Besuch auf Mallorca – Oberpfälzer Unternehmer als Winzer

10.03.2017 - R.KNOLL

SPANIEN (Mallorca) – Die Landschaft in der Gegend des Städtchens Alaró im Nordwesten von Mallorca ist wild und malerisch. Sie ist geprägt von uralten Terrassen und wird gekrönt von einer weißen Burg mit einem Turm nebendran. Die Aufschrift „Castell Miquel“ ist schon aus kilometerweiter Entfernung sichtbar. Bis weit in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde hier Landwirtschaft und auch Viehzucht betrieben, aber dann waren die Gebäude scheinbar dem Verfall preisgegeben – bis sie von dem deutschen Professor Dr. Michael Popp, dem Vorstandsvorsitzenden der Bionorica SE aus Neumarkt in der Oberpfalz samt umliegenden Grund mit 16 Hektar gekauft wurden und eine Metamorphose zu einem erstklassigen Weingut erlebten. 

 

Popp (Jahrgang 1959), eigentlich ein Fan der Toskana, war deshalb auf Mallorca unterwegs, weil es hier optimale Möglichkeiten gibt, Saatgut für die pflanzlichen Arzneimittel seines namhaften Unternehmens heranzuziehen. Bionorica wurde 1933 von Josef Popp, dem Großvater des heutigen Inhabers Michael Popp gegründet, dann von der Apothekerin Erna und dem Mediziner Hans-Oskar Popp weiter entwickelt und langsam auf eine industrielle Herstellung der Präparate umgestellt. Michael Popp, der sich schon als 14-Jähriger ins Unternehmen einbrachte und Pharmazie studierte, sorgte schließlich ab 1989 dafür, dass Bionorica ein Riese im Geschäft mit Phytopharmaka und homöopathischen Arzneimitteln mit weltweiter Verbreitung wurde. Die Firma beschäftigt über 1400 Mitarbeiter und schreibt einen Umsatz von knapp 250 Millionen Euro. Ihre Top-Marke Sinupret ist das wohl meistverkaufte rezeptfreie Erkältungsmittel.

Wein gibt es auch nicht auf Rezept. Und gesundheitsfördernde Wirkungen des Weines, etwa der für das Herz nicht unwichtige, in der Rotwein-Traubenhaut sitzende Inhaltsstoff Resveratrol, sind bekannt. Es war also nicht abwegig, sondern eher logisch, dass sich Popp mit Wein intensiver befasste, ordentlich investierte und schließlich 2002 sein Weingut Castell Miquel eröffnete. Vom Start kam man gut weg. Die ersten Weinkollektionen wurden noch von Markus Del Monego, 1998 zum Weltmeister der Sommeliers gekürt, durchaus mit Recht euphorisch beschrieben. 

Einige Jahre später war es etwas still um das Weingut geworden. Zwar sammelte man reichlich Urkunden bei diversen Wettbewerben, bei denen jedoch mehr inflationär bewertet und nicht unbedingt kritisch geurteilt wird. So etwas kann dazu verleiten, dass im Anbau und in der Kellerwirtschaft zu sehr die Hände in den Schoß gelegt werden. Deshalb wurde mit dem Jahrgang 2015 eine Zäsur notwendig, um das natürliche Potenzial in der mittlerweile auf mehr als 30 Hektar gewachsenen Rebfläche wieder zu wecken.

Seitdem schafft die engagierte Spanierin Nuria Tuduri Gomila (42) mit großer Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit im Keller an. Sie hatte in Tarragona Oenologie studiert und war anschließend in einigen Bodegas tätig, unter anderem bei Miguel Torres. Dass sie gutes Traubenmaterial in den Keller bekommt, dafür sorgt ihr ambitionierter spanischer Kollege Jordi Torrella (49). Im Keller hat sie alles, was sie braucht, um Weine mit Charakter zu erzeugen, nach Ganztraubenpressung und natürlicher Vorklärung genügend Edelstahl für den reduktiven Ausbau der Weißweine, ebenso aber reichlich Barriques für den Ausbau der Rotweine.

Im Vergleich mit älteren Jahrgängen ist ein großer Unterschied schmeckbar. Die aktuellen Weine sind schlicht deutlich besser. Das gilt auch für die Toplinie des Hauses, deren Name Stairway to Heaven (Treppe zum Himmel) einst von der britischen Popgruppe Led Zeppelin geprägt wurde. Der 2016er Sauvignon blanc führt zwar nicht schnurstracks zu Gott, ist aber ein Weißwein mit einem sanft würzigen, nicht aufdringlichem Aroma, im Geschmack mittelgewichtig, mit viel Trinkfluss. Der Blanc de Negre aus der gleichen Serie von der Sorte Monastrell ist knackig und säurebetont. Der Rosada, ebenfalls Jahrgang  2016 und eine Mischung aus Merlot, Shiraz, Tempranillo und Monastrell, hat einen hohen Spaßfaktor. Die roten Stairway to Heaven hütet Nuria noch in Barriques. Der 2015er Shiraz hat laut Fassprobe ein prächtiges Potenzial, gleiches lässt sich von den jetzt schon temperamentvollen Shiraz und Cabernet Sauvignon aus 2016 behaupten, die aber zwangsläufig noch der Cuvéetierung harren. Abgefüllt aus dem neuen Rotweinzeitalter ist bereits der Monte Sion (altes Kloster) aus zwei Drittel Shiraz sowie Tempranillo und Cabernet Sauvignon. Während die Vorgänger noch klotzig und derb wirkten, ist der 2015er ein geschmeidiger, ausgewogener, extraktreicher Roter mit reifen Gerbstoffen, auf den die Bezeichnung „ein Maul voll Wein“ perfekt passt. Man könnte auch in Anspielung auf den Chef „Popp-Art“ im Glas sagen…