Winzerlegende Aurelio Montes, Chile
Zwei Montes für alle Fälle
Text: Thomas Vaterlaus
Sie sind die Pioniere des «Hillside»-Weinbaus in Chile, haben mit Sorten wie Syrah oder Cinsault für Furore gesorgt und gelten als Vorreiter eines verantwortungsbewussten Weinbaus mit vorsichtigem Umgang mit der Ressource Wasser: Kaum jemand hat die chilenische Weinszene in den letzten 30 Jahren so stark beeinflusst wie Aurelio Montes senior, der heute zunehmend von seinem Sohne, Aurelio Montes junior, unterstützt wird.
Irgendwie erinnert Aurelio Montes senior ein bisschen an Indiana Jones, den Actionhelden aus den gleichnamigen Filmen von Steven Spielberg. Nicht weil er wie dieser massenhaft Bösewichte ausschalten musste, um seine Mission für den chilenischen Qualitätswein erfolgreich voranzutreiben, sondern weil er wie der Film-Abenteurer stets positiv denkt, nie aufgibt und auch unter schwierigsten Bedingungen sein Ziel im Auge behält. Und doch, wenn er heute auf sein Wein- Imperium mit über 1000 Hektar Reben in Chile und Argentinien schaut, unterhalten und weiter vorangetrieben von mehr als 400 Mitarbeitern, weiss er, dass er auch Glück hatte. Doch der glückliche Zufall hat in seiner Familie immer wieder mal angeklopft, ganz besonders bei jenem Vorfahren mütterlicherseits, der als Royal-Air-Force-Pilot im ersten Weltkrieg über der Loire abgeschossen wurde und mit seinem Fallschirm direkt im Garten von Château Cheverny landete, wo ihn die Tochter des Schlossbesitzers nicht nur gesund pflegte, sondern gleich auch noch heiratete…
Ein Feuerwerk von Innovationen
Ein Abenteurer ist Aurelio Montes senior auch, allerdings ein rational veranlagter, smarter Abenteurer. Einer mit Kalkül. Etwa wenn er früher mit seinem Flugzeug, beziehungsweise heute mit seinem Helikopter, einem Robinson R44 Raven II, zwischen Santiago, seinen Rebgütern und der Kellerei im Colchagua Valley unterwegs ist. Oder beim Segeln entlang der fjordartigen Küste in Patagonien, für die ein Leben nicht ausreicht, um sie gänzlich zu erkunden. Der stete Aufbruch zu Neuem prägte auch seine Wein-Karriere. Kaum hatte er mit dem ersten Jahrgang des Montes Alpha Cabernet, dem 1987er, den Prototyp eines roten «Premium»-Weins aus Chile geschaffen, ging seine Reise schon weiter. Mit dem Jahrgang 1996 folgte mit dem «Alpha M» ein Bordeaux-Blend aus selektionierten Höhenlagen in der legendären Subzone Apalta im Colchagua Valley, der erste «Icon»-Wein aus dem Hause Montes.
Die danach kommenden Innovationen deuteten ihren abenteuerlichen Charakter schon im Namen an. Der «Folly», mit dem Jahrgang 2000 lanciert, war der erste chilenische Shiraz auf Weltklasse-Niveau und stammt ebenfalls von ausgewählten Parzellen in Apalta. Nicht nur «folly», sondern im besten Sinne des Wortes verrückt war dann die mit dem Jahrgang 2010 lancierte Linie «Outer Limits – Montes beyond Frontiers» mit Weinen aus noch unbekannten Grenzgebieten des Weinbaus, etwa der windiggrauen Zapallar Coast, 180 Kilometer nördlich von Santiago, nur sieben Kilometer vom kalten Pazifik entfernt gelegen. Hier reift unter anderem ein extremer Cool-Climate-Syrah – ein völlig anderer Wein als der monumentale Folly-Shiraz aus den Ausläufern der Anden.
Schon seit über zehn Jahren wird Aurelio Montes senior im Unternehmen von seinem Sohn Aurelio junior unterstützt. Was das Duo auszeichnet, ist eine differenziert ganzheitliche Sichtweise. Sie sind Winzer, Wissenschaftler, Öko-Pioniere, Wein-Marktforscher, gleichzeitig aber auch die ersten Ambassadeure ihrer Gewächse. Man kann mit ihnen über alles diskutieren, etwa darüber, wie sich der Weingeschmack der «Generation X» von demjenigen der «Generation Millennium» unterscheidet. Ein zentrales Anliegen sind für sie ihre «Sustainability»-Projekte. So benötigen sie heute 65 Prozent weniger Wasser als vor zehn Jahren, um die gleiche Menge Wein zu produzieren. Die Einsparung reicht aus, um eine Stadt von 20 000 Einwohnern mit Wasser zu versorgen. Zudem hat das Vater-Sohn-Gespann in den letzten Jahren umfassende Erfahrungen mit «Dry Farming» gesammelt. Sie haben bewiesen, dass der unbewässerte Anbau in Chile selbst in sehr trockenen Gebieten möglich ist, wissen aber auch, dass auf diese Weise kleinere Beeren mit mehr Hautanteil reifen, was es schwieriger macht, ausgewogene, fruchtbeonte Weine zu keltern. Beide Montes sind Pragmatiker. Den Kult um die magische Kraft von alten Reben etwa teilen sie nur bedingt. «Viele unserer Topweine kommen von vergleichsweise jungen Rebbergen», sagt Aurelio Montes senior. Ähnliche Klischeevorstellungen erkennt er in den gegenwärtigen Diskussionen über den anzustrebenden Alkoholgehalt: «Wollen die Leute tatsächlich wieder wie früher harte Weine mit zwölf Volumenprozent Alkohol trinken? Ich denke nicht. Voll ausgereifte Trauben möglichst schonend zu Wein transformieren, diese einfache Formel, der wir unseren Erfolg verdanken, gilt für uns heute noch genauso wie 1988, als wir unser Projekt starteten.»
Patagonische Feuerküche
Bis vor 30 Jahren war Chiles Weinszene eine geschlossene Gesellschaft, eine Form von «Gentlemen’s Club». Grossgrundbesitzer sowie einige in- und ausländische Investoren waren da unter sich. Bis Aurelio Montes senior die Szene aufmischte. Kein Millionärssohn aus der Upper Class, sondern der Spross einer typischen Mittelstandsfamilie mit fünf Kindern. Der Vater arbeitete bei einer Versicherungsgesellschaft. Im Elternhaus spielte Wein kaum eine Rolle, allenfalls sonntags wurde manchmal zur Pastete oder den Empanadas ein Cabernet entkorkt. Grossen Wert legte der Vater auf die Ausbildung seiner Kinder. Aurelio Montes wusste schon früh, dass er draussen arbeiten wollte und begann Ende der 60er Jahre an der katholischen Universität von Santiago ein Agronomie-Studium.
«Wollen die Leute tatsächlich wieder wie früher harte Weine mit zwölf Volumenprozent Alkohol trinken? Ich denke nicht. Denn Trinkvergnügen basiert grundsätzlich auf voll ausgereiften Trauben.»
Aurelio Montes senior
«Tafelfrüchte boomten damals, alle wollten in diesem Sektor arbeiten, nur gerade zwei interessierten sich für Weinbau, einer davon war ich», erinnert sich Aurelio Montes senior. Es war eine dunkle Epoche in der chilenischen Geschichte, die schliesslich zum Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende führte. Obwohl das Land in einer katastrophalen Wirtschaftskrise steckte und es kaum Jobs gab, wurde Aurelio Montes von der Uni weg direkt von der Familie Undurraga als Önologe verpflichtet. Schon in den ersten Arbeitstagen schickte man ihn zu einem Rebbauern, der in den Hügelzonen von Apalta im Colchagua Valley ausserordentlich gute Trauben produzierte. Obwohl Montes an der Uni gelernt hatte, dass Weinbau nur in der Ebene sinnvoll sei, erkannte er sofort das ausserordentliche Potenzial von Apalta. Der Rest ist Geschichte. Nach 15 Jahren bei Undurraga und später bei Viña San Pedro gründete er 1988 zusammen mit drei Partnern sein eigenes Unternehmen Viña Montes und legte die Basis zum schnell eintretenden Erfolg mit dem Kauf von 500 Hektar Land in Apalta.
Dass sein Sohn in seine Fussstapfen treten würde, war alles andere als selbstverständlich. «Ich erlebte als Kind die turbulenten Gründerjahre von Montes mit spektakulären Erfolgen und drohender Pleite vor allem durch die wechselnden Gemütslagen meines Vaters.» Als er schliesslich 25 Jahre nach seinem Vater an der gleichen Universität den gleichen Studiengang belegte, wurde er fast zum Opfer des Weinbauboomes, den Pioniere wie sein Vater initiiert hatten. Über 80 Jugendliche wollten nun Önologie studieren, Aurelio junior musste um seinen Studienplatz kämpfen. Wie sehr die innovativen Ideen seines Vaters die chilenische Weinbauszene geprägt hat, illustriert auch ein anderes Beispiel. Als Aurelio Montes senior 1990 als erster Winemaker Land in Apalta kaufte, zahlte er 2000 Dollar pro Hektar. Heute müssen dafür schon 150 000 Dollar hingeblättert werden.
Die zwei Seiten der Anden im Glas
Sei der Lancierung ihrer Kaiken-Weine aus dem argentinischen Mendoza vor rund zehn Jahren verbindet das chilenische Vater-Sohn-Gespann Montes die unterschiedlichen Weinbaukulturen dies- und jenseits der Anden. Eines haben ihre Weine gemeinsam: Sie sind Weltklasse!
Outer Limits Wild Slop Red Wine 2015
Colchagua Valley, Chile
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Typischer Rhône-Blend aus Carignan (50%), Grenache (30%) und Mourvèdre. Intensive Aromen von südlich reifen, aber nicht überreifen Früchten, vor allem Waldbeeren, Pflaumen, Lakritze und leicht süsslichen Würznoten. Im Gaumen dicht gewoben, mit viel fülligem Schmelz. Saftige Säure. Ein trinkiger Wein vom Typ «Charmeur».
Kaiken Obertura Cabernet Franc 2015
Uco Valley, Mendoza, Argentinien
18 Punkte | 2018 bis 2030
Vielschichtige, reife Aromatik mit Roten Johannisbeeren, aber auch Garrigue-Kräutern, waldige Komponenten und Pfeffer. Gut eingebundene Würznoten. Zeigt auch im Gaumen viel Charakter, mit viel feinkörnigem, edlem Gerbstoff.
Montes Folly Syrah 2014
Santa Cruz, Colchagua Valley, Chile
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Verführerische, fast likörig konzentrierte Aromen von Schwarzen Johannisbeeren, auch Blaubeeren, dazu eine Spur Pfeffer und mineralische, an Graphit erinnernden Noten. Im Gaumen komplex und sehr konzentriert, getragen von einer saftigen Säure.
Purple Angel Carmenère by Montes 2014
Marchigüe Vineyard, Colchagua Valley, Chile
18.5 Punkte | 2018 bis 2025
Der Flaggschiff-Carmenère des Hauses, ergänzt mit etwas Petit Verdot (8%). Aromen von frischen dunklen Beeren, auch ein Anflug von Minze und Unterholz, dazu mineralisch-kreidige Noten. Im Gaumen kraftvoll und dicht gewoben. Komplexer Wein mit toller Finesse.
Kaiken Mai Malbec 2013
Vistalba, Mendoza, Argentinien
18 Punkte | 2018 bis 2030
Dieser fast schon monumentale Wein ist eine Selektion aus einem rund 100-jährigen Rebberg. Einige wenige Prozent Semillon sorgen für Schmelz und Frische. Aromen von dunklen Kirschen, auch Zwetschgen, dazu Unterholz und kräuterwürzige Noten. Im Gaumen extrem konzentriert und komplex, mit viel reifem Tannin.
Montes Taita Cabernet Sauvignon 2010
Marchigüe Vineyard, Colchagua Valley, Chile
19 Punkte | 2018 bis 2030
Ertragsreduzierte Selektion (3000 kg pro Hektar) aus einem 2002 gepflanzten, unbewässerten Rebberg. Enorm vielschichtige Aromatik mit roten und dunklen Beeren, dazu Minze, Lakritze und eine Spur von edlem Pfeffer. Perfekt eingebundene Würznoten. Im Gaumen hochkonzentriert, aber gleichzeitig auch sehr elegant und verführerisch.