Weinprämierung Rheinhessen: Die Selbstentlarvung der Landwirtschaftskammer

05.07.2017 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Alzey) – Über die Ergebnisse von Wettbewerben kann man trefflich streiten. Was da an Resultaten manchmal auf dem Tisch eines Redakteurs landet, lässt manchmal nur noch schmunzeln, wenn man solche Weine und Produzenten kennt und eine Ahnung hat, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind. Die Landwirtschaftskammern in Rheinland-Pfalz, die für die Prämierungen in den hier vertretenen Anbaugebieten zuständig sind, versichern, dass bei ihnen alles seriös zugeht – trotzdem muss man teilweise seine Zweifel haben. Vor allem, was die Ergebnisse in Rheinhessen betrifft.

 

Das ist zweifellos eine Aufsteiger-Region mit immer mehr ambitionierten Winzern. Namen wie Keller (Flörsheim-Dalsheim), Wittmann, Dreißigacker, Wagner-Stempel, Battenfeld-Spanier, Kühling-Gillot stehen für bedeutende Weine, die das lang unterschätzte Potenzial des größten deutschen Anbaugebietes deutlich machen. Und es rücken immer mehr junge, engagierte Winzer nach, die den Arrivierten Druck machen. Aber keinen dieser Namen findet man auf den Ergebnislisten der Landesprämierung, die von der Kammer-Dienststelle in Alzey verantwortet wird. Und nur sehr wenig Erzeuger, die als überdurchschnittlich bekannt sind, liefern noch aus alter Gewohnheit ihre Weine zur Prämierungsprüfung ab. Fragt man in der Szene nach, warum die Elite des Gebietes die Landesprämierung weitgehend ignoriert, lautet die Antwort, man könne die Ergebnisse oft nicht nachvollziehen und wolle sich deshalb nicht in ein Bett mit durchschnittlichen Weinen legen. Oder man hat bei Versuchen erfahren, dass hochwertige Weine in der Stilistik Großer Gewächse nicht als solche erkannt und abgelehnt werden. 

Dafür werden viele brave, schlichte Weinchen, mit etwas Restsüße und Kohlensäure hochgepäppelt, mit Gold und Silber in rauen Mengen dekoriert. Wer wie der Schreiber dieser Zeilen über Jahre hinweg viele, viele Weine für einen rheinhessischen Weinführer verkostet hat, wird irgendwann der Sache leid. So platzte mir eines Tages der Kragen und ich hielt im Weinführer schriftlich fest: „Wenn sich eines Tages ein Konsument dazu entschließen sollte, die rheinland-pfälzische Landwirtschaftskammer wegen gewerbsmäßigen Schwindels anzuzeigen und seinen Einkaufspreis für Wein zurückhaben will, weil er sich durch Medaillen auf manchen Flaschen in seiner Qualitätserwartung getäuscht fühlt, dann bieten wir uns gern als Kronzeugen an.“

Das löste Wutgefühle bei der Kammer aus. Aber statt sich mit dem Thema endlich mal auseinanderzusetzen, wurde eine Kampagne gegen den „Rufmörder“ gestartet. Eines Tages landete ein dickes Kuvert auf meinem Tisch, gefüllt mit gleichlautenden Briefen, die Wörter wie hochmütig, boshaft, Selbstüberschätzung enthielten. Ein Mitarbeiter einer Winzerzeitschrift verbreitete zudem Lügenmärchen. Interessant war im Detail, dass etliche der Briefe keine Absenderangabe und manche nur eine unleserliche Unterschrift enthielten. Ob diese Schreiben letztlich getürkt waren, konnte nicht beurteilt werden. Sicher war nur, dass ein Kammer-Mitarbeiter so wenig beschäftigt war, dass er das alles inszenieren konnte. Er hatte irgendwann offenbar Schwierigkeiten, genügend Unterzeichner in Rheinhessen zu finden (denn nur um die Medaillen aus Rheinhessen ging es). So mussten auch Erzeuger aus anderen Gebieten herhalten, die vermutlich nicht mal kapierten, was Thema war. Die lesbaren Namen der rheinhessischen Absender, allesamt offenbar Prüfer der Landesprämierung, waren dagegen interessant – und verräterisch. Denn es waren ohne Ausnahmen Erzeuger, die qualitativ weit entfernt von der Spitze sind. Aber genau das sind die sogenannten Sachverständigen und „Experten“, die Medaillen vergeben ...

Ist eine gründliche Auseinandersetzung über die allzu großzügige Medaillenvergabe mit den Verantwortlichen möglich? Kurzzeitig hatte es den Anschein, bei einem zufällig zustande gekommenen Gespräch mit zwei leitenden Herren auf einer Weinveranstaltung in Mainz. Wir diskutierten sachlich, obwohl einer der beiden ein Gesicht zog, als würde er gerade auf einer Zitrone kauen. Bei der Verabschiedung wurde gefragt, ob es Bereitschaft zu einem Gespräch in der Kammer gebe. „Selbstverständlich“ war die Antwort. „Machen sie Terminvorschläge.“ Mehr als ein Jahr später ist die Kammer immer noch stumm ... Aber zumindest ist jetzt bekannt, wie die merkwürdigen Medaillenvergaben zustande kommen.