Terroir Brut Nature

Ton Mata, Penedès

Text: André Dominé; Fotos: z.V.g.

Grosse Schaumweine sind immer lang gereifte Weine. Sich ihrer Erzeugung zu verschreiben, benötigt nicht nur Geduld, solides Management und viel Kellerraum. An erster Stelle steht Vision, gepaart mit Leidenschaft für Terroir, Respekt für die Natur, unbeugsamem Willen zu Qualität und Sinn für lebendige Tradition. Das verkörpern Ton Mata und Recaredo in Katalonien.

Wir stehen im Hof von Recaredo mitten in der Cava-Stadt Sant Sadurní d’Anoia. Sofort beginnt Ton Mata von seinem Grossvater Josep Mata Capellades zu erzählen. Damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, hatte die Familie hier eine Backsteinfabrik, doch die lief nicht sehr gut. Deshalb musste Josep andere Arbeit suchen. «Das war die Zeit, als der Cava noch an seinem Anfang war», erzählt Ton. Sofort fand Josep eine Stelle in einer Kellerei, doch er spielte auch Fussball im Zweitligaclub der Region. Sein Trainer stellte ihn vor die Alternative: entweder Fussball oder Arbeit. Josep wählte Fussball. Stundenweise verdiente er sein Zubrot als Degorgierer. Er degorgierte per Hand, ohne den Flaschenhals einzufrieren. «Er war gut in diesem Job und arbeitete für verschiedene Cava-Firmen», berichtet Ton. «Er wurde nicht in Pesetas bezahlt, sondern mit Zucker. Es war damals nicht möglich, in einen Laden zu gehen und 50 Kilogramm Zucker zu kaufen. Er benötigte aber den Zucker für die eigene Cava-Produktion.» Denn schon 1924 hatte der Grossvater nebenbei begonnen, selbst Cava zu erzeugen. Unter dem Wohnhaus hatte er mit der Spitzhacke dafür Keller ausgehoben. Noch heute stapeln sich dort Flaschen und reife Schaumweine auf den Feinhefen.

Ein Hügel wird Legende

Recaredo ist Gründungsmitglied von Corpinnat – übersetzt «Geboren im Herzen des Penedès» –, einer Marke von elf biozertifizierten Spitzenbetrieben, die mit weitaus strikteren Qualitätsregeln 2018 aus der DO Cava ausgeschert sind. Deren Weingärten befinden sich nur im Kerngebiet des Alt-Penedès mit der majestätischen Kulisse des Montserrat am Horizont. Recaredos Hauptparzellen erstrecken sich nordwestlich von Sant Sadurní zwischen 230 und 290 Metern Höhe auf dem Plateau von Serral del Vell. Ton zeigt mir eine langgestreckte, zwischen den Rebzeilen begrünte Terrasse. Sie wurde 1996 mit Xarel·lo bepflanzt, Tons Abschlussprojekt in Weinbau und Önologie an der Uni von Tarragona. Seither hat er diese weisse Rebe zur Hauptsorte von Recaredo gemacht. «Xarel·lo ist eine grosse Rebsorte mit hoher Säure, niedrigem pH-Wert und einer Menge Resveratrol auf den Schalen. Diese drei Faktoren plus seine Struktur ermöglichen es, daraus langalternde Schaumweine zu machen. Und das hier im warmen mediterranen Klima.»

Nahebei erhebt sich ein bewaldeter Hügel – turó auf Katalan-, auf dessen Nordostseite Ton einen alten, 1940 mit Xarel·lo bepflanzten Weingarten entdeckte. Er gehörte der Familie Mota, die ihn 1899 für hundert Jahre an einen Pächter vergeben hatte. Als dessen Nachkomme ihn aus gesundheitlichen Gründen 1998 aufgeben musste, gelang es Tons Familie, die Eigentümer zum Verkauf des Turó d’en Mota zu bewegen. «Die drei Monate, die es dauerte, bis wir den Kaufvertrag unterschrieben hatten, konnte ich keine Nacht schlafen», gesteht er. Er ahnte das einmalige Potenzial mit extrem kalkreichem Boden, der kühlen Ausrichtung, den uralten in Gobelet-Erziehung gewachsenen Reben. «Wir wollten daraus einen Einzellagen-Xarel·lo machen, den ersten hundertprozentigen Xarel·lo und den ersten Einzellagen-Schaumwein der Geschichte!» Der 1999er zeigte schon nach zwei Jahren viel Stil, aber erst im Oktober 2008, nachdem sie bereits zehn Lesen eingebracht hatten, stellten sie ihn vor. Eine Sensation. «Ich war 29, als ich ihn vinifizierte, und 38, als wir ihn zum ersten Mal präsentierten! Jetzt bin ich schon 52. Aktuell haben wir 14 Jahrgänge, die noch reifen. In jedem der 24 Jahre war ich dabei, und jetzt kommt das 25.»

Schon der Grossvater wollte authentischen Schaumwein. Deshalb erwarb er Weingärten, obwohl es leichter gewesen wäre, Grundweine zu kaufen. Die Söhne Josep und Antoni Mata investierten ihrerseits in den 1980er Jahren in Weinberge. Sie erwarben Serral del Vell mit wenig produktiven Böden, aber lehmiger Textur und hohem Anteil an Kalk und Kalkgestein. Ideal für Grundweine voll Spannung, Charakter und Vertikalität. «Wir sind davon besessen, Terroir-Schaumweine zu machen», gesteht Ton. Das brachte ihn zur Biodynamie. Im Frühjahr ist mit den feuchten Schwaden vom Mittelmeer Peronospora ein grosses Problem im Penedès. Ihm widerstrebte es, dagegen Unmengen von Kupfer einzusetzen. Deshalb begann er 2000, mit Biodynamie zu experimentieren.

Als 2008 plötzlicher Regen im Mai und Juni den Falschen Mehltau in den Reben explodieren liess, widerstanden nur die fünf Hektar biodynamisch kultivierter Parzellen. Die Familie zog die Konsequenz und stellte ihredamaligen 50 Hektar Weinberge komplett um. 2010 erhielten sie als Erste im Penedès die Demeter-Zertifikation. «Wenn man Terroir-Wein machenwill, ist das Erste, was man braucht: Landschaft. Nicht nur die, die man sieht, sondern auch die, die sich darunter befindet: der Boden.» Im selben Jahr zogen sie zwei weitere Konsequenzen: ausschliesslich mit Trauben der eigenen – heute 85 Hektar – Weinberge zu arbeiten und nur Jahrgangsschaumweine mit einer Mindestreife von 30 Monaten auf den Feinhefen anzubieten.

Seit Ton tonangebend in Weinbergen und Keller agiert, wurden wichtige Schrauben angezogen,die Recaredos Schaumweinen eine einzigartige Präzision und Klasse verleihen. Doch schon dem Grossvater ging es um unverwechselbaren Stil, der auf hohe Handwerkskunst und lange Flaschenreife baute. Als die Cava-Produktion mit Einführung von Kronkorken für die zweite Gärung 1955 industrialisiert wurde, blieb er Naturkorken treu sowie dem Rütteln per Hand und seinem ersten Metier: dem manuellen Degorgieren bei Kellertemperatur. So wird auch heute noch bei Recaredo gearbeitet. Mit seinen Söhnen Josep und Antoni Mata erzeugte er 1962 die erste Reserva Particular aus Macabeu und Xarel·lo, dazu bestimmt, durch mindestens acht Jahre Flaschenreife den edelsten Ausdruck des so kalkreichen wie mediterranen Alt-Penedès zu vermitteln.

Hundert Prozent Natur

«Wir wollen zeigen, was jedes Jahr in jedem Weingarten passiert. Brut Nature zeigt das am besten», betont Ton.


«Wir wollen nicht Champagner sein, wir wollen unseren eigenen Weg verwirklichen.»


Die Balance entsteht aus dem Zusammenspiel von sanfter Säure und feinen Bittertönen. «Wenn man beide Elemente zusammenfügt, dann sind 1 + 1 = 3, ein wichtiger Aspekt unseres Schaumweinstils!» Im Norden Europas muss dagegen die hohe Säure meist mit Dosage ausgeglichen werden. «Wir wollen nicht Champagner sein!», unterstreicht Ton. «Wir wollen unseren eigenen Weg gehen.» Deshalb gab Recaredo 2014 die Verwendung von Chardonnay und Pinot Noir auf. 2017 beschloss man auf eigenen Traubensaft für die Topweine und auf konzentrierten Bio-Most bei den anderen Qualitäten für die Schaumbildung umzustellen. Seither bestehen Recaredos Schaumweine nur aus purer Natur.

«Bei Recaredo habe ich 27 Jahre lang hundert Prozent meiner Zeit und oft mehr eingebracht», schmunzelt Ton. «Jetzt bin ich dort nur noch drei Tage in der Woche. Aber Recaredo, das ist die Stärke des Teams. Wir haben gute Leute.» Mit seiner Frau hat er zwei eigene Projekte gestartet. Sie bearbeiten einen kleinen wunderschönen Weingarten in Empordà, wo sie nur einen einzigen Stillwein erzeugen, und machen in einem Dorf bei Sant Sadurní Schaumwein von eigenen Weinbergen. «Das ist etwas sehr Freies, Radikales, aber es bringt uns viel Freude.» Oft begleitet er seine Kinder, die Fussball lieben und spielen, sowohl die Tochter wie den Sohn, der Zweitliga-Niveau erreicht. Schon schlägt das sportliche Erbe des Urgrossvaters durch. Da werden die Blasen nicht lange auf sich warten lassen.

Die magische Frische des Alters

Recaredos baut seine Weine immer 30 Monate aus, oft länger. Sie entwickeln Komplexität, winzige Blasen sowie feinste Mousse und bewahren Frische.

Recaredo Terrers Brut Nature 2019

16.5 Punkte | 2023 bis 2029

Attraktive Cuvée aus 57% Xarel·lo, 25% Macabeu, 17% Parellada, 1% Monastrell, 33 Monate gereift. Das heisse 2019 sorgte für intensiveAromen saftiger weisser Früchte mit Brioche Note, sanfter Frische und leicht salzigem Finale.

Recaredo Subtil Brut Nature 2018

17.5 Punkte | 2023 bis 2033

Reiner Xarel·lo-Schaumwein des Weinguts Vinyes del Roure, 36 Monate gereift. Intensiv, doch viel Finesse mit fruchtiger Würze, Kreuzkümmel und Brioche. Cremige Textur, sehr feine Mousse, komplex, elegant und pur mit stimulierender Mineralität.

Recaredo Serral del Vell Brut Nature 2017

18 Punkte | 2023 bis 2032

87% Xarel·lo und 13% Macabeu vom biodynamisch bewirtschafteten Weingut mit sehr kalkreichen Böden,57 Monate gereift. Hier entfaltet sich die ganze Magie des langen Hefelagers mit grandioser Komplexität von Gewürzen, Nüssen, Trockenblumen, süssen Früchten sowie Mineralität im Finale.

Reserva Particular de Recaredo Brut Nature 2013

18 Punkte | 2023 bis 2033

Cuvée aus alten zwischen 1950 und 1955 gepflanzten Parzellen von 56% Macabeu und 44% Xarel·lo, 101 Monate gereift. Ganz eigenes Profil mit Kamille, Orangenrinde, Quitte und Wachs. Komplexer Charakter mit hinreissender Frische.

Reserva Particular de Recaredo Brut Nature Gran Reserva 2004

18.5 Punkte | 2023 bis 2030

67% Macabeu und 33% Xarel·lo von gleichalten Rebstöcken, 174 Monate gereift. Aus einem Regenjahr, filigrane Komplexität mit Gewürzen, getrockneten Früchten, Piniennadeln, Noten von feuchtem Keller, enorme Länge, lebendig und faszinierend.

Turó d’en Mota de Recaredo Brut Nature 2008

19 Punkte | 2023 bis 2038

Sortenreiner Einzellagen-Xarel·lo, 1940 auf ein Spitzenterroir gepflanzt, 168 Monate gereift. Grosse Dynamik, mediterrane Wildkräuter und -blumen, Zitronenzeste, subtile Hefe- und Altersnoten, elegante Röstaromen, kalkige Mineralität, vibrierende Energie, einmaliger Ausdruck und Finesse.

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