01.2016 – TWE auf dem Weg zu einem Weinmoloch
- 01.08.2018 – Penfolds lanciert ersten kalifornischen Jahrgang