Superwoman: Sie ist Ärztin, schreibt Weinbücher, wohnt in San Francisco und macht argentinische Grand Crus

Winzerlegende Laura Catena aus Mendoza

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: z.V.g.

  • Ein Aussichtsturm über dem legendären Adrianna Vineyard, den Nicolas Catena im Jahr 2006 bauen liess.

Sie ist Ärztin, schreibt Weinbücher und wohnt in San Francisco. Gleichzeitig führt sie in Mendoza das Catena-Imperium mit insgesamt 600 Angestellten. Die 54-jährige Laura Catena schöpft kreative Kraft aus ihrem Pendler-Leben zwischen den Kontinenten. Was sie und ihr Team aus den High-Altitude-Einzellagen wie dem Adrianna Vineyard in die Flasche bringen, sind wahrhafte argentinische Grand Crus.

«Ich fühle mich in der Vergangenheit zu Hause, versuche mich in meinen Urgrossvater hineinzuversetzen, wie er 1898 als 18-Jähriger allein sein Heimatdorf in den Marken verliess, ein Segelschiff bestieg und nach Argentinien reiste. Oder ich denke an meinen Vater, wie er in den 80er Jahren unser heutiges Weingut formte. Das gibt mir immer wieder Kraft und Vertrauen. Und ich hoffe, dass ich das auch an meine Kinder weitergeben kann, denn wer diesen Spirit in sich trägt, braucht die Zukunft nicht zu fürchten», sagt Laura Catena. Ihr Lebensmittelpunkt freilich ist San Francisco, genauer gesagt das lebendige Viertel Ashbury Cole Valley beim Golden Gate Park, früher eine Hochburg der Hippie-Bewegung. Seit 25 Jahren arbeitet sie in San Francisco als Ärztin, zuerst als Notfallärztin, dann als Kinderärztin. Gegenwärtig engagiert sie sich in einer lokalen Klinik, die auch Obdachlose betreut. Und von hier aus dirigiert sie auch das Catena-Weinimperium in Mendoza mit über 550 Hektar Reben, zwei Kellereien und 600 Angestellten.

Schon lange bevor Covid-19 unser Leben veränderte, bewies sie, dass man mit Video-Meetings sehr effizient kommunizieren, führen und entscheiden kann, wenn einem ein eingespieltes Team zur Seite steht. In normalen Zeiten verbringt sie sechs Monate in San Francisco, drei Monate in Argentinien und drei Monate ist sie als Botschafterin der Catena-Weine weltweit unterwegs. Sie zu fragen, ob sie denn nun eigentlich hauptsächlich Ärztin oder Weinunternehmerin ist, wäre unangebracht, denn wenn man mit der 54-jährigen Universal-Akteurin spricht, wird schnell klar: Wann immer sie etwas anpackt, dann tut sie dies ganz sicher nicht nebensächlich.

«In manchen Momenten denke ich, dass mein Vater und ich ein und dieselbe Person sind.»

Kürzlich hat sie als Wissenschaftlerin weltweit für Aufsehen gesorgt, mit einer in der Zeitschrift «Nature» publizierten Studie des von ihr gegründeten Catena Institute of Wine. Fachleute aus verschiedenen Ländern hatten über Jahre hinweg Malbec-Weine von 23 verschiedenen Parzellen in Mendoza analysiert. Dabei konnten sie aufgrund der phenolischen Komponenten im fertigen Wein mit 86-prozentiger Sicherheit feststellen, aus welcher Parzelle ein bestimmter Wein stammte, selbst wenn diese weniger als einen Hektar gross war. Die Studie bestätigt damit erstmals wissenschaftlich, dass die burgundischen Zisterziensermönche richtig lagen, als sie vor tausend Jahren damit begannen, Lagen-Abgrenzungen vorzunehmen und Crus zu definieren.

Weitaus populärer angelegt war dagegen ihr vor drei Jahren publizierter Bildband «Gold in the Vineyards». Mit seinen comicartigen Illustrationen, an ein Märchenbuch erinnernd, erzählt sie darin die Geschichte von zwölf weltweit führenden Winzerfamilien, inklusive der Catenas natürlich. «Ich wollte die besondere Magie, die in der Geschichte dieser Winzerfamilien steckt, so erzählen, dass sie jeden berühren und inspirieren kann, nicht nur die Weinfreaks, die eh schon alles wissen», sagt sie. Demnächst wird ein weiteres Buch erscheinen, ebenfalls reichhaltig illustriert. Eine assoziative Hommage an die Sorte, die ihr Winzerleben bestimmt, mit dem Titel «Malbec mon amour». Sie verspricht: Es wird alles andere als ein herkömmliches Sortenporträt.

Visionen aus Trauben und Stein

Trotz dieses sprudelnden Aktivismus stehen die Catena-Weine immer im Zentrum ihres Schaffens. Vor allem die Topweine, die in der Bodega Catena Zapata gekeltert werden, verdienen das Prädikat «State of the Art». Dies gilt ganz besonders für die Gewächse aus dem erklärten Grand Cru des Hauses, dem ab 1992 angelegten Adrianna Vineyard. Das Juwel befindet sich 1460 Meter über Meer in Gualtallary im Uco Valley und umfasst 26 Hektar. Die ungepfropften Stöcke wurzeln in einem puren kiesigen Kalkboden und sind permanent der kühlen High-Altitude-Brise der Anden ausgesetzt. Die Malbec Crus, die hier reifen, besonders Parzellen-Selektionen wie beispielsweise der «Fortuna Terrae», verfügen über eine Eleganz, Struktur und mineralische Klarheit, die ganz und gar einzigartig sind. Damit heben sie sich um Dimensionen von jenen wuchtig marmeladigen argentinischen Malbecs ab, welche die Exportmärkte überschwemmen. Mindestens ebenso verblüffend zeigen sich die Chardonnays, wie etwa der «White Stones» mit seiner burgundisch anmutenden Finesse. Wohin in ihren Rebbergen die Reise gehen soll, ist für Laura Catena klar: «Organischer Anbau in grösstmöglicher Biodiversität ist das Gebot der Stunde», sagt sie. Auch zum Thema Naturwein hat sie eine Meinung: «Für mich hängt es auch von der Sorte ab. Der Chardonnay beispielsweise braucht ein bisschen Schwefel, denn er schöpft seine Spannkraft aus der Reduktion. Aber bei uns wächst noch immer die rustikale Sorte Criolla. Aus der möchte ich gerne einen maischevergorenen, ungeschwefelten, herbtrinkigen Rosé in Tonamphoren vinifizieren.»

«Wer guten Wein macht, muss dazu auch gute Geschichten erzählen», sagt Laura Catena. Das wusste schon ihr Vater Nicolas Catena Zapata, der wie sie auch vielseitig talentiert ist, als Ökonom, Unternehmer, Winzer, Ästhet und Visionär. Der 82-Jährige ist noch immer ihr engster Berater: «Manchmal denke ich, dass wir ein und dieselbe Person sind», sagt sie. Nicolas Catena nutzte insbesondere die Sprache der Architektur, um seinen Wein in einen erweiterten kulturellen Kontext zu setzen. So präsentiert sich die Bodega Catena Zapata als moderne Interpretation einer Maya-Pyramide. Nun realisierten die Mayas solche Bauten vor rund tausend Jahren in Mexiko, rund 6000 Kilometer von Mendoza entfernt. Und doch funktioniert das Bauwerk als Metapher für eine imaginäre südamerikanische Reise durch Raum und Zeit. Voller Magie ist auch «El Mirador», der Wachturm beim Adrianna Vineyard. Nicolas Catena liess sich von sizilianischen Steinhaus-Strukturen inspirieren, als er das Fort im Jahr 2006 bauen liess. Natürlich ist das Gebäude nicht nur ein Aussichtsturm, sondern hat noch eine viel wichtigere Funktion: Drinnen thront ein grosser Asado-Grill. Es gibt eine nächtliche Langzeitbelichtung, die den Mirador vor den Rebbergen zeigt, im Hintergrund die schneebedeckten Andengipfel und über allem ein funkelndes Sternenmeer. Auf dem Foto sieht das Gebäude aus wie ein mächtiges Schiff, eine Arche Noah, die an den Anden-Ausläufern gestrandet ist. Dieses Bild vermischt Fiktion und Realität in ähnlicher Weise, wie es beispielsweise der Schriftsteller Gabriel Garcia Márquez in seinem Schlüsselroman «100 Jahre Einsamkeit » zelebriert. Auch Laura Catena beherrscht das Spiel mit Metaphern. Mit ihrer Schwester Adrianna, die als Historikerin und Winzerin ebenfalls zwei Metiers ausübt, hat sie das Label für den Ikonen-Malbec «Argentino» konzipiert. Inspiriert von den allegorischen Darstellungen der Kontinente im 17. Jahrhundert sehen wir auf diesem Label vier Frauen, die allerdings hier keine Kontinente oder Ozeane darstellen, sondern die Geschichte der Sorte Malbec. Königin Eleonore von Aquitanien symbolisiert die erste Blütezeit der Sorte im Mittelalter in Frankreich. Die Emigrantin steht für die Siedler in der Neuen Welt, die den Malbec mitbrachten und anpflanzten. Die Phylloxera in Form eines Skeletts kündet vom Tod des Malbecs in der alten Heimat. Und zu guter Letzt sehen wir Adrianna Catena. Sie verkündet die Wiedergeburt des Malbecs als Topwein in den High-Altitude-Rebgärten der Familie Catena. Wer das symbolbefrachtete Sittengemälde betrachtet, kommt zum Schluss, dass tausend Jahre Malbec genug Stoff für ein spannendes Buch bieten würde. Nur: Laura Catena war schneller. Sie hat dieses Buch soeben geschrieben…

Finesse aus hohen Lagen

Die prestigeträchtigen Topweine von Bodega Catena Zapata werden in hochgelegenen Einzellagen von bis zu 1500 Metern über Meer im Uco Valley auf steinigen Kalkböden angebaut.


Bodegas y Viñedos Catena Chardonnay Catena Alta Historic Rows 2019

17 Punkte | 2021 bis 2025

Reichhaltige, aber frische Aromen von Zitronenzesten, Orangen- und Rosenblüten. Auch Rauch und Karamell. Am Gaumen reichhaltig, viskös und gut strukturiert. Viel Zitrusfrucht. Elegante Würze und eine saftige, tragende Säure.

Bodegas Catena Zapata Chardonnay White Stones Adrianna Vineyard 2017

18.5 Punkte | 2021 bis 2028

Burgund-Feeling aus den Anden! In der Nase zurückhaltend, aber vielversprechend. Florale Noten, zarte Agrumen und viel Mineralik, an Graphit und Kreide erinnernd. Im Glaumen glasklar. Belebende Säure und ein Kick von frischer Würze.

Bodegas y Viñedos Catena D.V. Catena Tinto Historico 2018

17 Punkte | 2021 bis 2024

Hommage an einen Bistro-Wein, den Domingo Vicente Catena vor fast hundert Jahren kreiert hat. Blend aus Malbec, Bonarda und Petit Verdot. Verführerisch dunkelbeerig, mit etwas Weihrauch und Lakritze. Am Gaumen weich, fruchtig, unkompliziert und trinkig!

Bodegas y Viñedos Catena Cabernet Sauvignon Catena Alta Historic Rows 2018

17.5 Punkte | 2021 bis 2028

Gelungener Cabernet, der mit viel Finesse den Sprung zwischen Fruchtfülle und herbaler Frische schafft. Aromen von Wald- und Johannisbeeren, dazu Pfeffer und Minze. Fest gebaut, mit feinkörnigem Gerbstoff und saftiger Säure.

Bodega Catena Zapata Malbec Fortuna Terrae Adrianna Vineyard 2017

18.5 Punkte | 2021 bis 2030

Kühl anmutende Finesse in der Nase. Rotbeerige Frucht, aber auch frische Wiesenkräuter, Lakritze und etwas Rauch. Kernige Würznoten. Sehr gut strukturiert und harmonisch. Mit edler Tanninstruktur und frischer Säure im Abgang.

Bodega Catena Zapata Malbec Argentino 2018

18 Punkte | 2021 bis 2030

Selektion aus hochgelegenen Einzellagen, bestockt mit bis zu 90-jährigen Reben. Rotfruchtig, aber auch schwarze Kirschen und Zwetschgen. Edle Würznoten, Nelken, Minze und Teer. Am Gaumen vielschichtig, kraftvoll, dabei belebend und temperamentvoll.

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