Starkes Karma
Eine Krankenschwester wird Winzerin
Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 27. Mai 2020
AUSTRALIEN (Clare Valley) – Die letzten Monate des Jahres 2018 waren Wendejahre für Liz Heidenreich. Sie beendete ihre fast 14-jährige Amtszeit als Winzerin bei Sevenhill, gelegen im Clare Valley (rund 100 km nördlich von Südaustraliens Hauptstadt Adelaide), heiratete und lancierte ein Weinlabel und Weingut nach ihrem Namen. Ihre Geburtsstadt Adelaide war auch die Heimat ihrer in der Weinindustrie engagierten Familie. Der Großvater gründete 1936 ein Weingut im Barossa Valley. Doch zuerst wollte Liz nichts vom Weinbau wissen, obwohl sie von Kind an damit Berührung hatte. Sie lernte den Beruf der Krankenpflege und arbeitete 15 Jahre lang als Krankenschwester in einer Klinik ihrer Geburtsstadt.
Doch im Laufe der Zeit machten sich die Weingene bei Liz bemerkbar und sie begann einen Kurs in Weinkunde. Nach erfolgreichen Abschluss jobbte sie bei südaustralischen Weingütern, anschließend leitete sie ihre Neugier nach Portugal, um sich hier in der Weinbereitung weiter ausbilden zu lassen. An der portugiesischen Algarve blieb sie vier Jahre beim Weingut Vida Nova des britischen Popstars Sir Cliff Richard und reifte zur Winzerin.
Bruder May & Sevenhill
Zurück in Australien, wir schreiben das Jahr 2005, bekam Liz einen Job im legendären Weingut Sevenhill. Ihre bisherigen Kenntnisse in der Weinbereitung wurden bei Sevenhill vollkommen. Sevenhill war aber auch ein Wendepunkt in ihrem Leben als Winzerin. Liz schloss eine enge Freundschaft mit ihrem Mentor und altgedienten Vorgänger John May bei Sevenhill, einem viel bewunderten Weinmacher, der auch Bruder der Jesuiten war. May hatte erst eine Lehre als Zimmermann absolviert und schloss sich im Jahr 1949 den Jesuiten an. Es folgte eine Umschulung als Winzer und im Jahr 1963 wurde er Assistent bei Sevenhill. Fortan prägte er für fünf Dekaden die Weine von Sevenhill.
53 Jahre später erhielt May im Jahr 2016 die Auszeichnung „Order of Australia“ für seinen Beitrag zur Weinbereitung im Clare Valley, zum dortigen Tourismus und zur katholischen Kirche. Der heute 89-jährige May, der in Sydney im Ruhestand lebt, liess es sich nicht nehmen an der Hochzeit seines Schützlings teilzunehmen. Er war einer der liebsten Gäste von Liz, die Ende des Jahres 2018 Jeremy O’Leary heiratete. Ihr Mann Jeremy hat ebenfalls Erfahrung im Weinbereich. Zur Jahrtausendwende gründete er zusammen mit seinem Partner Nick Walker das O’Leary-Walker Weinunternehmen im Clare Valley.
Treueschwur an das Clare Valley
„Ich werde dem Clare Valley immer treu bleiben“, sagt Liz, die aber auch Ende letzten Jahres ein spannendes Engagement auf der Eyre Peninsula angenommen hat (siehe mein Beitrag: „Eyre Peninsula schreibt Weingeschichte“). Dort in Port Lincoln unterstützt Sie als Beraterin Peter Teakle beim Aufbau eines bemerkenswerten Weinprojektes. Zuhause im Clare Valley hat Liz zwischenzeitlich ihren 2018er Clare Valley Watervale Riesling und 2016er Shiraz und Grenache-Rotweine auf den Markt gebracht, die zum Teil auch aus Trauben von familieneigenen Rebflächen des Barossa Valley gekeltert sind.
Angesichts der Erfolge der Sevenhill-Weine, die Liz mitverantwortet hat, ist es keine Überraschung, dass ihr Watervale Riesling und auch ihre Roten von bester Qualität sind. Darin fließen sorgfältige Arbeit, das Wissen ihres Mentors Bruder May, die Handschrift einer Winzerin, die Wein im Blut hat und auch in Portugal Kniffe gelernt hat. Auf den Unterschied eines Pflegeberufs im Krankenhaus und als Winzerin angesprochen sagt Liz: „Es gibt eine Überschneidung der Disziplinen. Dazu gehört das Zeitmanagement, die nötige Ruhe und auch der Druck ist adäquat. Ich bin an lange Arbeitszeiten und Nachtschichten gewohnt, somit stört mich dies als Winzerin weder in der Erntephase noch bei der Weinbereitung und auch nicht bei meinem beratenden Job“.
Die australische Weinszene hat Liz Heidenreich längst auf dem Schirm, eine professionelle Weinmacherin, die erste Winzerin Südaustraliens in führender Position, was sie, darauf angesprochen, veranlasst zu konstatieren: „Mag sein, dass ich talentiert bin, aber meine Wegbereiter waren Männer – Sir Cliff Richard und Bruder John May“.