Mit Passion zurück aufs Podest
Florence und Daniel Cathiard
Text: Adrian van Velsen, Fotos: Luc Plissoneau, z.V.g.
Inmitten kieselhaltiger Parzellen liegt ein Anwesen, das nicht nur das Weinerbe seiner Region verkörpert, sondern auch eine visionäre Vorreiterrolle für eine nachhaltige Zukunft eingenommen hat. Château Smith Haut Lafitte ist die grosse Leidenschaft von Florence und Daniel Cathiard, die gemeinsam dieses historische Schloss in der Appellation Pessac-Léognan zu einem der Leuchttürme der Region gemacht haben.
Daniel Cathiard fährt mit seinem Rad vom Château Smith Haut Lafitte zu dem Haus, wo er mit seiner Frau Florence residiert und sie uns mit einem Glas Smith Haut Lafitte Blanc erwartet. «Wir wohnen in drei Räumen, mehr brauchen wir nicht zum Leben», erzählt Florence, während wir mit Fabien Teitgen (Direktor) und Yann Laudeho Leroy (Kellermeister) in der rustikalen Wohnküche sitzen und «en famille» zu Mittag essen. Die vier bilden das Kernteam von Château Smith Haut Lafitte, arbeiten seit Jahren eingespielt zusammen. Alles ist professionell organisiert, jedes Detail sitzt, doch die Atmosphäre ist nie steif, sondern stets freundschaftlich und entspannt. Man hat nicht den Eindruck, dass sich die Cathiards bei der Arbeit fühlen, vielmehr leben sie eine gemeinsame Passion.
«Smith Haut Lafitte ist die dritte und schönste Phase unseres Lebens.»
Das Ehepaar könnte nicht unterschiedlicher sein. Daniel, zurückhaltend und ruhig, überlässt das Reden gerne seiner Frau Florence, die so ziemlich die Antithese einer introvertierten Person ist und auf jede Frage mit Bestimmtheit und viel Charme Auskunft gibt. Auch in Sachen Wein geht der Geschmack der beiden Ehepartner auseinander. «Daniel mag lieber Weisswein», sagt Florence, «ich dagegen bevorzuge maskuline Rotweine.»
Doch wie kamen die beiden zum Wein? Die Initialzündung war ihre Hochzeit, zu der sie sich von den Gästen Bordeauxweine wünschten. Ein 1961er Château Léoville Las Cases beeindruckte das Paar nachhaltig, so dass der innere Drang nach einem eigenen Weingut Jahre später Realität werden sollte. Ein erstes Angebot eines klassifizierten Weinguts im Médoc schlugen sie aus, weil sie an diesem regnerischen Tag keine Lust hatten, mit dem Auto durchs graue Médoc zu brausen. Ein zweites Angebot in der Appellation Saint-Émilion kam für die beiden nicht in Frage, weil das Anwesen direkt an einer Hauptstrasse lag und somit wenig Aussicht auf Ruhe bot. Das dritte Anwesen war das Château Smith Haut Lafitte, welches damals Eschenauer gehörte und infrastrukturtechnisch gesehen veraltet und auf Massenproduktion statt Qualität ausgerichtet war. Dies war im Jahr 1990, und Florences und Daniels Reise mit Château Smith Haut Lafitte begann.
Kurz zuvor gab Florence ihren Job als leitende Angestellte bei der renommierten Werbeagentur McCann Erickson auf, Daniel verkaufte seine 1976 gegründete Handelskette Go Sport. Gemeinsam wollten sie ihren Traum vom Weinmachen verwirklichen, mit der Mission, Smith Haut Lafitte wieder aufs Weinpodest von Pessac-Léognan zu bringen. Kein simples Vorhaben wohlverstanden, doch die Ehepartner waren mental gut gerüstet.
«Smith Haut Lafitte ist die dritte und schönste Phase unseres Lebens», reflektiert Florence. «Nach unseren Tagen als Mitglied der französischen Nationalmannschaft im Skifahren und unserer unternehmerischen Tätigkeit konnten wir die ganzen Erfahrungen unseres Lebens und unseren Drang nach Perfektion in die Welt des Weinbaus einbringen.»
Pionierrolle in Sachen Bio
Unter Florence und Daniel durchlief Château Smith Haut Lafitte eine tiefgreifende Transformation. Im Einklang mit einer Philosophie, die Qualität vor Quantität stellt, wurden die Reben kurz nach der Übernahme des Anwesens ohne den Einsatz von Chemikalien und Pestiziden kultiviert. Das war keine einfache Zeit, denn die Jahrgänge 1991 bis 1994 waren wettertechnisch gesehen eine Herausforderung. Später stellte das Paar auf biologischen und seit einigen Jahren sogar auf biodynamischen Weinbau um, was die Reben zusätzlich forderte. «Ich wurde von meinen Bordelaiser Kollegen oft wegen meines Bio-Spleens belächelt», bemerkt Florence, «aber wir waren stets der Überzeugung, dass wir nur im Einklang mit der Natur reine Weine produzieren können, die Authentizität ausstrahlen.» Diese Hingabe an den Umweltschutz spiegelt sich nicht nur in den Weinbergen von Smith Haut Lafitte wider, sondern auch in der Fauna und Flora drumherum, wo Brachen, Hecken und rund 60 Hektar Wälder ein intaktes Ökosystem bilden.
«Für einen guten Wein braucht es vier Dinge», führt Florence aus, «gesunde Reben, ein Top-Terroir, das passende Klima sowie ein Team, das sein Handwerk versteht und bereit ist hundert Prozent Einsatz zu leisten.» Die guten Reben stammen teils aus einer eigenen Rebschule, wo mittels Selection massale die besten Klone vermehrt werden. «Terroir und Klima können wir nicht beeinflussen», sagt Florence, «und ja, der Klimawandel ist eine Realität.» Doch dieser sei aktuell «noch hilfreich», ergänzt Florence, denn mit steigenden Temperaturen und oft weniger regnerischen Herbsten reifen die Cabernets auf dem kieselsteinübersäten Terroir in den allermeisten Jahren zuverlässig aus und bilden heute den Löwenanteil im roten Grand Vin der Cathiards. Das Team schliesslich trägt unter der langjährigen Leitung von Fabien Teigten seinen Teil dazu bei und sorgt dafür, dass im Prozess der Weinproduktion jedes Detail stimmt. Auch verfügt Smith Haut Lafitte über eine eigene Küferei, die zwischen 85 Prozent und 100 Prozent des Barrique-Bedarfs des Gutes abdeckt. Die Küferei war die Initiative von Daniel, der sicherstellen wollte, dass ihre Weine, die für zwei Jahre in Barriquefässern ausgebaut werden, nicht aufgrund von qualitativ mittelmässigen Gebinden an Ausdruck verlieren. Dass sich das grosse Engagement für Qualität gelohnt hat, wurde spätestens mit dem Rotwein des Jahrgangs 2009 klar, der von US-Kritiker Robert Parker mit hundert Punkten bewertet wurde.
Auch marketingtechnisch nahmen die Cathiards in der Region Bordeaux eine Vorreiterrolle ein. Lange bevor die ganze Weinwelt über Önotourismus gesprochen hat, eröffneten sie 1999 inmitten ihrer Weinberge ein Luxusresort sowie ein Vinotherapie-Spa, das heute von Alice Tourbier-Cathiard, einer Tochter von Florence und Daniel, und ihrem Mann Jérôme geleitet wird. Vier Jahre zuvor gründete die andere Tochter von Florence und Daniel, Mathilde Thomas-Cathiard, zusammen mit ihrem Ehemann Bertrand die Marke Caudalie, ein international erfolgreiches Kosmetikunternehmen, das Kosmetika auf Basis von Nebenprodukten der Weinherstellung herstellt.
Auch jenseits von Bordeaux treibt Florences und Daniels unternehmerischer Geist neue Projekte voran. Seit fünf Jahren besitzt das Paar ein Weingut im Napa Valley, das mit dem Cathiard Vineyard einen hundertprozentigen Cabernet Sauvignon hervorbringt, der zum Besten gehört, was die Weinwelt in den USA zu bieten hat. Die Trauben für diesen eindrücklichen Wein stammen aus einer Hanglage in den Ausläufern der Mayacamas Mountains. Mit Hilfe von Fabien Teitgen, der seit bald 30 Jahren als Direktor von Smith Haut Lafitte fungiert und massgeblich zur qualitativen Entwicklung beigetragen hat, setzen sie auch im Napa Valley auf Bio und kompromisslose Qualität.
Auf die abschliessende Frage, welches Ziel Florence und Daniel noch haben, jetzt, wo sie im Olymp der Weinwelt angekommen sind, antwortete Florence nach kurzem Zögern: «Ganz ehrlich: Unser Weisswein verfügt über eine Eigenständigkeit, die ihn in Blindproben stets erkennbar macht. Nicht so der Rotwein. Wir möchten, dass der rote Smith Haut Lafitte weiter an Eigenständigkeit und Reinheit gewinnt.» Eine Aussage, die den Kreis zu den Wurzeln von Florence und Daniel, dem Skisport, schliesst. Einmal auf dem Podest zu stehen, mag mit etwas Glück gelingen, doch über längere Zeit auf dem Podest zu bleiben, bedingt harte Arbeit. Wie eingangs erwähnt, leben die Cathiards eine gemeinsame Passion.
Kraft und Präzision
Der rote Smith Haut Lafitte hat in den letzten Jahren an Präzision gewonnen. Viele der jüngsten Jahrgänge gehören zum Besten, was die Region Bordeaux zu bieten hat.
Château Smith Haut Lafitte 2020
20 Punkte | 2027 bis 2055
Hochkomplex, dunkelfruchtig, Cassis, Brombeeren, faszinierende Mineralik. Am Gaumen sensationell dicht, dennoch frisch, ein Monument mit Würze und knackiger Frucht, Tannin von höchster Güte. Ein von A–Z grandioser Wein, majestätisch, für eine kleine Ewigkeit gebaut.
Château Smith Haut Lafitte 2019
19.5 Punkte | 2028 bis 2050
Offen, expressiv, verführerisch, würzig, rote und dunkle Beeren, reif, dennoch kühler Ausdruck. Am Gaumen mit Biss, Energie und Charakter, feine Textur, baut Druck auf, sensationelle Balance, grossartige Länge. Ein Kandidat für die SHL-Ahnengalerie.
Château Smith Haut Lafitte 2018
19 Punkte | 2024 bis 2050
Anfangs scheu, entwickelt sich im Glas wunderbar, reiffruchtig, mit subtilen Röstnoten, floralen Tönen und Menthol. Dichter Gaumen, ein Mund voll Wein, feinste Tannine, sehr gut ausbalanciert mit der Frucht. Im Abgang von grosser Länge, zeigt erfreulich viel Frische. Grosses Kino.
Château Smith Haut Lafitte 2016
19.5 Punkte | 2028 bis 2050
Eine Droge in der Nase, super floral, frisch, mit Kräutern, reifer Brombeere, Cassis, Kirschen, hochkomplex. Am Gaumen klar und rein wie ein Bergbach, sehr präzise, knackige Frucht, perfektes Tannin, viel Frische. Der Abgang ist lang und feinwürzig, hallt rotfruchtig nach. Schlicht umwerfend.
Château Smith Haut Lafitte 2015
19 Punkte | 2024 bis 2050
Tiefgründig, dunkel, reife Cassisfrucht, Kirschen, Lakritz. Am Gaumen dicht, rund, noch mit viel Gerbstoff, fein verwoben mit der Frucht, viel Dynamik, viel Würze, grandiose Länge. Ein sensationeller Smith Haut Lafitte mit grossen Reserven
Château Smith Haut Lafitte 2009
19 Punkte | 2024 bis 2045
Feinduftig, tief, komplex, florale Noten, dunkle Früchte, Tee, ein Gedicht. Am Gaumen topstrukturiert, viel Druck, die Tannine sind von höchster Güte, knackige Frucht, Topsäure, alles ist an seinem Platz. Grossartige Länge. Ein grosser Smith Haut Lafitte.
Alle Weine ab Weingut erhältlich.