Stationen der Weingeschichte
Auf die Barrikaden!
Die Gallier bekämpfen mit dem Holzfass die Römer, und die französischen Revolutionäre errichten daraus ihre Barrikaden. Ganz nebenbei dient das Behältnis auch zum Ausbau des Weins.
Der Name Barrique (barrica) ist okzitanischen Ursprungs. Als im Jahr 51 vor Christus bei Uxellodunum (im heutigen Département Lot in Südwestfrankreich) die Schlacht tobt, die den gallischen Kriegen endlich ein Ende bereiten wird, füllen die Belagerten Fässer mit Schwefel, Pech und Holzspänen, zünden sie an und rollen sie auf die Belagerer.
Das Holzfass als keltische Errungenschaft? Dem widerspricht ein Text des Herodot (484 bis 425 vor Christus), der erzählt, dass Dattelwein in Behältern aus Palmenholz auf kreisrunden Booten von Armenien nach Babylon verfrachtet wird, was die Armenier zu den Erfindern der Barrique machen würde. Sicher ist, dass die alten Gallier sich bereits als wahre Meister der Küferei outen. Das kleine Fass dient dem Transport von Getreide und Honigbier, von Butter und gesalzenem Hering und anderen Leckereien, wird aus Kastanienholz gefertigt oder aus Birke, aus Linde, Akazie oder Eiche.
Nur Wein enthält es vorerst nicht. Wein wird in Amphoren transportiert oder in Schläuchen. Das Holzfass mag ein idealer, perfekt recycelbarer Allroundbehälter sein, aber: Es ist porös, lässt Luft herein, und folglich oxidiert der Wein. Zur Kelterung verwenden die Römer vorab grosse, bis zu 1200 Liter fassende Gärbehälter aus Ton (Dolia).
Spätestens ab dem frühen Mittelalter wird das Holzfass aber für mehrere hundert Jahre zum ausschliesslichen Behälter für Wein. Flasche und Korken sind noch nicht erfunden, der Gebrauch der verpfropften Amphore ist in Vergessenheit geraten. Jedes Dorf hat seinen Küfer, und in Hafenstädten, die mit Wein handeln, gibt es ganze Quartiere von Fassbauern, die zu Reichtum und Ansehen kommen. Wein kommt im Fass zum Kunden, der sticht es an und leert es nach und nach: Spätestens im Sommer vor der neuen Ernte ist der Inhalt zu Essig vergoren, und Mann und Frau warten sehnlichst auf frische Ware.
Das Weinfass wird beinahe ausschliesslich aus Eiche gezimmert. Als Einweggebinde ist es fast immer neu und gibt dem Wein einen angenehm rauchig-vanilligen Geschmack. In der Homöopathie gilt Eiche (Quercus) als Mittel gegen Alkoholismus: In der Barrique ausgebauter Wein enthält offenbar sein eigenes Gegengift…
Seit dem hohen Mittelalter werden Schiffe nach ihrem Fassungsvermögen, ihrer Tonnage, klassifiziert: Ein Tonneau von 900 Litern entspricht – in Bordeaux wenigstens – vier Barriques zu 225 Litern, die je 300 Frontignan-Flaschen zu 0,75 Litern ergeben. Noch heute wird der Offenweinpreis in Bordeaux je Tonneau festgelegt.
Weil Brot immer teurer wird und Wein mit immer höheren Zöllen belegt, brennen Pariser Weinschmuggler und Revolutionäre am 11. Juli 1789 Zollschranken nieder und errichten Barrikaden aus leeren Fässern. Der Konsum eines Pariser Haushalts beträgt damals über ein halbes Fass pro Monat, leere Gebinde sind folglich nicht Mangelware. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts bricht der Erfolg des Holzfasses ein. Es gilt als altmodisch und unhygienisch. Mitschuldig am schlechten Ruf der Eiche ist nicht zuletzt die Tatsache, dass Wein mehr und mehr im Gut selber abgefüllt wird und Holzfässer wiederverwendet werden – oft jahrzehntelang.
Erst Mitte der 80er Jahre erlebt die Barrique ihre Renaissance. Fortan ist für an Bourbon geschulte amerikanische Gaumen das Vanille-Rauch-Aroma im Wein nicht mehr wegzuschmecken. Doch Moden haben kurze Beine: Schon ist der Barrique-Taste wieder out.