Ein Moselaner soll georgischen Wein voranbringen

02.05.2015 - R.KNOLL

GEORGIEN (Tiflis) - Georgien ist vermutlich das älteste Weinland der Welt. Funde von Traubenkernen weisen offenbar darauf hin, dass hier bereits vor 8000 Jahren erstmals Wein erzeugt wurde. Aber Tradition schützte nicht vor den Turbulenzen der letzten Jahrzehnte. Jetzt soll der gebürtige Moselaner Hilarius Pütz dafür sorgen, dass der Weinbau dieses Landes im Osten Europas vorankommt.

 

Schwer genug hatte es Georgien seit 1985. Damals gehörte das Land noch zur Sowjetunion und bewirtschaftete über 100 000 Hektar Reben. Aber dann wollte Regierungschef Gorbatschow den Alkoholismus in der UdSSR bekämpfen und nahm hier auch den Weinbau ins Visier. Bis dahin hatte georgischer Wein in Moskau und anderen sowjetischen Metropolen fast Kultstatus. Doch durch die Beschränkungen musste viel Rebfläche aufgegeben werden. Dann kam es zum Zerfall der UdSSR. Georgien wurde 1991 selbstständig, durchlebte aber erst mal einen Bürgerkrieg, zu dem sich 2002 noch ein Erdbeben gesellte.

Der Weinbau begann sich dennoch langsam zu erholen. Georgische Erzeuger traten sogar vor gut zehn Jahren erstmals auf der ProWein in Düsseldorf auf, mit Unterstützung der deutschen GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), die heute als GIZ (das „i“ steht für „international) immer noch im Land aktiv ist. Das Geschäft mit Russland florierte fast wieder wie in den Zeiten der Sowjetunion. Aber weil Staatschef Michail Saakaschwili zu sehr mit Amerika liebäugelte und sich auch mit anderen Aktionen in Moskau unbeliebt machte, verhängte Russland ein Embargo gegen landwirtschaftliche Erzeugnisse, das vor allem die Weinwirtschaft hart traf. Denn rund 80 Prozent der Produktion wurden bis dahin im großen Nachbarstaat abgesetzt. Dann kam es noch 2008 zu einer kurzzeitigen kriegerischen Auseinandersetzung mit den hoch überlegenen Russen – alles Gründe, warum der georgische Weinbau nicht so recht auf die Füße kam.

Inzwischen gibt es wieder eine Reihe von funktionierenden Kellereien, teilweise auf Basis von Investment aus dem Ausland. Dazu gehört der ehemalige deutsche Unternehmer Burkhard Schuchmann, der ab 2006 mit einem georgischen Partner ein achtbares Weingut in der Region Telavi aufbaute. Hilarius Pütz, der 1952 im bekannten Weinort Wiltingen an der Saar das Licht der Welt erblickte, kam 2007 nach Georgien und übernahm hier die Leitung der alteingesessenen Schaumweinkellerei Bagrationi.

In der Agenda des 63-Jährigen ist viel Erfahrung in großen Unternehmen nachzulesen. Der staatlich geprüfte Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft war unter anderem bei den großen Kellereien Schmitt & Söhne, St. Augustus und Carl Reh in jeweils leitenden Funktionen tätig, wurde später selbstständiger Berater für die in der Kellerwirtschaft angesehene Willmes Anlagentechnik, baute eine Schaumweinkellerei in Cricova (Moldawien) auf und erweiterte sein Berater-Spektrum durch Tätigkeiten in weiteren Ländern in Osteuropa.

Als er nach einem Kontakt auf der Stuttgarter Intervitis bei der 1882 gegründeten Sektkellerei Bagrationi einstieg, nahm er gleich eine Reihe von Neuerungen vor. Er baute eine Rebschule auf, die zuletzt 2014 immerhin eine Million Reben vermarktete. Bagrationi kaufte Fläche für den eigenen Anbau, um unabhängig von Traubenlieferanten zu werden und um besseres Material für die Schaumweinproduktion zu bekommen. Pütz mühte sich ab, brachte viel Schwung ins Unternehmen, steigerte die Qualität vor allem der Sekte aus klassischer Flaschengärung. Aber seine freie Zeit nutzte er nebenbei, um mit einer Familie ein kleines Weingut aufzubauen. Für die Weinmanufaktur Avtandil Bedenashvili mit fünf Hektar georgischen Rebsorten wie Saperavi, Kisi und Rkatsiteli fungiert er offiziell als Berater und Kellermeister, da er als Ausländer unter der neuen Regierung kein Land erwerben darf. Die ersten Weine konnte er bereits auf dem deutschen Markt bei einem auf Georgien spezialisierten Fachhändler (Geovino in Hamburg) platzieren.

Pütz ist zäh, willensstark (so überwand er 2007 einen weit fortgeschrittenen Darmkrebs) – und ein leidenschaftlicher Macher. Als er merkte, dass sich bei Bagrationi nicht mehr viel bewegen ließ, sattelte er hier auf Beratung um und bekam zugleich die Aufgabe von einem deutschen Consulting-Unternehmen (das wiederum für die GIZ handelt), eine duale Ausbildung im Weinbereich sowie ein Weinkompetenzzentrum aufzubauen. Die notwendige Lehrberechtigung hat Hilarius Pütz seit vielen Jahren. Ein Partner ist hier die Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau im fränkischen Veitshöchheim. Parallel soll dazu ein Weinkontrollsystem erarbeitet werden, mit der Erstellung eines Katasters, einer Überprüfung der Sortenreinheit der Bestände (in Georgien gibt es rund 500 verschiedene Sorten, die oft durcheinander n den Weingärten stehen).

Die künftige Möglichkeit, Erntemengen genauer zu erfassen, ist auch eine Maßnahme, um Tricksereien auszuschließen. Außerdem ist gewünscht, dass sich Pütz der Weinproduktion in Qvevris (Amphoren) auf breiter Front annimmt. Diese inzwischen in Westeuropa etwas populär gewordene Methode mit Weiß- und Rotweinen, die in den Boden-Amphoren aus gebranntem Ton lange Standzeiten auf der Maische haben und sowohl in Weiß als auch Rot etwas eigenwillige, aber oft spannende, gerbstoffbetonte Weine liefern, wird traditionell in vielen georgischen Betrieben praktiziert. Aber nicht selten mangelt es an der Hygiene. Daran kann auch die Anerkennung durch die UNESCO nichts ändern: Seit 2013 steht diese spezielle Vinifikation auf der Liste des immateriellen Kulturerbes.

Der Moselaner ist sich im Klaren darüber, dass er angesichts der nicht einfachen Mentalität vieler Leute in der Weinszene schwierige Aufgaben übernommen hat. Der Ruf als Gastgeber ist großartig, aber dynamische Mitarbeit ist nicht unbedingt eine große Stärke der Georgier. Als Fazit nach einigen Monaten urteilt Pütz: „Wir sind auf einem guten Weg, müssen aber immer wieder Steine überwinden, die uns in den Weg gelegt werden.“ Derzeit hofft er, dass sich die wirtschaftlich und politisch schwierige Situation von Russland nicht zu negativ auf den georgischen Weinbau auswirkt. Seit dem Wegfall des Embargos ist der Nachbar wieder mit Abstand größter Abnehmer für georgischen Wein. 2014 stieg der Exportanteil auf über 60 Prozent (38 Millionen Flaschen). Zahlungsbasis sind Dollar. Auf die haben Putin und Co. derzeit aber keinen uneingeschränkten Zugriff.