Premiers Crus und Kuhhörner
Bettina Bürklin-von Guradze, Pfalz
Text: Alice Gundlach / Fotos: Anne Grossmann / Sandra Fehr / Heroes of Riesling
Die Grande Dame des Pfälzer Weinbaus ist es gewohnt, sich in einer männerdominierten Branche durchzusetzen. Einfach, weil man keine Kompromisse macht, wenn man in der höchsten Liga spielt. Und Bettina Bürklin-von Guradze macht hier nicht einfach nur mit. Sie macht vielmehr vor, wie man einige der besten Rieslinge der Welt macht – und zwar biodynamisch.
Salbei-Grün ist die Lieblingsfarbe von Bettina Bürklin-von Guradze. Der Farbton ist in ihrem Weingut allgegenwärtig: an Tür- und Fensterrahmen, auf den Etiketten der Sektflaschen und der Basis-Cuvées und natürlich im weitläufigen Garten hinter der Vinothek. Oft trägt sie auch ein Kleidungsstück in der Farbe – so wie an diesem Tag eine ärmellose Daunenjacke. Den gedeckten Grünton kann man auch als Symbol verstehen für die Weinbau-Philosophie, die Bürklin-von Guradze im Familienweingut eingeführt hat: Sie ist Verfechterin der Biodynamie. Denn der achtsame Umgang mit der Natur ist, nach ihrem Verständnis, schlicht eine Voraussetzung für das, was sie tut: «Das, was man heute unter Spitzenwein versteht, kann man nicht ohne ökologischen Ansatz produzieren. Alle, die an die Spitze wollen, haben das verinnerlicht», erklärt sie.
Frankreich als Vorbild
Aber nicht nur der Einklang mit der Natur gehört zu ihrer Idee von Weinbau. Von Anfang an war sie inspiriert vom Qualitätsanspruch der französischen Topregionen und -erzeuger. Das erkennt man daran, dass es bei Dr. Bürklin-Wolf, obgleich Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), keine Grossen Gewächse und Ersten Gewächse gibt. Die besten Lagenweine heissen hier G.C. und P.C., angelehnt an die Klassifikationen Grand Cru und Premier Cru im Burgund. Und auch die Ortsweine heissen bei Dr. Bürklin-Wolf nicht so, sondern zum Beispiel Riesling Wachenheim Village. Die Bezeichnung Village ist – im Gegensatz zu Grand Cru und Premier Cru ausgeschrieben – in Deutschland erlaubt.
So hatte sie ihre Weine schon klassifiziert, bevor der VDP vor 22 Jahren den Namen Grosses Gewächs für die Toplagenweine seiner Mitglieder einführte. Und so setzte sie einfach durch, bei ihren eigenen Bezeichnungen zu bleiben. Eine Ausrichtung zum Französischen begann bei Bettina Bürklin-von Guradze schon früh – immerhin liegt die Grenze zu Frankreich gerade einmal 60 Kilometer von ihrem Heimatort Wachenheim entfernt. Nach der Schule studierte sie Französisch – allerdings nicht in Frankreich, sondern im schweizerischen Lausanne. Ob sie sich diesen Studienort ausgesucht habe, weil es heisse, dass man in der Westschweiz das beste, sauberste Französisch spreche? «Also, ich weiss nicht, ob die Schweizer wirklich das beste Französisch sprechen – aber jedenfalls das langsamste. Und damit kommt man dann auch in Frankreich gut zurecht», schmunzelt sie.
Zurück in Deutschland absolvierte sie eine Banklehre in Frankfurt und dann ein Weinbau-Studium in Geisenheim. Mit ihrem damaligen Ehemann Christian von Guradze, Manager bei dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm, lebte sie zunächst in München. Schliesslich kam sie als 30-Jährige 1990 zurück in die Pfalz und übernahm das Weingut.
Damals hatte sie einen wichtigen Ratgeber und Mutmacher, den Spitzenwinzer Marc Kreydenweiss. Kreydenweiss gilt als einer der Pioniere eines neuen Zeitalters im Elsass. Er setzte in Zeiten, als Elsässer Weine vor allem von Restsüsse geprägt waren, immer auf trockene Weine mit Mineralik und damit auf den Ausdruck der Böden. In puncto nachhaltigen Wirtschaftens im Weinberg war er ebenfalls einer der Vorreiter in Frankreich: Bereits 1989 begann er damit, biodynamisch zu arbeiten
Es war Vater Dr. Albert Bürklin, der den ehemaligen Gemischtbetrieb in den 1950er Jahren in ein reines Weingut umwandelte. Nachdem dieser 1979 verstarb, führte Mutter Jutta Bürklin das Weingut alleine weiter. Als schliesslich die Tochter die Arbeit übernahm, griff nun der Kreydenweiss’sche Einfluss – Bürklin-von Guradze stellte alles schrittweise auf Biodynamie um. 2005 war der Prozess abgeschlossen.
«Als ich das Weingut 1990 übernahm, war das Image des deutschen Weines schlicht nicht vorhanden.»
Sie erinnert sich an die damalige Zeit. Das Image von deutschem Wein sei nicht einfach schlecht gewesen, «...es war schlicht nicht vorhanden. Man trank in Deutschland Pinot Grigio aus Italien und Weine aus der Neuen Welt.» Damals bewirtschaftete das elterliche Weingut 120 Hektar Rebfläche – für ein Einzelweingut in Deutschland gigantisch viel – und produzierte durchschnittlich 1,2 Millionen Liter jährlich. Das war nicht die Art von Weinbau, die die älteste Tochter von Albert und Jutta Bürklin machen wollte. Sie strebte nach Klasse statt Masse. Die Folge: Weniger attraktive Rebflächen stiess Bürklin-von Guradze ab und reduzierte den Ertrag sukzessive. Übrig blieben die besten Lagen in Wachenheim, Ruppertsberg, Forst und Deidesheim. Heute bewirtschaftet sie noch 85 Hektar – was zwar immer noch vergleichsweise viel ist –, aber produziert darauf nur noch etwa 400 000 Liter jährlich. Und sie hat das Angebot zugespitzt: Fast ausschliesslich Riesling baut sie an. Nur auf ein paar wenigen Hektar steht noch etwas Weissburgunder.
Zu ihrem Weinstil, berichtet sie, habe auch ihr damaliger Ehemann viel beigetragen – wenngleich er zwar weinaffin, aber völlig branchenfremd war. «Er stellte einfach vieles in Frage. Zum Beispiel, wie hoch der Restzuckergehalt in einem Wein sein sollte. Oder warum man nicht mehr Terroir in den Wein bringe.» Er sei es auch gewesen, der sie ermutigt habe, die Qualitätsstufen von ihrem Wein an die des Burgund anzulehnen. Daraufhin habe sie einen Geologen beauftragt, ihre Weinbergsböden zu untersuchen und diese mit denen aus dem Burgund zu vergleichen. Den ersten Spitzenriesling mit der eigenen Einstufung G.C. brachte sie 1994 heraus, aus der Lage Ruppertsberger Reiterpfad. Seit diesem Jahr sammelt sie auch Flaschen der besten Weine in einer Schatzkammer – auch um zu zeigen, wie überdurchschnittlich reifefähig sie sind. Wenn man aber den biodynamischen Ansatz konsequent verfolgt und dabei auch noch Geld verdienen möchte, muss man hochwertige Weine erzeugen, die ihren Preis haben. «Man braucht dafür einfach viele Hände, das meiste kann man einfach nicht maschinell machen», erklärt Bettina Bürklin-von Guradze.
Mitarbeiter aus aller Welt
Was das bedeutet: Zwei Kellermeister sind für den Ausbau ihrer Weine zuständig, der Italiener Nicola Libelli und der Pfälzer Alexander Swillus. Sie beschäftigt immer vier bis sechs Azubis, auch von ihnen kommen viele aus dem Ausland, von Österreich bis Neuseeland und USA. «Einem Unternehmen tut eine internationale Ausrichtung immer gut, vor allem, wenn man auch im Export stark aufgestellt ist», meint sie. Dabei sei ihr Auslandsgeschäft nicht nur auf die typischen deutschen Exportländer wie Niederlande, Skandinavien und USA ausgerichtet, sondern auch in Italien und Spanien wachse ihr Geschäft.
In der Vinothek hat sie Schaukästen aufgestellt, in denen sie Kunden über die biodynamische Arbeitsweise informiert – ohne chemische Pflanzenschutzmittel oder Dünger, dafür mit Kuhhorn, Mist und pflanzlichen Tees. Darüber wacht ein Porträt ihres Urgrossonkels, der wie ihr Vater ebenfalls Dr. Albert Bürklin hiess. Er war 1884 bis 1895 Vizepräsident des deutschen Reichstages und ab 1889 Generalintendant des badischen Hoftheaters in Karlsruhe. Nachdem er 1875 Luise Wolf geheiratet hatte, siedelte er nach Wachenheim über und legte den Grundstein für das Weingut. Daneben bewirtschaftete er noch einen Forst und leitete ein Bankhaus. Über die Zukunft des Familienbetriebs hält sich Bettina Bürklin-von Guradze bedeckt. Eines ihrer Kinder könnte ihre Nachfolge antreten, mehr will sie aber nicht verraten. Bis es so weit ist, kann es noch dauern: Ihr Lebenswerk ist noch nicht abgeschlossen.
Das ganze Terroir der Pfalz
Die Weine von Dr. Bürklin-Wolf fangen so unverkennbar ihr Terroir ein, dass man merkt: Hier werden im Weinberg keine Kompromisse gemacht.
Riesling Reiterpfad G.C. 2022
18.5 Punkte | 2026 bis 2046
Klare Aromen von Zitrusfrucht und etwas Pfirsich, dazu kommt eine kalkige Mineralik. Obwohl er einen aufregenden Zug am Gaumen hat, wirkt er dennoch filigran. Der lange Ausbau im Holzfass verleiht ihm Würze, Tiefe und Länge. So vielseitig wie der Boden, auf dem er wächst: sandiger Lehm mit Buntsandstein- und Kalkgeröll.
Riesling Wachenheimer Rechbächel P.C. 2022
17.5 Punkte | 2025 bis 2040
Aprikose, Limette, Quitte und auch etwas Tabakblätter kann man im Duft erahnen. Die Mineralik wirkt rauchig und kreidig. Druckvoll wirkt er am Gaumen mit einer geschliffenen Textur und Anklängen an grüne Gartenkräuter. Im langen Abgang etwas Pink Grapefruit. Aus einer Monopollage des Weingutes
Wachenheim Riesling R Village 2019
17.5 Punkte | 2024 bis 2034
Frischer und eleganter ReserveWein mit kräftiger Mineralik und saftiger Frucht. Präsent, kristallklar und sehr lagentypisch. Von der langen Reife wirkt die Säure fein abgepuffert und die Textur regelrecht cremig. Eine Cuvée aus Top-Riesling-Lagen in Wachenheim, zwei Jahre im Edelstahl gereift.
Deidesheim Riesling Village 2023
17 Punkte | 2024 bis 2034
Saftige und wunderbar klare Frucht von Braeburn-Äpfeln und weissen Pfirsichen, gepaart mit einer kreidigen Mineralität und einer feinen Würze. Für einen Ortswein aussergewöhnlich präzise und langanhaltend. Aus den Vorlesen der Spitzen-Weinberge in Deidesheim und aus den jungen Parzellen dieser Lagen.
Weissburgunder 2023
16.5 Punkte | 2024 bis 2028
Einladender Duft von reifen Mirabellen und Aprikosen, dazu zarte Anklänge an Mandarinenschale, Wiesenblumen und Hefe. Am Gaumen kommt zu der satten gelben Frucht, wie in fast jedem Wein des Hauses, eine deutliche, salzige Mineralik heraus. Ausgebaut im Stahltank und im grossen Holzfass. Erstaunlich tief für einen Gutswein.
Alle Weine ab Weingut erhältlich.