Finesse, Feinheit und Säurefrische! • Unique Wineries of the World – Schweiz

Christian Hermann, Fläsch

Fotos: z.V.g.

Mit gerade mal 180 Quadratmetern und ein paar gebraucht erworbenen Tanks startete Christian Hermann die Abenteuerreise als Weinmacher und Weingutsbesitzer. Das war 1990 und nichts anderes als ein Wagnis mit ungewissem Verlauf. Denn als Weintrinker vergisst man oft, ein Winzer muss vom Verkauf seiner Weine leben. Das sind erstmal nicht die besten Aussichten, könnte man meinen. Doch widerstrebte es Christian Hermann zu wissen, dass die sorgfältig gepflegten Trauben in der grossen Menge verschwinden. Ausserdem trieb ihn die Frage um, wie ein Wein, gekeltert aus den eigenen Rebstöcken schmecken würde. Seine noch jungen Eltern überschrieben dem damals 23-jährigen Christian die Weingärten der Familie. Diese drei Hektar Reben ermöglichten ihm, sich die besagten 180 Qua­dratmeter Weinkeller zu bauen. Ein Kollege half ihm aus, indem er Kellerräumlichkeiten zur Verfügung stellte, in denen er somit seinen ersten Jahrgang auf die Flasche füllen konnte. Es waren genau 7000, sein erster eigener Jahrgang! Er war zugleich die Basis und das Startkapital für die kommenden Jahre.

«Boden und Mikroklima sind Dreh- und Angelpunktein unseren Weinen.»

Silvie Bühlmann, Christian Hermann

Inzwischen bewirtschaftet Christian Hermann rund fünf Hektar und gehört zu den Etablierten der Schweizer Weinszene. Er bleibt in seinem Denken und Handeln nie stehen. Dazu gehört, seine eigenen Weine zu hinterfragen. Lippenbekenntnisse sind nicht seine Sache, wie zum Beispiel nachhaltiges Arbeiten. Konsequent wie er ist, fördert er mit verschiedenen Massnahmen die Biodiversität in seinen Weinbergen. Etwa mit Einsaaten, die nützliche Insekten anlocken und seine Böden sprichwörtlich besser machen. Auch der Ausbau seiner Weine hat sich verändert. 30 Jahre zuvor konnte die Weinwelt nicht genug von neuen Barrique- und den Raum flutenden Röstaromen bekommen. Diese wurden von den Weintrinkerinnen und Weintrinkern geradezu verlangt, und welcher Winzer wollte nicht auch en vogue sein? «Heute setzen wir nicht weniger Neuholz ein, dafür aber nur mit einer leichten Toastung! Folglich wandert die Röstaromatik in den Hintergrund, dafür stehen Finessen, Struktur, Frucht und Säure in der ersten Reihe», erklärt Christian Hermann.

Den klassischen Burgundersorten gilt seine Passion. Pinot Gris und Müller-Thurgau mussten vor längerem schon weichen. Chardonnay, Riesling und Completer, die Bündner Rebsorte schlechthin, sind die neuen Protagonisten. Sein Stil ist fraglos an das Burgund angelehnt. Christian Hermann produziert gleich drei davon. Aus der Lage Stritaberg stammt das Lesegut für den Topwein Pinot Noir «H». Die Parzelle Kunz liefert die Trauben für den Pinot Noir und den Pinot Noir Reserve. Wobei erst im Keller final über die Assem­blagen der drei entschieden wird. Da kann es sein, dass im Basis-Pinot-Noir ein Anteil Stritaberg mit dabei ist. Überhaupt hat Christian Hermann im Umgang mit der Barrique ein Händchen. Keine Holzklötze im Glas, vielmehr ist die feine Würze des Ausbaus schmeckbar, geschliffen und im Hinterzimmer. Zeit haben alle seine Weine, insbesondere der «H» darf gerne ein paar Jahre reifen. Christian Hermann produziert sie zum Geniessen und nicht fürs schnelle Konsumieren. Qualität halt.

Unsere Selektion

Graubünden AOC Fläscher Chardonnay 2022

Reife zitrische Früchte auch mit etwas Schalenabrieb, Gartenkräuter und zarte Eichenwürze, die sich mit der Zeit völlig einbinden werden. Zug und Kraft am Gaumen! Beides bringt er gekonnt auf den Boden, Säurefrische und Grip kommen dazu. Potenzial. In sich stimmig.

 

Graubünden AOC Fläscher Pinot Noir Reserve 2022

Dezente Röstaromen verwoben mit engmaschigen roten und schwarzen reifen Waldfrüchten. Auch Tabakiges zeigt sich mit Luft. Wieder sehr engmaschig, doch ist der Gaumen ausbalanciert. Mit feiner Struktur, durchgängiger saftiger Linie und einem langen, noch verhaltenen Abgang.

 

Graubünden AOC Fläscher Pinot Noir «H» 2021

Dunkle Frucht mit Schwarzkirsche, Süssholz, Kräutern und feinziselierter Würze. Saftiger, präziser Gaumen, dicht und kompakt, ja, doch unheimlich lebendig und vibrierend. Körniges Tannin, gute Säurefrische und erdig-mineralischer Touch. Der Sportler im Mass­anzug.