Grandé Cuvée aus Terlan

28.01.2014 - R.KNOLL

ITALIEN (Terlan) - Ein junger Südtiroler Weißwein aus einer Genossenschaft, der nicht im Ab-Hof-Verkauf zu haben ist, sondern nur im ausgewählten Fachhandel und der hier etwa 145 Euro kostet, ist so etwas möglich? Es ist! Zumindest in Terlan, wo eine Kooperative Zuhause ist, die mit ihren weißen Altweinen noch in ganz anderen Dimensionen denkt und als Zielgruppe ganz unbescheiden internationale Zwei- und Drei-Sterne-Restaurants angibt, von München über New York bis Tokio.

 

Begonnen hat alles vor knapp 60 Jahren, als in der Genossenschaft ein ambitionierter Kellermeister die Regie übernahm und bis 1993 am Ruder war. Sebastian „Waste“ Stocker trug zwei Seelen in seiner Brust. Er musste, den damaligen Gesetzen des Marktes folgend, viel einfachen Tafelwein, meist aus südlicheren italienischen Gefilden stammend, zu Marken wie „Silberstückel“ und „Alte Rebe“ ausbauen. Aber er erkannte, dass Sorten wie Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon blanc im Raum Terlan ideale Voraussetzungen für komplexe, würzige, lang haltbare Weißweine hatten, solo ausgebaut oder in einer Cuvée.

Zur Beweisführung begann Stocker (der mit heute über 80 Jahren immer noch ein paar Reben hegt) damals ohne Wissen der Geschäftsführung einige Partien heimlich zurückzulegen. Es dürfte ein gewisser Schock für die Chefs jener Zeit gewesen sein, als sich der Kellermeister offenbarte. Aber er durfte weitermachen, so dass in einer Tiroler Krisenzeit vor gut 25 Jahren den Terlanern damals in den Medien immerhin attestiert wurde, dass sie sehr gute Weißweine mit Lagerpotenzial im Keller haben. Davon zehrt die heutige Führungsmannschaft mit Geschäftsführer Klaus Andergassen, Verkaufs- und Marketingchef Klaus Gasser sowie Kellermeister Rudi Kofler. Das junge, selbstbewusste Trio erkannte schnell, welches weinige Kapital im Keller steckte und schaffte es auf dieser eindrucksvollen Basis von rund 20 000 Flaschen Altweinen zurück bis 1954, die sich fast durchgängig noch in guter Form befinden, dass die Cantina Terlan in der internationalen Weinszene zumindest bei Insidern als bedeutender Betrieb mit beachtlichen Qualitäten angesehen wird.

So gesehen war es nur ein weiterer Schritt, dass die reifen oder alten Weine so etwas wie ein junges Sahnehäubchen bekamen. „Terlaner“ ist ein traditioneller Begriff für Südtirol und hat seit 1975 DOC-Status, mit der Maßgabe, dass die genannten klassischen Sorten dabei Verwendung finden dürfen. Terlaner war seit vielen Jahrzehnten in der Genossenschaft ein Aushängeschild, immer abgefüllt in die Normalflasche und nie in die einstigen größeren Gebinde mit einem oder zwei Liter, die es hier auch gab. Nach zwei Probeläufen in den Jahrgängen 2009 und 2010, dirigiert von Kellermeister Kofler, wurde der 2011er als Startjahrgang für den Terlaner Grandé Cuvée ausersehen – und vor wenigen Tagen einer Journalistenrunde mit Teilnehmern aus Italien, Österreich und Deutschland präsentiert.

Nicht einfach so. Zuvor standen einige reife Jahrgänge wie 1999 (Weißburgunder), 1996 (Weißburgunder), 1990 (Chardonnay), 1989 (Terlaner), 1984 (Chardonnay), 1979 (Sauvignon blanc), 1969 (Terlaner) und 1957 (Weißburgunder) auf dem Programm. Lediglich der Sauvignon blanc wirkte sehr gezehrt, alle andere Weine waren gut, stabil und teilweise von einer angenehmen, reifen Säure getragen. Zu erfahren war, dass der älteste Wein im Keller ein 1954er ist und die Preisvorstellung bei den besonders reifen Gewächsen schon mal bei happigen 1000 Euro liegen kann. Ein Beispiel dafür, dass sich die Terlaner selbst auf Augenhöhe mit der elitären Weinwelt sehen.

Das gilt auch für das Zuteilungssystem. Händler, die solche Weine (die so etwa alle 25 Jahre neu verkorkt werden) ordern wollen, müssen nachweisen, welche Top-Restaurants damit beliefert werden. So ähnlich praktiziert das auch die noble Domaine Romanée Conti, die sehr viel Wert darauf legt, dass ihre Burgunder nicht in die Hände von „Kreti und Pleti“ gelangen.

Nach der bemerkenswerten reifen Kollektion kamen drei verhüllte Flaschen zum Vorschein. Das Interesse mehrerer Teilnehmer konzentrierte sich bald auf die Nummer zwei, die mit Eleganz und Tiefgang aufwartete. Der Beste des Trios war dann in der Tat die Grandé Cuvée I. Sie stellte immerhin einen Corton Charlemagne und einen Batard-Montrachet des gleichen Jahrgangs in den Schatten. Der Corton hatte in etwa die Preislage des Südtirolers, der zweite Burgunder kostete sogar um 200 Euro. Die Terlaner Chefs, an der Spitze Obmann Georg Höller, atmeten auf, als klar war, dass die Mehrheit der Fachpresse ihren Wein vorn hatte.

2850 Flaschen wurden davon gefüllt; er ist kein 100prozentiger 2011er. Kellermeister Rudi Kofler: „Wir haben kleine Mengen aus den Versuchen aus 2009 und 2010 beigesteuert.“ Was sicher kein Schaden war. Der Wein setzt sich aus Weißburgunder (mit 50 Prozent größter Anteil), Chardonnay und etwas Sauvignon blanc zusammen. Ausgebaut wurde er im großen Holzfass, wo er lang auf der Feinhefe lag. Danach durfte er noch ein Jahr in der Flasche reifen. Ab 1. März 2014 wird mit dem Verkauf gestartet. Wann der nächste Super-Terlaner auf den Markt kommt, ist noch nicht bekannt. Nur soviel: nicht krampfhaft in jedem Jahr, sondern nur dann, wenn viele positive Faktoren zusammenspielen.

Alternativen gibt es. So liegt derzeit in 15 verschiedenen Tanks Weißburgunder auf der Hefe, der älteste aus dem Jahrgang 1979. Irgendwann werden auch solche Jahrgänge „angezapft“ und sollen dann die Stabilität dieser Südtiroler Weißweine deutlich machen. Dahinter steckt auch viel Erfahrung. Die Kooperative wurde bereits 1893 gegründet. 2008 vereinte sie sich mit der gleichaltrigen Genossenschaft von Andrian. Miteinander kann man heute rund 250 Hektar Rebfläche vorweisen. Zielsetzung für die nächsten Jahre ist es laut Gasser, „dass wir uns als Weltmarke im Top-Segment positionieren.“