Weingut Abril: Auf zu neuen Ufern

01.06.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Bischoffingen) - Das Weingut Abril in Bischoffingen am Kaiserstuhl schlug ein neues Kapitel in seiner mehr als 270-jährigen Geschichte auf. Vor kurzem wurde endlich nach einer zeitlichen Verzögerung und einer Neuorientierung der Bau eines Gutsgebäudes mit Keller gestartet. Zunächst hatte es einen Baustopp an anderer Stelle gegeben, weil im Boden Relikte einer uralten Siedlung gefunden wurden. Diese Spuren aus der Zeit um 5 500 Jahren v. Chr. waren ein Beweis für die früheste Ansiedelung von Menschen im Kaiserstuhl. Die Scherben aus der Keltenzeit lagern jetzt in 62 großen Kisten in Müllheim und erfreuen Archäologen.

 

„Scherben bringen Glück“, sagten sich die Eigentümer des Weingutes und beschlossen ein Ausweichen aus der Bischoffinger Ortsmitte auf ein Gelände am nordwestlichen Ortsrand. Die Eigentümer, das sind Erivan und Helga Haub, die Seniorchefs des Lebensmittelkonzerns Tengelmann. Warum sie sich auf ihre „alten Tage“ (der immer noch fit anmutende Weingenießer Erivan Haub ist 78 Jahre jung) im schon einige Jährchen währenden Ruhestand noch in der Weinszene betätigen, liegt an Helga Haub, die am Kaiserstuhl aufwuchs und deren Mutter eine geborene Abril war. Als Winzer Hans-Friedrich Abril unter seinen drei Kindern keinen Nachfolger fand, war es für seine Cousine Helga Haub klar: Zurück zu den Wurzeln. Sie und ihr Mann erwarben den Betrieb, um vielleicht jemand aus der nächsten Generation in der Familie eine Fortsetzung zu ermöglichen.

Wenn der „geheimnisvollste Krämer Deutschlands“ (so das Handelsblatt vor Jahren) und seine Frau sich in einer solchen Szene engagieren, dann tun sie es richtig und mit Power. Gleich nach dem Kauf des Gutes im Jahr 2007 wurde mit Armin Sütterlin ein tüchtiger Geschäftsführer eingestellt. Zwei Jahre später übernahm man das benachbarte Bio-Hofgut Consequence. Dessen Besitzer Manfred Schmidt ist seit Januar 2010 im Weingut Abril Leiter des Außenbetriebes und stellte die komplette Fläche auf ökologischen Weinbau um.

Durch den Consequence-Erwerb und weitere Zukäufe sind die Fluren von einstmals 6,5 auf 20 Hektar gewachsen. Das Investment allein in den neuen Keller (der 2012 die erste Ernte aufnehmen soll) umfasst 10,5 Millionen Euro. Rund 140 000 Flaschen sind das Produktionsziel. Ein Verkauf über Tengelmann wird nicht angestrebt. Helga Haub meint: „Sie passen nicht in unser Sortiment.“ Wohl aber auf die Karte des noblen Alpenhofs in Murnau, ebenfalls ein Besitz der beiden Haubs, der mit einer vorbildlichen Weinkarte aufwarten kann und die in den letzten Jahren gut gewordenen Abril-Weine gern listet. Mit Spätburgunder, Grauburgunder und Weißburgunder sowie der Spezialität Blauer Silvaner (eine Mutation des klassischen Grüner Silvaner) und neuen Sorten wie Merlot will man künftig in Baden nach oben klettern.

Die beiden Eigentümer werden es mit Vergnügen beobachten. Und vergleichen. Immerhin ist Erivan Haub als Mitglied der burgundischen Bruderschaft Chevaliers du Tastevin ein durchaus kritischer Weingenießer, der seine damalige Flamme Helga Abril vor über 50 Jahren mit einem Chambolle-Musigny eroberte.