Die schwere Geburt einer französischen AOC

05.02.2011 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Pic Saint Loup) - Am Anfang seiner Winzerlaufbahn verkaufte Christophe Peyrus seine Weine für ein paar Franken auf regionalen Märkten. Seine Domain Clos Marie in Pic Saint Loup im Languedoc-Roussillon, umgeben von Kreidefelsen in Nähe des Mittelmeeres, gründete Peyrus 1992, gleich nach Austritt aus der örtlichen Genossenschaft. Beginnend mit biologischem Anbau stellt er, inspiriert von seinem Freund Gérard Gauby, dann auf biodynamischen Weinbau um. Nach und nach verbesserte er seine Jahrgänge und die Erfolge blieben nicht aus. Seine Weine schmücken mittlerweile die Karten bester Restaurants - heute reißen sich Importeure von Tokio bis New York um seine Weine - er könnte seine Weine locker 10-fach verkaufen.

 

Doch der Erfolg ist für den ambitionierten Winzer, der unter seinen Kollegen wie auch bei den Kennern der Szene zu den Top-Erzeugern im Languedoc gezählt wird, bittersüß. Denn, seine Rebanlagen liegen rund um den Pic Saint Loup, eine immer noch nicht anerkannte AOC (Appellation d'Origine Controle) und somit bleibt ihm die begehrte Anerkennung und marktgerechte Einstufung seiner Weine, insbesondere im Preis, vorenthalten.

„Wir haben internationale Anerkennung, wir haben die Qualität längst erreicht, die es rechtfertigt, dass Pic Saint Loup als AOC anerkannt wird“, sagt Christophe Peyrus. „Ich spreche nicht nur für mich, sondern auch 30 weitere Erzeuger hier aus der Region bieten teilweise schon seit 20 Jahren beste Weinbergs- und Kellerarbeit und die sehen das genauso.“

Einflussreiche Weinkritiker wie Robert Parker und sein für das Languedoc zuständiger „Adjutant“, David Schildknecht, halten diese Region für eine der spannendsten Anbaugebiete des 21. Jahrhunderts. Damit sind sie einer Meinung mit französischen Kritikern wie ebenso mit erfahrenen Weinhändlern aus der ganzen Welt.

„Für mich und meine Kollegen ist es frustrierend, wenn Erzeuger aus dem Rhone-Tal ihre Weine mit gleichen Rebsorten zwei bis dreifach teurer verkaufen können“, sagte Peyrus. Die Weinqualität seiner Kollegen und insbesondere auch die Weine von Peyrus, basierend auf Grenache und Syrah-Trauben, die schon mit 97 Parker-Punkten ausgezeichnet wurden, rechtfertigen längst ein Überdenken des Institut National de l'Origine et de la Qualité (INAO), das letztlich für die Vergabe geschützter Herkunftsbezeichnung der AOC zuständig ist.

„Im besten Fall dauert es noch fünf Jahre bis eine AOC Pic Saint Loup genehmigt wird“, sagt Gilles Flutet, bei der INAO zuständiger Leiter für die Vergabe von neuen AOC. „In einigen Fällen, wie beispielsweise bei Saint Pourcain an der Loire, hat es 25 Jahre gedauert, bis wir dort eine AOC genehmigen konnten.“

Was macht eine AOC so begehrlich? AOC ist einfach ein Qualitätsmerkmal und neben Champagner, Chablis oder Chateauneuf-du-Pape bei Weinliebhabern weltweit ein Begriff. Weine aus AOC-Gebieten rechtfertigen weit höhere Preise als Weine aus den anderen Regionen, die keine geschützte Herkunftsbezeichnung führen dürfen. Das AOC System, erschaffen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, sollte damals vornehmlich die Weine aus der Region Burgund und Bordeaux vor Fälschungen und Betrug schützen. Mittlerweile hat sich sogar der Begriff „Terroir“ mit AOC vermischt, jedenfalls beim Gros der Weinliebhaber. Für diese steht mitunter AOC für ein einzigartiges Ensemble an natürlichen Bedingungen bis hin zur Signatur einer Anbauzone, gleichbedeutend mit einem positiv besetzten Geschmack.

„Die Beziehung zwischen Rebe, Boden, Lage, Mikroklima und der anschließenden Kellerarbeit reicht längst nicht aus - das ist kein Terroir“, sagt Gilles Flutet. „Es braucht Jahrzehnte an kollektiver Arbeit, um außergewöhnliche Weine bestimmter Regionen zu entwickeln.“

„Und das haben wir“, hält Jean Orliac dagegen. Als junger Agronom nahm sich Orlic Anfang der 70iger des letzten Jahrhunderts einem Teil der rund um den Pic Saint Loup verwaisten Weinberge an. Heute bewirtschaftet er rund 70 Hektar. „Es war für mich eine wunderbare Herausforderung und es ging nicht darum, ein florierendes Geschäft aufzubauen - im Gegenteil. Ich, wie auch die anderen Erzeuger hier, wollten unserer Appellation neue Impulse geben, wir wollten eine kollektive Marke schaffen, die eine AOC verkörpert.“

„Ich muss zugestehen, dass rund um den Pic Saint Loup schon Jahrzehnte intensiver und bemerkenswerter Weinbergs- und Kellerarbeit geleistet wurde. Daher haben wir von der INAO schon 2006 signalisiert, dass eine AOC möglich ist“, sagt Gilles Flutet. „Doch es gibt ein weiteres Problem. Aus den am Rande aber weiter entfernt liegenden Gebieten hat eine Gruppe von Erzeugern beantragt, ebenfalls in die kommende AOC Pic Saint Loup aufgenommen zu werden. Diese Diskussion bremst natürlich das Procedere enorm.“

Um dem schwelenden Streit aus dem Weg zu gehen hat die INAO einen Untersuchungsausschuss aus Wissenschaftlern, darunter Geologen, Ethnographen, Historikern gebildet und eine Studie in Auftrag gegeben. Nach Beendigung von deren Analysen kam die INAO zu dem Schluss, dass die AOC solange verweigert wird, bis die Erzeuger rund um den Pic Saint Loup ihre Kollegen aus den Randgebieten mit in die AOC aufnehmen. Dieses Ultimatum war im Sommer 2010 und ist bis heute eine bittere Pille für Peyrus, Orliac und ihre Kollegen. Ihnen bleibt scheinbar nichts anderes übrig als einzuwilligen.

Aber nur scheinbar, denn schon machen sich die Winzer des Pic Saint Loup darüber Gedanken, wie sie ihre eigene Identität aus der AOC heraus bilden können. „Wir arbeiten zur Zeit an der Idee, dass nur organisch arbeitende Betriebe in die AOC aufgenommen werden dürfen“, sagt Pierre Jequier, Eigner von Mas Foulaquier. „Dem stimmt sicher nicht jeder zu, aber letztlich geht es um unsere Identität, Bekanntheit, Einzigartigkeit.“ ...Drame à la France!