Das Tessin wird neu erfunden • Unique Wineries of the World – Schweiz
Tamborini Vini, Lamone
Text: Thomas Vaterlaus, Nicole Harreisser, Alexandre Truffer, Fotos: z.V.g.
Wer mit Valentina Tamborini spricht, hat ein Problem. Denn wenn die junge Frau, die im Familienunternehmen nicht nur als Markenbotschafterin agiert, sondern auch als Creator & Developer energiegeladen und temperamentvoll von ihren Projekten spricht, können Journalisten kaum mehr folgen. Rund 40 verschiedene Weine werden gegenwärtig in der Tamborini-Kellerei in Lamone abgefüllt, zehn davon gehören zur neuen Linie Valentina Wine Collection, die zum innovativen Think-Tank im Tessiner Weinbau avanciert ist, vor allem dank Weinen aus pilzwiderstandsfähigen Sorten wie dem Vivi (Johanniter) oder Spezialitäten wie dem Credi, der reinsortige Cabernet Franc ist das erklärte Lieblingsgewächs der Weinmacherin. Und der Merlot? «Natürlich ist auch bei uns der Merlot das Mass der Dinge, und mit unseren Spitzen-Crus wie dem Comano, dem Vigna Vecchia oder dem SanZeno Costamagna prägen wir die Entwicklung der Tessiner Spitzen-Merlots nach Bordelaiser Methode nun schon seit 30 Jahren mit, aber wenn wir auch künftig erfolgreich sein wollen, braucht es neue Ideen», sagt Valentina Tamborini. Vor allem in der Tenuta Vallombrosa in Castelrotto, die seit 2002 der Familie Tamborini gehört, fliessen Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Innovation harmonisch ineinander.
«Das Tessin ist und bleibt Merlot-Land. Und trotzdem: Es braucht neue Ideen.»
Valentina Tamborini
Denn an diesem geschichtsträchtigen Ort hat der Tessiner Politiker und Weinbaupionier Giovanni Rossi im Jahr 1908 die ersten aus Bordeaux importierten Merlot-Stöcke gepflanzt. Es ist quasi der Geburtsort des modernen Tessiner Weinbaus, dem Claudio Tamborini mit der hier zelebrierten Symbiose aus Weinbau, Gastronomie und Kunst eine treffliche Renaissance beschert hat. Und genau darum ist es ein starkes Statement, dass die Tamborinis ab dem Jahr 2014 an diesem Ort zwei Hektar mit pilzresistenten Sorten wie Johanniter, Bronner, Muscaris oder Souvignier Gris bepflanzt haben. Die weisse Cuvée, die hier mitunter angebaut wird, trägt denn auch den programmatischen Namen La Rinascita, die Wiedergeburt. Valentina Tamborini hat sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der von Slow Food gegründeten Universität der Gastronomischen Wissenschaften bei Bra schon intensiv mit den pilzwiderstandsfähigen Sorten befasst. Und sie lässt ihren Worten auch Taten folgen. Mit ihren im Stahltank ausgebauten Piwi-Weissweinen hat sie ein «nachhaltiges Easy Drinking» im Visier.
Es ist ein dynamisches Team, das heute bei Tamborini den Takt vorgibt. Vater Claudio ist der Patron, Valentinas Cousin Mattia Bernardoni der Direktor. Eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung spielt auch Kellermeister Luca Biffi. Valentina Tamborini hatte den ehemaligen Önologen von Castello di Fonterutoli kennengelernt, als sie nach dem Studium im Paradegut der Marchesi Mazzei in der Toskana ein Stage absolvierte. Seit 2015 prägt er nun die Tamborini-Weine. Zu den neuen Vorzeigegewächsen des Hauses gehört auch der Espe N.7 aus der Neuzüchtung Arinarnoa, einer Kreuzung zwischen Tannat und Cabernet Sauvignon. Aus angetrockneten Trauben gekeltert, entsteht ein wuchtiger, aber sehr gut strukturierter Wein. Ein animierender Wein für jeden Tag ist dagegen der Osé, ein Rosé aus Merlot nach dem Vorbild der Provence. Eine Entdeckung ist die High-End-Interpretation dieses Weins. Der Osé d’Hiver reift 15 Monate in neuer französischer Eiche und ist ein zauberhaft vielschichtiger, aber doch delikater Wein.
Unsere Selektion
Vivi 2018
Der reinsortige Johanniter zeigt in der Nase sehr reintönige, edelzarte Noten von Agrumen, Rosenblüten und Muskat. Auch weisse Blüten. Am Gaumen frisch geradlinig und keck. Solide gebaut. Präsente, animierende Säure. Sehr ausgewogen. Edle Salznote im Abgang.
Rosé Osé 2020
Als Inspiration für diesen Merlot-Rosé diente die Provence. Aromen von Wiesenblumen und andere florale Noten, dazu frische rote Beeren, Blutorangen und ein Anflug von Kräuterwürze. Am Gaumen ausgewogen, geprägt von einer fruchtbetonten Fülle. Gehaltvoll und charmant!
Comano 2017
Nördlich von Lugano rund 400 Meter über Meer gereift, betört dieser Merlot mit Aromen von dunklen Waldbeeren, etwas Rumtopf und edlen Röstnoten. Auch Mineralität (Graphit). Am Gaumen kraftvoll, aber sehr ausgewogen. Saftige Säure, vornehme Würze. Langanhaltend.
