Wie geht es mit dem britischen Weinmarkt weiter?
Brexit: Am Horizont der Weinwelt ziehen Wolken auf
09.02.2017 - arthur.wirtzfeld
UK (London) – Es war in 2016 eine aufregende Nachricht: Cameron hatte es verpatzt und das Vereinigte Königreich stimmte für den Brexit. Und jetzt? Premier Theresa May bollert ihren Brexit-Plan ohne Widerstand durchs Parlament. Das Land, zerrissen, zermürbt und uneinig, bräuchte aber dringend konstruktive Debatten, doch die Politik der stolzen Briten ist wie gelähmt. Kommt der Brexit, wird dies nicht nur im Commonwealth of Nations, sondern weltweit branchenübergreifend Auswirkungen haben, auch für die Weinindustrie.
Die Frage, die sich alle stellen, stellt sich auch das Magazin "Wirtschafts-Woche": "Wie glatt wird der Brexit laufen?" Und gibt dazu auch gleich eine Einschätzung: "In diesem Frühjahr beginnen die Verhandlungen. Das wird ungemütlich. Die EU wird Härte zeigen, um allen Mitgliedern zu signalisieren, dass ein Ausstieg keine Option ist. Das kommt teuer und belastet das globale Wachstum der Wirtschaft. Der Welthandel wird weiter zurückgehen."
Das bringt es auf den Punkt. Nimmt man dazu Trumps Protektionismus mit ins Kalkül, gewinnen der Rechtspopulist Geert Wilders in den Niederlanden und Marine Le Pen mit ihrem Front National in Frankreich die anstehenden Wahlen, dann kann es wirklich düster werden in Europa und im transatlantischen Warenhandel.
Aber bleiben wir beim Vereinigten Königreich, einem der weltweit größten Weinmärkte und Hort edelster Weinsammlungen, das vor einer ungewissen Zukunft steht. Einmal abgenabelt von der Europäischen Union, müsste neu verhandelt werden, und was dann kommt, weiß heute keiner. "Welche Konsequenzen der Brexit auf den Weinhandel hat, ist heute noch nicht absehbar. Aber wir spüren ihn schon", sagt der britische Handel unisono. "Unsere Lieferanten und Winzer sorgen sich nicht nur, sondern sie werden zögerlich. Insbesondere der Verfall des Pfund gegenüber dem Euro macht unsere Branche nervös."
Fakt ist jetzt schon, dass der britische Handel tiefer in die Taschen greifen muss, also immer mehr für Importweine ausgeben. Die daraus resultierenden Kostensteigerungen belasten unweigerlich den Konsumenten. "Wir müssen unsere Mehrkosten umlegen und an den Verbraucher weitergeben, anders geht es nicht. Nicht alle, aber die meisten von uns werden damit bereits im ersten Quartal dieses Jahres beginnen", ist eine mehrfach zitierte Aussage des britischen Weinhandels in der Presse. Eine Preiserhöhung trifft dabei weniger die Gruppe der wohlhabenden Weinliebhaber, die mehr für Qualität mit Provenienz und einer authentischen Geschichte bezahlen. Es ist das Gros der Konsumenten, also die breite Mittelschicht, die letztlich davon betroffen sind.
Wertorientierte Marken werden weniger unter der Preisinflation leiden. Eine Steigerung von 20 oder 30 Pfund auf eine Flasche, die bisher 300 Pfund kostete, beeindruckt die Käuferschicht nicht, die sich schon immer diese Weine leisten konnte. Ein Kuriosum ist, dass der aktuelle Rückgang des Pfund, der langfristig den Verkauf und damit die Umsätze belasten wird, erst einmal den britischen Weinhändlern mehr Umsatz beschert hat. Jetzt kaufen die Weinliebhaber und auch der Handel aus den USA und China immer günstiger werdende Weine aus Bordeaux im Vereinigten Königreich ein, statt wie normalerweise direkt bei den Négociants in Bordeaux aus deren Portfolio zu ordern.
Längst überlegen weltweite Handelsorganisationen, wie sie auf den kommenden Brexit reagieren und sich vorbereiten können. So auch die britische Wine and Spirit Trade Association (WSTA) mit Sitz in London, die über 300 Wein- und Spirituosenunternehmen im Vereinigten Königreich vertritt. Das aktuelle Strategiepapier der WSTA enthält Prioritäten für Verhandlungen mit der britischen Regierung. Als Hauptziel wird ein zoll- und kontingentfreier Zugang zum EU-Markt gefordert. "Wir möchten verhindern, dass die Produktions- und Handelsströme durch den Brexit beeinträchtigt werden. Es darf nicht sein, dass Europas Winzer Hindernisse überwinden müssen, wenn sie ihre Produkte verkaufen", sagt Simon Stannard, Direktor der europäischen Angelegenheiten bei der WSTA.
Um die Tragweite zu verstehen, hilft ein Blick auf die Zahlen. Satte 99 Prozent der in Britannien konsumierten Weine werden importiert – die Hälfte davon aus der Europäischen Union. Das Vereinigte Königreich ist auch der zweitgrößte Weinimporteur der Welt und das nach Volumen und Wert. "Eine Politik, die im Freihandel verankert ist, ihn schützt und aufrechterhält, darf nicht durch einen harten Brexit beeinträchtigt werden. Ein weicher Brexit, so weich wie möglich, gereicht zum Vorteil aller Seiten", meint Stannard. Die Frage bleibt aber, ob der Brexit die europäische Weinindustrie mit voller Härte trifft oder nicht. Und da sind die Mitgliedsstaaten der EU gefragt, die noch längst nicht wissen, wie sie mit dem Brexit umgehen sollen.
Kommt der Brexit, dann sind die Briten befreit von den Handelsgesetzen der EU. Dies birgt Vor- und Nachteile. Die Nachteile liegen dann überwiegend auf Seiten der EU und ihrer Weinnationen, denn hier muss sich die Weinindustrie nach den strengen Vorschriften richten, die Produktion, Handel und Etikettierung innerhalb ihrer Grenzen reglementieren. Davon wären die Briten vollends befreit. Nach einem Brexit ist das Vereinigte Königreich in der Lage, neue Produktionsstandards zu definieren und äquivalent mit außereuropäischen Ländern zu verhandeln. "Im Moment sind wir in das einschränkende Regelwerk der EU gebunden und leiden unter dem Verfall des Pfund. Uns bleibt die Hoffnung, dass es zukünftig eine Erleichterung für den Weinhandel geben wird. Wir müssen abwarten", resümiert Stannard.