Mouton Cadet

Von wegen schwarzes Schaf

Text: Birte Jantzen, Fotos: @Alban Gatti, z.V.g.

Es gibt Momente im Leben, die Vorurteilen den Garaus machen. Ein Besuch bei Mouton Cadet war so ein Moment. Anstelle von lieblosem Massenwein erstrahlten im Glas erfreulich fruchtige, entspannte und spassige Weine. Und besser noch: Seit dem Jahrgang 2022, ist Mouton Cadet mit dem Siegel Fair for Life zertifiziert – der Beweis dafür, dass nicht nur in Weinberg und Keller enorme Fortschritte gemacht wurden, sondern auch, wie sehr sich das Familienunternehmen für seine Winzer einsetzt. Ein Blick hinter die Kulissen.

Wer Mouton hört, denkt wahrscheinlich erst einmal an Château Mouton Rothschild, eines dieser legendären Bordeaux-Weingüter aus Pauillac, dessen elitäre Tropfen heute Weinliebhaber jeder Herkunft zum träumen bringen. Der künstlerisch begabte Zweig der Rothschild-Familie, der das Weingut seit 1853 gehört, hat jedoch mehr als nur einen Trumpf im Ärmel und liebt es, generationsübergreifend fröhlich die Grenzen zu verwischen. Im Französischen bedeutet «mouton» «Schaf» oder «Widder» – also ein recht geselliges, stets lockig frisiertes Geschöpf. Amüsant ist: Das Wahrzeichen von Château Mouton Rothschild ist zwar ein Widderkopf, «mouton» wurde jedoch ursprünglich von «mothon» abgeleitet – spricht sich fast gleich aus, hat aber eine ganz andere Bedeutung, nämlich «Hügel». Tatsächlich liegen die Weinberge von Château Mouton Rothschild auf sanften, in Richtung des naheliegenden Ästuar Gironde abfallenden Hügeln.

Ob sich vor den Reben auf diesen Hügeln vor Jahrhunderten auch Schafe tummelten, weiss keiner. Fakt hingegen ist, dass der Widderkopf lange Zeit exklusiv für Château Mouton Rothschild stand. 1922 übernahm der gerade mal 22-jährige Baron Philippe de Rothschild das Weingut von seinem Vater, Baron Henri de Rothschild, dessen Herz vielmehr für das Theater schlug: Er schrieb Theaterstücke und liess in Paris in den 1920ern das damals wohl modernste und schönste Theater Frankreichs bauen, das Theater Pigalle, welches heute leider nicht mehr existiert.

Ab der Übernahme wohnte Baron Philippe als Erster der Familie persönlich auf Mouton Rothschild, damals alles andere als fürstlich, für ihn war es aber ein Zufluchtsort, der eine Auszeit von mondänen Verpflichtungen bedeutete. Er liebte die Freiheit des Landlebens ebenso wie sportliche Herausforderungen, und er reiste leidenschaftlich gerne. Nach zwei herausragenden Jahrgängen, dem 1928er und dem 1929er, zettelte Baron Philippe 1930 eine kleine Revolution an. Er schuf die Marke Mouton Cadet, sozusagen den «Junior-Widder», war er doch selbst der jüngste Spross der Familie. Die Idee: einen unkomplizierten Wein abzufüllen, der Bordeaux verkörpert, der preislich erschwinglich bleibt und den man entspannt mit Freunden geniessen kann.

Philippe Sereys de Rothschild, Enkelsohn von Baron Philippe und Vorsitzender des Aufsichtsrats von BPDR (Baron Philippe de Rothschild S.A.), hat seinen Grossvater gut gekannt: «Er hatte enorm viele Ideen – einige davon waren gut, andere weniger.» Schmunzelnd fügt er hinzu: « Er kümmerte sich nebenbei auch um das Pigalle-Theater in Paris, um die Schauspieler, die Besucher, die Bühnenarbeiter, die Platzanweiser, genau wie er sich auf dem Weingut um die Angestellten und Kunden kümmerte. Das hat ihn geprägt. Er war ein unkomplizierter, direkter Mensch – und sehr gesprächig. Ich glaube, Mouton Cadet ist aus dieser Direktheit entstanden: Mouton Rothschild war ziemlich mythisch und Mouton Cadet so etwas wie eine Entmystifizierung. Sein Gedanke war: ‹Wir brauchen einen Wein für alle, der erschwinglich ist, qualitativ, der den Leuten gefällt und sie neugierig macht.› Also begab er sich auf die Suche nach Winzern und so entstand Mouton Cadet.»

 

In den ersten Jahren gab es nur ein paar zehntausend Flaschen, dann kam der Zweite Weltkrieg. Richtig erfolgreich wurde Mouton Cadet erst in der Nachkriegszeit, als Baron Philippe in den 1950er und 1960er Jahren anfing, die Weine nach Grossbritannien und Amerika zu exportieren. Er reiste viel und ging aktiv auf neue Märkte zu. Heute sind viele Weingüter und Marken aus Bordeaux international bekannt. Damals war es vor allem Mouton Cadet. Noch immer findet man die Weine selbst in den entlegensten Ecken der Welt: «Einmal bin ich mit Freunden auf einem alten Fischerboot nach Grönland gefahren, in die Fjorde», erzählt Philippe Sereys amüsiert. «Wir sind dort eine Woche lang mit den Skiern in den Bergen herumgekraxelt, es war aussergewöhnlich. Auf der Rückreise legte das Schiff in einem winzigen Dorf im tiefsten Grönland an. Wir schlenderten durch das Dorf, es gab dort einen kleinen Supermarkt. Und was stand auf dem Regal? Mouton Cadet. Wir waren alle ganz platt!»

So erfolgreich sich die Geschichte von Mouton Cadet auch anhört – es war alles andere als ein Spaziergang. Seit seiner Gründung wuchs das Unternehmen kräftig, die Zahl der produzierten Flaschen ebenfalls. 1993 wurde für Mouton Cadet ein regelrechtes Kellereizentrum in Saint-Laurent-Médoc eingeweiht, welches auch noch heute das Herzstück des Unternehmens ist.

Über die letzten zehn Jahre gab es grundlegende Veränderungen, Qualität und Präzision sind zurück. Heute braucht sich Mouton Cadet vor keinem mehr zu verstecken. Sicher, das Unternehmen hat nach wie vor eine stattliche Grösse: Die Trauben kommen von 1500 Hektar Weinbergen, bewirtschaftet von 150 Partnerwinzern. Jedoch wurden sämtliche Prozesse umgestellt, modernisiert und angepasst. In den Weinbergen wird immer nachhaltiger gearbeitet, auch mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels, und vegane Bioweine gehören mittlerweile fest zum klar strukturierten Sortiment. Die Verträge mit den Partnerwinzern wurden neu ausgehandelt, die Bezahlung liegt über dem Marktpreis, die Zusammenarbeit ist viel enger geworden.

Nach wie vor gilt ganz Bordeaux als Trauben-Einzugsgebiet für Mouton Cadet. Vor allem die unbekannteren Anbauzonen wie Entre-Deux-Mers, Côtes de Bourg und das Blayais haben dabei viel zu bieten. Auch wurde die junge Generation der Rothschild-Familie mit ihren progressiven Ideen an Bord geholt. Das Resultat sind vor allem fruchtige, spassige und zugängliche Weine mit dem richtigen Preis-Genuss-Verhältnis und eine beispielhafte Arbeitsphilosophie, die bei Besuchen in den Weinbergen schlicht Freude bereitet. Man spürt einen frischen Wind, viel Hilfsbereitschaft zwischen den Winzern und dem Team und Kommunikation auf Augenhöhe. Mouton Cadet hat sich beispielhaft gemausert und kann stolz darauf sein, als eine der wenigen Weinmarken überhaupt Fairtrade zu sein. Das ist ebenso inspirierend wie ermutigend, denn wenn ein so grosses Weinunternehmen wie Mouton Cadet dies schafft, gibt es auch für vergleichbare andere keine gültige Ausrede mehr. Hut ab und weiter so, denn Gewinner sind am Ende alle: die Winzer, das Unternehmen und die Weinliebhaber!

Verkostung

Neben der Verkostung verfügbarer Weine eröffnet eine nicht alltägliche Vertikale der Cuvée Héritage neue Horizonte und beweist: Nicht nur Elite-Weine zaubern Freude an den Gaumen.

Mouton Cadet Blanc x Nathan

Bordeaux AOP 2023 Bio & Vegan

14.5 Punkte | 2024 bis 2027

Ein 100%iger Sauvignon Blanc, hauptsächlich aus der Region Entre-Deux-Mers. Perfekt reife Trauben zaubern exotische Früchte ins Glas, Ananas, Yuzu und Bergamotte-Zitrone, aber auch Pfirsich, Aprikose, Grapefruit und frisch geriebene Zitronenschale. Erfrischend, schlicht, zugänglich, unkompliziert, mit leicht würzigem Finale und viel Trinkspass.

11,95 Euro | www.ludwig-von-kapff.de

 

Mouton Cadet Rosé x Mathilde

Bordeaux AOP 2023 Bio & Vegan

14.5 Punkte | 2024 bis 2026

Ein 100%-Merlot, ausschliesslich von lehmhaltigem Terroir. Verspielt, erfrischend und unbeschwert gleitet er über den Gaumen und zeigt: Auch Bordeaux kann Rosé. Walderdbeere, Himbeere, eine feine Salzigkeit und leicht minzige Noten geben ihm eine grosszügige Leichtigkeit und Trinkspass pur, mit erstaunlicher Länge im Abgang.

11,95 Euro | www.ludwig-von-kapff.de

 

Mouton Cadet Rouge

Bordeaux AOP 2022 HVE & Fair for Life

14.5 Punkte | 2024 bis 2029

90% Merlot und 10% Cabernet Sauvignon verstehen sich verflixt gut, und dies ganz ohne Ausbau im Holz. Am Gaumen reife Frucht, Brombeere, Blaubeere, Veilchen, rote Paprika, Gewürznelke, echter Lakritz, Minze und ein Hauch von Bittermandel. Insgesamt dicht gewebt, charmant, grosszügig, mit anschmiegsamen Tanninen, ausgewogener Frische und samtiger Textur. Ein unkomplizierter Genusswein, perfekt zum Teilen.

11,95 Euro | www.ludwig-von-kapff.de

 

Mouton Cadet Cuvée Héritage

Bordeaux AOP 2022 HVE

16 Punkte | 2025 bis 2032

Mitte Mai dieses Jahres als Fassprobe probiert, war er dabei, seine 16 Monate Ausbau, ein Teil davon im Holzfass, zu beenden. Merlot und Cabernet Sauvignon zeigen sich fruchtig, expressiv, ausdrucksstark und noch sehr jung. Im Glas noch pausbäckig, mit dicht gewobenen Tanninen, perfekter Frische, einem langen und würzigen Abgang und saftiger Präzision. Schwarze Beeren, Blutorange, Menthol, Süssholz, roter Pfeffer, und das Holz bleibt dezent im Hintergrund. Ein vielversprechender Essensbegleiter, der gerne noch etwas lagern kann.

Ende 2024 erhältlich

 

Mouton Cadet Cuvée Héritage

AOP Bordeaux 2020 HVE

15 Punkte | 2025 bis 2030

Merlot und Cabernet Sauvignon entfalten reife Fruchtaromen von Kirsche, Brombeere, Heidelbeere und Blutorange, vervollständigt mit Noten von Sandelholz, Zimt, Veilchen und etwas Trüffel. Geschmeidig, dicht gewebt, mit fein strukturierten Tanninen und viel Frische im Abgang. Grosszügig und sehr ausgewogen, perfekt für jetzt, dabei aber durchaus noch lagerfähig.

13,20 Euro | www.vinatis.de

 

Mouton Cadet Cuvée Héritage

AOP Bordeaux 2019 HVE

16.5 Punkte | 2024 bis 2034

Fruchtig, erfrischend, saftig, süffig, verspielt, zeigt er sich am Gaumen erstaunlich lang und jugendlich. Fein strukturiert, vielschichtig, würzig, expressiv, mit viel schwarzer Beere, Kirsche, Sandelholz und Veilchen. Zurzeit ist er einfach perfekt ausgewogen, auch wenn er gerne noch lagern kann. Wunderbar!

14,95 Euro | www.ludwig-von-kapff.de

 

Mouton Cadet Cuvée Héritage

AOP Bordeaux 2018 HVE

14 Punkte | 2024 bis 2026

Rustikal charmant, hat er seinen Höhepunkt bereits überschritten und bleibt dennoch wunderbar zugänglich mit samtigen Tanninen und Aromen von schwarzen Beeren, Menthol, herbstlichem Waldboden und Sandelholz. Ein perfekter Bistro-Wein zum Steak, der ohne zu warten genossen werden sollte.

13,50 Euro | www.getraenkewelt-weiser.de