Bei Lageder und Walch: Generationswechsel in Südtirol

29.09.2014 - R.KNOLL

ITALIEN (Südtirol) - Es ist ein ganz normaler Prozess, wenn der Nachwuchs in einen Betrieb einsteigt und langsam der Senior die Zügel aus der Hand gibt. Beim Weinbau ist das immer wieder mal verbunden mit einer Neuorientierung oder gar einer Zäsur. Beides ist bei zwei namhaften Südtiroler Weingütern wohl nicht zu erwarten. Aber die Nachfolger müssen sich große Schuhe anziehen.

 

Nehmen wir Alois Lageder aus Margreid, der in mittlerweile 40 Winzerjahren für Südtirol zum Vordenker und Qualitätspionier wurde. Als in den achtziger Jahren in vielen Kellereien noch Massenware dominierte und Südtirol viel einfachen Fasswein nach Deutschland und in die Schweiz exportierte, schwamm er gegen den Strom, reduzierte die Erträge, schaffte die Literflasche in seinem Betrieb ab, erkannte, dass die in Südtirol weit verbreitete Pergel nicht unbedingt die ideale Erziehungsform für Reben war und dass es zum dominanten Vernatsch durchaus Sortenalternativen gab. Lageder wurde von manchen vermutlich belächelt als „Wein-Streber“, aber später wohl auch wegen seiner zunehmenden Akzeptanz in der internationalen Szene gelegentlich beneidet.

Der Familienbetrieb, gegründet 1823, war über 100 Jahre in Bozen angesiedelt. 1997 wurde übergesiedelt nach Margreid und hier ein Keller mit angegliederten Verwaltungstrakt nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut. Bei all dem stand Lageder sein Schwager und Önologe Luis von Dellemann zur Seite, auch als er sich vom naturschonenden Weinbau hin zum biodynamischen Weinbau orientierte. „Diese Art, mit der Natur umzugehen, konnte ich schon im Garten meiner Mutter bewundern“, erinnert er sich einige Jahrzehnte zurück.

Neben den diversen Umstellungen gab es auch ein gesundes Wachstum bei der Fläche, in den letzten 15 Jahren von 17 auf 50 Hektar. Die Geschäfte laufen gut (durch die Biodynamie gab es sogar neue, spezialisierte Händler als Abnehmer). Die Qualität der Weine ist aktuell auf einem sehr guten Niveau. Da traf es sich für den 64-Jährigen gut, dass Sohn Clemens (27), der ursprünglich Soziologie und Geschichte in Zürich studierte, dann doch von 2008 bis 2011 auf der Weinuni in Geisenheim studierte. Jetzt will er allmählich in den Betrieb einsteigen – ohne schwesterliche Konkurrenz (Anne ist Event-Veranstalterin; Helene studiert Film in London).

Zum reibungslosen Übergang wird nach Einschätzung des Vaters ein neuer Mann im Keller beitragen, den Clemens in Geisenheim kennenlernte. Diplom-Önologe Georg Meißner war an der Hochschule Lehrbeauftragter speziell für Biodynamie und passte damit ideal in den Raster von Alois Lageder. Er setzt den 37-Jährigen seit letztem Jahr auch als Berater für Winzer und Landwirte ein, mit der Zielsetzung, diese Art der Bewirtschaftung in seiner Heimat auf breiter Front salonfähig zu machen.

Gleich zwei Nachfolgerinnen arbeitet die einzige bekannte Frau im Südtiroler Weinbau derzeit ein. Elena Walch, aufgewachsen in Mailand und Bozen, verschlug es als diplomierte Architektin eines Tages nach Tramin, um bei einem Kellerneubau Akzente zu setzen. Werner Walch, Inhaber der Kellerei Wilhelm Walch, fand Gefallen an der feschen Frau. Die beiden heirateten. Aber die an Selbstständigkeit gewohnte Elena wollte sich nicht mit der Rolle als Gattin eines Kellereibesitzers zufrieden geben. So gründete sie vor gut 25 Jahren ihre eigene Weinlinie, das sich im Unterschied zu den Gewächsen ihres Mannes auf Top-Qualität konzentrierte.

Sie konnte einige Filetstücke in besten Lagen kaufen und pachten und fiel bald mit ihren Weinen auf Messen und bei Präsentationen auf. Besonders Furore machte sie mit Traminer und Weißburgunder von den steilen Terrassen der gepflegten, eng bestockten Lage Kastelaz hoch über Tramin. Das zweite Lagenprunkstück ist Castel Ringberg, wo vor allem Sauvignon blanc, Pinot Grigio, Lagrein, Cabernet Sauvignon und auch der Kalterersee (Vernatsch) Aufmerksamkeit verdienen. Zuletzt ging es immer höher hinaus. Auf 600 Meter wurden in Altenburg 1,2 Hektar erworben. „Das ist unsere Weiterentwicklung Richtung Hochlagenweine“, lacht Julia Walch, eine der beiden Töchter von Elena.

Die 28-Jährige ist gerade dabei, mit ihrer Schwester Karoline (26) das Gut der Mutter „Schritt für Schritt“ zu übernehmen. Bei Julia war es nicht unbedingt vorprogrammiert, dass sie mal in den Betrieb einsteigen würde. Karoline tendierte schon als junges Mädchen zum Wein. Aber beide absolvierten eine andere Ausbildung, machten Australien und Frankreich unsicher, ehe sie sich im Schnellkurs weinbauliche Kenntnisse und solche im Marketing aneigneten. Im Keller vertrauen sie wie die Mutter dem langjährigen Kellermeister Gianfranco Faustin.

Das Wachstum der letzten Jahre war stark. Elena Walch hat inzwischen die Größenordnung der Kellerei Wilhelm Walch (500 000 Flaschen) erreicht. Irgendwann werden die beiden Damen wohl auch den Vater (Jahrgang 1951) ablösen. Vorläufig betrachten sie die Mutter noch, so Julia, „als Zentrum des Weingutes“ und haben sich die Betreuung Absatzmärkte geteilt. Das funktioniert gut, „weil wir uns blendend verstehen“ (Karoline). Vielleicht ist es schon auf die beiden engagierten, munteren jungen Damen zurückzuführen, dass der Absatz im ersten Halbjahr einen deutlichen Zuwachs im Verkauf bemerkte?

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