Guanxi - China auf dem Weg zur Weinweltmacht

29.10.2009 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Hong Kong) - Die weltweite Finanzkrise, die auch China nicht verschont hat, öffnet nun chinesischen Investoren den Blick auf gute Weine. Sie sehen, wie sie mit niedrigem Risiko, billig im Weinmarkt investieren und auf relativ lange Laufzeit Gewinngarantien erhalten können. Ermuntert werden die Investoren von Experten der Finanzwelt in Hong Kong, die Investitionen in seltene Weine als reale Alternative für ein gutes Kapitalwachstum werten und empfehlen. Als Begründung geben sie die weiterhin unersättliche Nachfrage der Chinesen nach importierten Weinen an.

 

"Wir können in verschiedenste Aktien mit verschiedensten Risiken investieren, weil sie einfach auf dem Markt verfügbar sind. Aber auf der anderen Seite sind Weine mit guter bis hoher Qualität, rare Jahrgangsweine, Weine bestimmter Traditionsgüter und Weine mit Auszeichnungen nicht wieder auffüllbar, also ersetzbar. Deren Wert ist gebunden und steigt stets", resümiert George Tong, Weininvestor und Vizepräsident der Wong Hau Plastic Works & Trading Co., Ltd. "Immer wenn jemand beispielsweise eine Flasche Chateau Lafite-Rothschild Jahrgang 1982 öffnet, muss ich an den Wertzuwachs denken und natürlich auch an den Gewinn".

Die stärksten Impulse für die Investoren stammen aus den anhaltenden und nunmehr noch steigenden Nachfragen nach importierten Weinen, gepaart mit dem rasanten Wachstum des Privatvermögens in China. Was für die Superreichen und die Oberschicht sowieso gilt, gilt nun mehr und mehr auch für die wachsende chinesische Mittelschicht. Top Weine werden immer mehr zum Statussymbol und entwickeln sich zu einem leistungsfähigen Werkzeug für den Aufbau von Geschäftsbeziehungen.

"Man muss sich die Kultur der Chinesen vor Augen führen. Wenn Chinesen einladen wollen sie ihre Wertschätzung zeigen, und das machen sie zunehmend gerne mit dem Verschenken oder Öffnen von wertvollen Weinen", sagt Carson Chan, Managing Director des Auktionshauses Bonhams Asien. "Zudem wollen Chinesen nicht zurückstecken, wenn Sie selbst eingeladen werden. Auch dann greifen Sie verstärkt zu einem herausragenden Wein".

Nach vielen Jahren des Unwissens haben sich zumindest die Reichen aber auch die aufstrebende Mittelschicht Chinas weiter gebildet. Sie verfügen nunmehr über ausreichend bis gute Kenntnisse über den Wein aus dem Westen. Sie jagen gezielt nach den Qualitätsmarken und fokussieren sich letztlich auf die weltweit bekannte Französische Weinbauregion Bordeaux.

China gehört heute bereits zu den zehn größten Weinverbraucher-Ländern und Experten sagen voraus, dass China bereits im Jahr 2012 den sieben Platz einnehmen wird. Weltweit treibt der chinesische Weinmarkt die Weinpreise nach oben. Der Preis für eine Flasche 2005 Domaine de la Romanée Conti sprang von etwa 2.000 Dollar im Jahr 2005 auf 8.200 Dollar im Jahr 2009. Mittlerweile hat sich Hong Kong´s Weinmarkt zu einem der größten Nutznießer im internationalen Weingeschäft entwickelt. Nicht zuletzt auch wegen der Rückführung des 40prozentigen Steuersatzes im vergangenen Jahr durch die chinesische Regierung. (wir berichteten)

Die weltweit umspannenden Auktionshäuser Sotheby's und Christie's sagen unisono, dass die südchinesische Stadt Hong Kong die Städte New York und London bereits als größten Markt für seltene Jahrgänge überholt hat. Nur zwei Auktionen brachten Sothegy´s allein in 2009 einen Umsatz von 14,3 Millionen Dollar, doppelt so viel, wie das Traditionshaus in London umsetzte. Eine Sprecherin von Sotheby´s bestätigte, das bei der letzten Auktion im Oktober ein anonymer chinesischer Bieter eine Flasche Chateau Petrus 1982 Imperial für exakt 93.077 Dollar ersteigert hat. Ein Rekorderlös.

Doch wer nun glaubt, dass grundsätzlich alle Chinesen mit ihren teuer eingekauften oder ersteigerten Weinen beim Verkauf so richtig Gewinne machen, versteht die chinesische Philosophie nicht. Für einige Chinesen, die im Besitz von Weinschätzen sind, eröffnen sich erweiterte Dimensionen gesellschaftlicher Art. Guanxi* ist das Zauberwort. Investment-Banker Samuel Young gibt dafür ein Paradebeispiel. Viele seiner Kunden bitten ihn, ihnen doch eine oder zwei Flaschen aus seiner Sammlung zu verkaufen. "Das tue ich auch", sagt Young und erklärt: "Aber ich mache dabei kein pekuniäres Geschäft. Ich nutze den Verkauf einzelner Weine an meine Kunden ausschließlich für den Aufbau oder die Festigung von Beziehungen. Edler Wein ist dafür bestens geeignet. Das ist meine Art der Investition".

*Guanxibezeichnet das Netzwerk persönlicher Beziehungen, von dessen Wirken in China kaum eine Entscheidung unbeeinflusst bleibt. Dabei teilen Chinesen sehr genau nach Verwandten, Freunden, Geschäftspartner und Fremden ein, um den Grad des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Hilfe abschätzen zu können. Verträge und Absprachen werden in der Regeln nur als eine Richtschnur gesehen, von der im Zweifelsfall abgewichen werden darf - das Beziehungsgeflecht Guanxi steht darüber. (Quelle: Wikipedia)