„Flüssige Schönheit“ – Bordeaux Jahrgang 2010 begeistert die Weinszene

05.04.2011 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Wer Bordeaux-Weine will hat die Qual der Wahl. Warum? Weil in der ersten Dekade 2010 gleich drei Jahrgänge als Blockbuster bezeichnet werden können und sich von denen einer besser wie der andere präsentiert. „Der Jahrgang 2010 ist flüssige Schönheit“, schwärmt Denis Dubourdieu, Direktor des Instituts für Rebe, Wein und Wissenschaft (ISVV) an der Universität in Bordeaux.

 

Wie jedes Jahr öffnen die Châteaux und namhaften Erzeuger ihre Keller und bieten einer breiten Schar von Experten, Importeuren und Journalisten den neuen Jahrgang „en primeur“ zur Verkostung an. Hierbei kann sich die Weinszene schon etwa zwei Jahre vor der Auslieferung der Weine ein Bild von der Grundqualität machen. Dieses Jahr werden 5000 Besucher aus 65 Ländern erwartet. Dabei drängeln sich bis zu 500 Begierige pro Tag bei den Crand-Cru Gütern. „Wir haben bis zu 25 Prozent Anstieg der Nachfrage für Verkostungen“, berichtet Philippe Dhalluin, CEO bei Chateau Mouton Rothschild.

Der Jahrgang 2010 heimst dann auch schnell Lob für seine Frische, saftige Frucht und intensive Tannine ein. „Der Wein ist großartig“, sagt Stehpane Derenoncourt, Winzer und Berater mehrerer Güter in Bordeaux und ergänzt augenzwinkernd: „Leider haben die Genies der Kommunikation bereits in den letzen 10 Jahren zwei Jahrgänge als Jahrhundert-Jahrgänge erklärt. Jetzt wissen sie nicht, was sie sagen sollen.“ Derenoncourt bringt es damit auf den Punkt, denn Freude und Kummer liegen so nah beieinander. Schon die Jahrgänge 2005 und 2009 wurden zu Blockbustern erklärt und nun fehlt für den 2010 Jahrgang den Marketing-Strategen das Adjektiv der Superlative.

Patrice Hateau, Direktor des Château Pape Clément versucht eine Erklärung: „Der 2010 Jahrgang ist anlog zum 2005 Jahrgang - nur von allem mehr. Mehr Tannine, mehr Raffinesse, mehr Säure", ergänzend sagt er: "es war die Witterung während der Vegetationsperiode und im Vorfeld der Ernte, die uns diesen wunderbaren Jahrgang beschert hat“. Und Charles Chevallier, Betreuer des Nachlasses von Château Lafite Rothschild, stimmt in den Lobgesang mit ein „Wir befinden uns in einem Klima, das großartige Zyklen bereit hält. Und wir haben eine bessere Kontrolle der Reben als noch vor 15 Jahren.“

Aber die Begeisterung über die Qualität in den Fässern ist nur ein Teil der Euphorie, denn Bordeaux ist vor allem ein Geschäft, das rund 3,3 Milliarden Euro (rund 4,7 Milliarden US-Dollar) jährlich abwirft. „Es gibt eine Menge Aufregung auf dem Bordeaux-Markt und eben dieser Markt ist wieder gegeben“, sagt Sylvie Cazes, Präsidentin der Union des Grands Crus de Bordeaux und General Managerin von Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande. „Die wichtigsten Volkswirtschaften, wohin Bordeaux-Weine exportiert werden, sind gesund. Das Vertrauen der Verbraucher kehrt zurück und wir haben günstige Bedingungen für den Verkauf.“

Die Einschätzung von Cazes wird allgemein geteilt. Denn die wichtigsten Handelspartner, die sich in der globalen Wirtschaftskrise zurückgehalten hatten, sind wieder da. Insbesondere auch wieder die Amerikaner, die wieder fleißig ordern. Aber ein großes Fragezeichen hängt über dem sechstgrößten Bordeaux-Clienten - Japan. Im Zuge der dort verheerenden Erdbeben, des Tsunami und der Nuklear-Katastrophe macht sich bei japanischen Importeuren Mutlosigkeit breit. Sie sind jetzt auch bei den „en primeur“ Verkostungen, aber eher um den Jahrgang einschätzen zu können. Einkaufen? Nein eher nicht, sagen sie, denn an wen sollen Sie verkaufen? Viele der Restaurants und Hotels in Japan haben geschlossen. Keiner weiß jetzt, was dort die Zukunft bringt und Einkäufe auf Verdacht oder sogar Spekulationen auf später sind nichts für die Seele der Japaner.

Und wer soll es richten? - China! Der chinesische Weinmarkt boomt. Und mit einem dritten Jahrhundert-Jahrgang aus Bordeaux sind die Gelüste der Chinesen nach Wein und nach Geschäft mehr als aktiviert. Und sie kaufen „en primeur“. Die französische Weinindustrie ist sich daher sicher, das China den vorerst verschwindenden Absatz von Japan auffangen wird.

Als Fazit bleibt: Auf Baiss eines Blockbuster-Jahrgangs und allgemeiner Erholung auf den globalen Wirtschaftsmärkten werden die Gewinne mit Weinen aus Bordeaux mit teils wieder erstarkten und teils neu hinzu gewonnenen Märkten realisiert. Vom Jahrgang 2008 auf 2009 wurden die Gewinne verdreifacht. Einige Grand Crus Güter, wie etwa Château Lafite, konnten von 2008 auf 2009 einen Gewinnzuwachs von knapp 600 (i.W. sechshundert) Prozent verzeichnen, allein dank der Nachfrage aus China. Und über die Gewinne aus dem Jahrgang 2010 berichten wir, wenn es denn soweit ist.