Winzerlegenden Johann und Paul Krige, Kanonkop
Mit grossem Geschütz die Welt erobert
Text: André Dominé, Fotos: Maree Louw
Wenn man in Südafrika einem Gut Premier-Cru-Status zuerkennen möchte, denkt man unweigerlich an Kanonkop. Der hier produzierte Paul Sauer wurde viermal als bester Rotwein-Blend weltweit und der Pinotage in diversen Wettbewerben immer wieder als bester Südafrikas ausgezeichnet. Verantwortlich für den steilen Aufstieg des Weinguts am Simonsberg sind die Brüder Johann und Paul Krige.
An der Einfahrt grüsst eine Kanone. Schliesslich stammt der Name Kanonkop von einer Hügelkuppe oberhalb des Guts. Von ihr wurde im 17. Jahrhundert eine Kanone abgefeuert, wenn Schiffe in die Table Bay einliefen, um sich in Kapstadt mit neuem Proviant zu versorgen. Dann beluden die Bauern von Stellenbosch Ochsenkarren mit ihren Erzeugnissen und machten sich auf den Weg. Seit vier Generationen befindet sich das Weingut am Fusse des berühmten Simonsbergs in Familienbesitz und erzeugt seit etwa dem Jahr 1925 Wein. Heute wird es von den Brüdern Johann und Paul Krige geführt, wobei Johann den Betrieb nach aussen vertritt und Paul sich gern im Hintergrund hält.
«In den 45 Jahren, die wir jetzt Wein abfüllen, hatten wir nur drei Winemaker. Ich denke, wir haben es geschafft, eine Beständigkeit zu erhalten, die notwendig ist, um einem Gut einen Namen zu machen.»
Ihr Grossvater Paul Sauer war als Kabinettminister der südafrikanischen Union für Eisenbahn und Häfen zuständig. Beruflich kümmerte er sich aber um das Rugby-Team der Universität Stellenbosch. Wie auch sein Schwiegersohn Jannie Krige, Ehemann von Mary Sauer, der Erbin des Weinguts. Paul Sauer engagierte 1968 Jan Boland Coetzee, den legendären Flanker im Springbok-Team, als Winemaker. Gemeinsam mit Jannie Krige beschloss Boland 1973, Weine selbst abzufüllen. Als ich 1998 Kanonkop zum ersten Mal besuchte, lud mich Johann Krige abends gemeinsam mit Boland und dessen Nachfolger Beyers Truter ins bekannte Restaurant «Wijnhuis» in Stellenbosch ein. Jan Boland brachte dazu seinen Erstling mit, den Pinotage 1973. Ein 25 Jahre alter Wein. Er begeisterte mich mit seiner unglaublichen Frische und Komplexität und verwandelte mich auf der Stelle in einen Pinotage-Fan.
«Die grosse Wandlung auf Kanonkop kam später», erzählt Johann. «1981 hatten wir einen Obstsalat an Rebsorten: Chenin Blanc, Rheinriesling, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Noir und eine Menge anderer. Aber bereits 1981 waren wir Terroiristen und beschlossen, uns auf das zu fokussieren, was jedes Jahr gut wurde, und das seit 20 oder 30 Jahren. Das waren Pinotage und Cabernet Sauvignon.» Nur etwas Cabernet Franc und Merlot duldeten sie für Blends. Bruder Paul, der Weinbau und Rinderzucht am nahen Elsenburg College studiert hatte, half seit 1984 aktiv bei der Umstellung des Guts mit, übernahm dann aber nach und nach immer mehr die Qualitätskontrolle, Projektleitung und Instandhaltung des gesamten Betriebs. «Als Johann 1990 einstieg, war die Farmseite schon völlig verändert, obwohl das nur sechs Jahre nach mir war», erklärt Paul. «Und heute ist es noch einmal völlig anders.»
Durchbruch mit der Demokratie
Während des Apartheid-Regimes litt Südafrika unter Handelsbeschränkungen. Die Kriges reisten nach Frankreich und Italien, um sich über die Entwicklungen von Weinbau und Kellertechnik zu informieren, aber im Export waren ihnen weitgehend die Hände gebunden. Dennoch beteiligten sie sich an der International Wine and Spirits Competition in London. Zur grossen Überraschung der Fachwelt erhielt Winemaker Beyers Truter 1991 die Robert Mondavi Trophy als «International Winemaker of the Year». Als drei Jahre später beim gleichen Wettbewerb dem Spitzenwein von Kanonkop die Pichon Longueville Comtesse de Lalande Trophy als bester Rotwein-Cuvée weltweit verliehen wurde, zeichnete sich ein Durchbruch ab. «Nach 1991 und 1994 begannen die Leute, von uns auf einem internationalen Niveau Notiz zu nehmen», erläutert Johann. «Mit der Demokratie sahen sie, dass bei uns etwas geschah, und sie stellten fest, dass wir nicht so sehr hinterherhinkten. Wir waren noch nicht ganz da, wohin wir wollten. Wir hatten aber das Gefühl, dass wir – wenn wir uns auf keine Abweichungen einliessen – es mit den besten Erzeugern in der Welt aufnehmen könnten.»
Ideale Lage für langsamere Reife
Zu Recht sind die Brüder vom Potenzial ihres Terroirs überzeugt. Ihre 100 Hektar Rebflächen erstrecken sich über die niedrigeren Hänge des Simonsbergs bei Stellenbosch, der eine eigene Appellation besitzt und als eine der besten Rotweinherkünfte der Kapregion gilt. Sie liegen auf 60 bis 120 Metern Höhe und sind vorwiegend nach Südwest ausgerichtet, was jenseits des Äquators eine langsamere Reife garantiert. «Wir haben verwitterten Granit mit einem relativ hohen Tonanteil», erklärt Johann. «Den Pinotage bewässern wir nicht, denn die Böden halten die Feuchtigkeit gut. Weiter unten haben wir sandigere Böden. Dort haben wir Cabernet Sauvignon gepflanzt und müssen bewässern.» Der Sortenspiegel entfällt zur Hälfte auf Pinotage, die Kreuzung von Cinsault x Pinot Noir, die Professor Perold 1924 an der Universität Stellenbosch durchführte.
«Wir haben nie versucht, Wein auf ein Piedestal zu heben. Das hat für mich keine Bedeutung. Ich trinke jeden Abend Wein zum Essen. Wein ist ein Lebensstil.»
Viele der Rebstöcke auf dem Gut Kanonkop zählen zu den ersten kommerziell angepflanzten Pinotages, sind über 63 Jahre alt und als Bush Vine erzogen. Ein gutes Drittel ist Cabernet Sauvignon vorbehalten, während sich die restliche Fläche von 15 Hektar auf Merlot, Cabernet Franc und neuerdings Petit Verdot verteilt. Die Lagen profitieren im Sommer von den kühlen Brisen, die nachmittags von der False Bay hereinblasen und die hohen Temperaturen mässigen. In den Weinbergen ist die Mehrheit der 54 Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen die meisten in modernen Häusern auf dem Gut leben, tätig. Für Kinder gibt es eine Tagesstätte, für alle Mitarbeiter diverse Sportanlagen. Gelesen wird selbstverständlich per Hand.
Nur keine Experimente
Im Keller überraschen die grossen offenen flachen Gärbecken, den Lagares gleich, die am Douro stehen. Sie wurden 1941 installiert und sind inzwischen mit einem Kühlsystem ausgestattet. Darin findet die Maischegärung statt. Alle zwei Stunden zerstossen die Kellerarbeiter den Tresterhut mit hölzernen Stangen, ob bei Tag oder Nacht. «Beim Pinotage, der etwas mehr Saft hat, ist der Extraktionsprozess etwas schneller», kommentiert Johann, «da bleibt die Maische drei bis dreieinhalb Tage in den Lagares. Beim Cabernet Sauvignon mit kleineren Beeren und weniger Saft ist die Extraktion langsamer und dauert fünf, maximal fünfeinhalb Tage.» Erstaunlich, welche Struktur die Weine nach so kurzer Zeit erreichen. In den letzten Jahren haben die Brüder die Produktion ihrer Zweitweine gesteigert und erweitert. Dafür haben sie die Anzahl an Lagares verdoppelt und sie mit Robotern ausgestattet. Es sind Prototypen, die nach den Ideen der Kriges konzipiert wurden und sich 2016 zum ersten Mal bei den Kadette-Weinen bewährten. Die Kadette-Reihe mit ihrem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis verbucht in der Schweiz, Deutschland und Österreich aktuell beachtliche Erfolge. Auch sie basiert vorrangig auf Pinotage und Cabernet Sauvignon.
«In den 45 Jahren, die wir jetzt Wein abfüllen, hatten wir nur drei Winemaker: Jan Boland Coetzee, dann kam Beyers Truter und dann Arbrie Beeslaar. Sie haben den Stab gut weitergegeben, denn der Stil der Weine ist dabei ziemlich gleich geblieben.» Die Kontinuität im Stil hält er für unerlässlich, wenn man ein Gut und seine Weine, seine Marke bekannt machen will. Jan Boland verliess Kanonkop 1980, um auf dem Vriesenhof eigene Weine zu machen. Beyers Truter, Mister Pinotage, regierte in Kanonkops Keller bis 2003. Von da an widmete er sich ganz seinem Gut Beyerskloof. Seither ist Abrie Beeslaar am Ruder. «Arbrie ist ein sehr gewissenhafter Winemaker», lobt Johann Krige. «Er ist sehr in den Weinbau involviert und natürlich ins Weinmachen.» In Bezug auf die Kontinuität merkt er an, er sehe es als Vorteil, «dass wir hier immer offene Gärtanks hatten, da gab es nicht viel Zeit für Experimente.» Andererseits haben die Brüder und ihr Weinmacher immer ein Auge auf die neuesten Entwicklungen. Wo immer sie eine Möglichkeit sehen, die Qualität weiter zu steigern, zögern sie nicht, zu investieren. Zum Beispiel in eine optische Beerensortieranlage oder im Weinbau in die Kontrolle der Blattwand oder ins Bodenmanagement.
Wir sitzen in der Probierstube des Grossvaters Paul Sauer. In den Regalen liegen eingestaubte Flaschen. Die Querwand füllt eine urige Zeichnung von Mosel und Rhein aus mit einer Anzahl an Trinksprüchen auf Deutsch und Afrikaans. Niemand weiss, wer sie gemacht hat. Die Brüder haben eine beeindruckende Verkostung vorbereitet, denn hier lagern die alten Jahrgänge von Kanonkop. Bis 2006 gab es nur vier Weine: den Kadette als Einstieg, den Pinotage, den Cabernet Sauvignon und den Blend Paul Sauer. Aber 2006 konnten sie nicht widerstehen. Der älteste Pinotage-Weinberg lieferte eine so herausragende Qualität, dass sie seine Trauben getrennt ausbauten. Damit schufen sie das rare Black Label mit enormem Alterungspotenzial. Aber die Sorge um die oft verkannte Rebsorte brachte sie noch auf eine andere Idee. «Sehr wenige Leute, ob hier oder international, haben Gelegenheit, ältere Pinotage-Weine zu probieren», konstatiert Johann. «Jetzt legen wir von jedem Jahrgang 6000 bis 8000 Flaschen in den Keller, und dann warten wir, bis der Wein zehn Jahre alt ist. Jetzt, 2017, verkaufen wir erneut den Pinotage 2007. Das hat eine sehr positive Wirkung generell für den Pinotage, nicht nur den von Kanonkop.»
«Ich bin ein Terroirist, ob die Leute das nun mögen oder nicht. Ich liebe das Terroir. Man sollte das Beste daraus extrahieren, das man erhalten kann.»
Und er freut sich selbst darüber, jetzt öfter einen alten Pinotage geniessen zu können. Denn Wein gehört für die Brüder zum täglichen Leben und zum Lebensstil. «Unsere grösste Vorliebe und das absolute Abschalten für meine Frau und mich ist: Wir nehmen den Geländewagen mit einem grossen Anhänger dahinter und leben für zwei Wochen im Busch, meistens im zentralen Teil von Botswana. Da schlafen wir im Zelt, und die Löwen und Leoparden laufen drum herum. Man nimmt sein Essen und seinen Wein mit. Dort bleiben wir zwei Wochen, um die Batterien wieder aufzuladen. Man beobachtet das Wild, isst gut und trinkt gute Weine.» Und dann kehren sie voll neuer Energie in den Weingutsalltag zurück.
Kanonendonner am Simonsberg
Seit der ersten Abfüllung vor 44 Jahren hat sich das Weingut Kanonkop als erstklassige Quelle für sehr gut alternde Rotweine erwiesen. Dabei sind sich die Krige-Brüder und ihre Winemaker immer treu geblieben. Pinotage, Cabernet Sauvignon und der Blend Paul Sauer werden zu einem hohen Anteil in neuen Barriques aus Nevers-Eiche ausgebaut. Es sind Klassiker. www.kanonkop.co.za
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Pinotage Black Label 2015
19 Punkte | 2019 bis 2040
Nicht bewässerte Bush Vines in einem 62 Jahre alten Rebenblock lieferten die konzentrierten Trauben zu diesem imposanten Wein. Dichte, noch verschlossene Nase mit reifen roten Beeren, Gewürzen und Röstnoten. Am Gaumen Zimt und dunkle Früchte, viel Spannung, Struktur, körnige Tannine und mineralischer Unterton. Enormes Potenzial.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Pinotage 2007
16.5 Punkte | 2017 bis 2022
Jetzt als zehn Jahre gereifter Wein auf den Markt gebracht, zeigt dieser Pinotage ein entwickeltes balsamisches Bouquet mit Aromen von Eukalyptus, Humus, Wildbret und Pflaumenkompott. Im Mund harmonisch und verschmolzen, mit Noten von Unterholz, Gewürzen und süsser dunkler Frucht. Mittlere Struktur und die deutliche Frische des Jahrgangs.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Cabernet Sauvignon 2013
17.5 Punkte | 2017 bis 2033
Ein für die Winzer herausforderndes Jahr aufgrund von Regen während der Lese. Doch gerade dem spät reifenden Cabernet kam dies zugute und verlieh ihm sowohl gute Struktur wie auch viel Eleganz. Aromen von Cassis, Schwarzkirschen, Minze, Gewürze im Duft, Pflaumen, Minze, Tabak im Geschmack; feine Tannine, schöne Frische und sehr gute Länge.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Cabernet Sauvignon 2009
18.5 Punkte | 2017 bis 2034
Der kühle Winter führte zu einer langen Reifeperiode und einem hervorragenden Jahrgang. 24 Monate zu 50% in neuen Barriques ausgebaut. Junges dunkles Rubinrot. Intensiv und komplex, Backpflaume, Zeder, Teeblätter in der Nase. Am Gaumen grosse Finesse, elegante Würze, attraktive reife rote Frucht, beeindruckende Dynamik und Jugendlichkeit.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Paul Sauer 2014
17.5 Punkte | 2017 bis 2034
Eines der feuchtesten Jahre in letzter Zeit ergab einen Blend von grosser Ausgewogenheit mit sehr klarer, frischer Cassis- und Kirschfrucht in der Nase, verbunden mit der feinen Würze des zweijährigen Ausbaus in neuer Nevers-Eiche. Am Gaumen ansprechende Beerenfrucht, elegante Tanninstruktur, feine Röstnoten, schönes Relief und grosse Länge.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Paul Sauer 2013
18.5 Punkte | 2017 bis 2038
Reizvolles Bouquet von dunklen Beeren, Pflaumen, Zeder, Mokka, Eukalyptus und schwarzem Pfeffer. Im Mund zeigt die Cuvée viel Präsenz und Konzentration, wirkt sehr dicht, fruchtbetont, würzig und komplex mit einer Note von Havanna, viel Relief mit gut eingehüllten Tanninen, ausgezeichnete Länge und bemerkenswertes Potenzial.
Kanonkop, Simonsberg, Stellenbosch
Paul Sauer 1995
19 Punkte | 2017 bis 2025
Tiefes Rubinrot mit Backsteinrand. Superbes, offenes und ausdrucksstarkes Bouquet mit alter Kirsch- und Beerenkonfitüre, Orangenzeste, Walnüssen, Tabak, Unterholz, Leder und Pfefferminze. Samtiger Ansatz mit feiner Fruchtsüsse, Bitterschokolade, Teeblättern, Zigarrenkiste, verschmolzenen Tanninen, viel Harmonie. Ein grosser Klassiker.