Winzerlegende Fred Loimer, Österreich
Brother Nature
Text: Sigi Hiss, Fotos: Felix Bergmann
Fred Loimer hat wie nur wenige das schwer steuerbare Schiff des biodynamischen Weinmachens beherrschen gelernt. Bei 30 Hektar Rebfläche hat er sich dafür entschieden, bei 70 Hektar steht er heute. Mit einer Umsicht und inneren Ruhe, die fast schon sanftmütig wirkt. Es scheint, er steht über den Dingen und Fred Loimer hat mit der Natur ein Bündnis geschlossen. Die Zwei verstehen sich. Ihr nächstes gemeinsames Vorhaben liegt schon auf dem Tisch, der Ortswein. Tradition neu belebt.
Österreich ist bekanntlich alles andere als arm an aussergewöhnlichen Weinmachern. Fred Loimer ist fraglos einer von ihnen. Sitzt man mit ihm beisammen, zum fachlichen Austausch oder einfach nur auf ein Glas Wein, dann sind das angenehme, fast tiefenentspannte Momente. Das ändert sich auch nicht bei streitbaren Themen, denn sein Blick endet nicht am Rand des Weinglases. Im Gegenteil, er ist ein weltoffener und hinterfragender Geist, einer, der neugierig Neues ausprobiert. Das zeigt sich schon am breit gefächerten Sortiment mit verschiedensten Lagen-, Orts-, Gebietsund Naturweinen. Schmunzelnd, mit einem fast schelmischen Lächeln pariert er eine Bemerkung über die nicht zu kleine Weinliste seines Weinguts. Doch immer bleibt er der Bedachtsame, der sich vorher genau überlegt, was er zum Besten gibt. Was ihm allerdings nichts von seiner Bedeutung in der österreichischen Weinszene nimmt. Rampenlicht ist eh nicht seins. Man hört einfach zu, wenn Fred Loimer spricht. In Diskussionen unter Kollegen ebenso wie in Gesprächen mit Weintrinkern oder Weinkritikern. Dann spricht er fast leise, immer mit wohl überlegten Argumenten und nie mit lauter Wucht. Diese Individualität findet sich in seinen Weinen wieder. Man kann es so auf den Punkt bringen: Fred Loimers Weine zeichnen den Menschen dahinter sehr gut. Nicht die Lautstärke ist es, die filigranen Aromen mit den feinen und differenzierten Strukturen prägen Loimers Flascheninhalte. Der Weg, so hat man das Gefühl, ist für ihn oft auch das Ziel. Und dieser hört für ihn nie auf, auch wenn das nicht immer einfach ist.
Höhe des Drahtzugs
Fred Loimer erzählt mit einem lausbübischen Gesichtsausdruck eine Geschichte, die ein Schmunzeln geradezu provoziert. Gleichzeitig aber seinen Willen und seine Stärke aufzeigt, seine Visionen als Weinmacher auf den Weg zu bringen. «Ich bekam vom Grossvater meine erste eigene Parzelle, mein erster echter Besitz also. Mein Vater half mir, die Drahtrahmen neu einzuziehen. Jeder nahm sich immer eine komplette Reihe vor. Ich zog bei einer Höhe von 70, mein Vater bei 90 Zentimetern die Drähte ein. Ergo war am Ende eine Reihe auf 70, eine auf 90 Zentimeter und so weiter. Abends bin ich nochmals alleine los und habe alle Drähte auf meine 70 Zentimeter montiert. Heute lache ich darüber, damals als junger Kerl war das schon nicht so einfach.» Das, was in die Flaschen gefüllt wird, muss Fred Loimers Vorstellungen entsprechen, muss ihm schmecken und Freude machen. Einerseits klingt das pathetisch, andererseits entspricht das auch ganz und gar dem Draht, der auf seine Wunschhöhe gezogen wurde. Ein Bewusstsein zu schaffen für das, was man tut und dafür, wie man es tut, das ist Fred Loimer. So ist es für ihn nur logisch, die Natur mit ins Boot zu holen; sie kennenzulernen, zu verstehen, was im Boden passiert, wie der Rebstock reagiert und welchen Einfluss das alles auf die Umgebung hat. Solche und ähnliche Überlegungen brachten Fred Loimer zu den Idealen des biodynamischen Weinbaus. Bildlich gesprochen: Drei Steine waren dabei eminent wichtig.
Die Stufen zur Biodynamie
Eine Gruppe spielender Kinder will über den Bach, aber wie? Eines Tages findet sie dann die grossen Steine mittendrin, über die man ans andere Ufer gelangt. In wenigen Schritten und Sprüngen ist man drüben. Bei Fred Loimers Weg zur Biodynamie und damit auch zu Rudolf Steiner gab es auch solche Weg weisenden Steine. Zu Steiner meint Fred Loimer:
«Ich habe viel über seine Thesen gelesen und arbeite mit den Mondphasen im Rhythmus der Natur, die mich umgibt. Immer so weit es auch Sinn macht und praktikabel ist. Dogmatisch bin und war ich noch nie.»
Rudolf Steiner war Naturwissenschaftler und der Begründer der Anthroposophie. Der erste Schritt über den Fluss war Thomas Teibert, ein Quereinsteiger in Sachen Wein und ein herausragender Verkoster noch dazu. Über ihn ist Fred Loimer mit der Biodynamie erstmals in Kontakt gekommen, auf Tuchfühlung gegangen. Um noch tiefer in die Materie reinzukommen, setzte er den Fuss auf den nächsten Stein. Auf dem stand der Name von Dr. Andrew Lorand, der inzwischen leider verstorben ist. Ein renommierter Kenner und Berater, wenn es um den biologisch-dynamischen Weinbau ging. Als Dritten nennt Fred Loimer den Winzer Ted Lemon aus Kalifornien. «Ted atmet und lebt Biodynamie wie sonst niemand, den ich kenne. Er arbeitet im Weingut Littorai im Sonoma mit einer unglaublichen Präzisionund fundamentierten Herangehensweise. Seine Weine und sein biodynamisches Wirken sind auf höchstem Niveau. Eine Quelle der Inspiration.» Für alle drei ist die Zeit ein enorm wichtiger Eckpfeiler in der Biodynamie. Wie auch für Fred Loimer, der es auf den Punkt bringt: «Im Rebberg arbeitet die Zeit gegen einen, im Keller arbeitet sie für dich. Sie verwandelt sich vom Kontrahenten zum Mitstreiter.» Weswegen er sich mit dem Gedanken befasst, dem Element Zeit künftig noch mehr Gewicht zu geben. Seine Weine sollen künftig noch später auf den Markt kommen.
Er steht nie still
Fred Loimer bleibt nicht stehen, er hinterfragt sein Tun und Nichtstun ständig. Man erwischt ihn oft in Gedanken verfangen, sieht ihm an, dass er gerade mit sich selbst diskutiert. So sucht er auch immer wieder nach neuen Steinen, um sich und das Wein-gut im Laufe der Jahre immer weiterzuentwickeln. Ein stringenter Wandel. Als Erster im Fokus stand bei Loimer der Riesling. Um den kümmerte er sich äusserst intensiv, bis er das Gefühl hatte, ihn genau zu kennen. Kaum hatte er die eine Sorte durchschaut, kam die nächste an die Reihe.
«Im Rebberg arbeitet die Zeit gegen einen, im Keller arbeitet sie für dich. Sie verwandelt sich vom Kontrahenten zum Mitstreiter.»
Als bekennender Pinot-Noir-Fan war ihm rasch klar: Jetzt wollte er auch die rote Diva begreifen lernen. Seine Weine belegen, dass er auch diese verstanden hat. Als privater Weingeniesser kam er mit der Zeit immer mehr auf den Geschmack von Champagner. Es kam, was kommen musste. «Ich mache mit grosser Freude eine Flasche Champagner auf. Auch weil hier die Zeit ein wegweisender, wenn nicht der wichtigste Faktor für höchste Qualität ist. Nach dem Pinot Noir kam also der Sekt an die Reihe.» Seine Sekte sind wie alle seine Weine auch ein Stück von Fred Loimers Wesen. Feinheit und Eleganz, zurückhaltende Persönlichkeiten mit in sich ruhender Ausstrahlung. Derzeit sind es zwei, der dritte wird im Herbst/ Winter 2018 als «2013 Langenloiser Grosse Reserve Brut Nature» auf den Markt kommen. Wem widmet er sich nach den Sekten? «Der Vision der Herkunftsweine und hier besonders der Ortsweine, im Sinne der altenTradition. Also Weinen ohne Sortenangabe, wie dem Zöbinger, Gumpoldskirchner oder Langenloiser.»
Respekt als Herzensangelegenheit
Ganz elementar für ihn ist es, Erfahrungen und Wissen von und mit Kollegen zu teilen. So ist er Gründungsmitglied der ÖTW (Österreichische Traditionsweingüter), die sich stark auf Lagenklassifizierungen fokussieren. Sehr aktiv ist der Ausnahmewinzer in der Gruppe Respekt und ebenso Gründungsmitglied. Nicht nur das Niveau der Weine, auch das «Wie sie produziert werden» ist ein entscheidender Faktor, so sein Credo. Man trifft sich, um sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Respekt scheint ihm eine Herzensangelegenheit zu sein. In seinem Weingut hält Fred Loimer die biodynamischen Fäden fest in seinen Händen. Doch so gerne er Weinmacher ist, so gerne hätte er mehr Zeit für die Familie. So zumindest der Eindruck. Apropos Eindruck. Auf die Frage, was ihm in letzter Zeit aufgefallen ist, antwortet Fred Loimer absolut überraschend: «Das ist jetzt ganz und gar persönlich, doch immer öfter sind es die einfachen Weine, die mir besser gefallen.»
Finesse und «Weniger ist mehr» prägen den Stil von Fred Loimers Weinen. Schwerpunkt liegt auf den Weissen, doch sein Pinot Noir Anning ist aufsehenerregend gut.
Loimer, Kamptal Langenloiser Riesling Ortswein Kamptal DAC 2017
17 Punkte | 2020 bis 2032
Frisch abgefüllt und deswegen noch recht verhalten, mit etwas grünen Kräutern und Pfi rsichhaut plus eine ätherische, leicht fl orale Kühle. Sehr mineralische und engmaschige Art am Gaumen, mit einer festen Säure, Heu und erdig-kalkigen Noten. Straffer, noch verhaltener Abgang mit Zug und Potenzial. Darf man noch liegen lassen und Zeit gönnen.
Loimer, Kamptal Zöbinger Alte Reben Ortswein 2017
17.5 Punkte | 2020 bis 2034
Cuvée aus Grünem Veltliner, Riesling, Sauvignon Blanc, Welschriesling. Kompakte Nase mit Heunoten und Mirabellensteinen, etwas Kernobst, sehr rassig mit feiner dezenter Würze – Muskatnoten, eigen, aber sehr gut. Knochentrocken und wenig Früchte, dafür getrocknete Blüten, etwas Apfelkerne und Traubenschalen. Leicht phenolisch, mit satter Struktur, strammer und kompakter Stil mit fester Säure und enormer Kalkigkeit, lang und dicht. Braucht viel Luft. Hat Potenzial.
Loimer, Niederösterreich Traminer mit Achtung Alte Reben 2014
18 Punkte | 2018 bis 2026
Offene, sehr tiefe, markante Nase mit viel Lindenblütentee, Heu und saftigen, leicht bitteren Mandarinen und Blutorangen. Komplex, animierend. Wunderbar griffi ger Gaumen, der mit seiner Säure und feiner, die Frucht durchdringenden Phenolik ein grandioses Beispiel für einen maischevergorenen Traminer ist. Sehr stimmige und anspruchsvolle Stilistik. Die Ausgewogenheit sorgt für allerhöchsten Trinkspass mit Charakter. Langer Abgang mit feinem, bitterem Touch von Mandarinenschalen. Gekonnt.
Loimer, Niederösterreich Zweigelt 2015
17 Punkte | 2018 bis 2026
Tiefe und Dichte mit dunklen Brombeeren, etwas Schattenmorellen und auch einer leicht herben Note. Nie fett oder aufdringlich, sondern samtig und geschliff en. Abbild am Gaumen mit wieder samtig feiner Stilistik, satter und sehr klarer Frucht. Nicht der puristische oder karge rote Loimer, aber der fruchtige, mit etwas erdiger Würze unterlegt. Und trotzdem schmeckt man Loimers Stil dahinter.
Loimer, Gumpoldskirchen Pinot Noir Anning 2015
19 Punkte | 2019 bis 2035
Anfangs sehr herbe, tiefschwarze, kräuterwürzige Nase mit schwarzem Pfeff er. Sehr ätherisch, mit Darjeeling und einem Touch Muskatnuss. Noch enorm jung und mit Ecken und Kanten. Fels in der Brandung, mit noch sattem Tanningerüst, darunter einer engmaschigen schwarzroten, für 2015 unglaublich feingliedrigen Frucht. Plus feine herbe, leicht nussige Aromen und mit einer präsenten Säure, die Frische, aber auch langes Leben bringt. Jetzt über Nacht in die Karaff e oder noch Jahre liegen lassen. Hat Potenzial. Gross.