Spitzen aus über 100 Weingärten • Unique Wineries of the World – Österreich

Weingut Norbert Bauer, Jetzelsdorf

Fotos: Martin Mathes

Anno 1721 wurde in Rom Michelangelo dei Conti als Innozenz XIII. zum Papst gewählt. Im gleichen Jahr entschloss sich in der Gemeinde Jetzelsdorf, die vor der politischen Wende Ende des 20. Jahrhunderts als «letztes gallisches Dorf» vor der Grenze zu Tschechien bezeichnet wurde, ein Vorfahre der heutigen Winzerfamilie Bauer einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen. Das entsprechende Jubiläum wurde wegen der Covid-19-Pandemie mit einem Jahr Verspätung erst 2022 gefeiert und dabei auch an einen Vorfahren des heutigen Chefs Norbert Bauer gedacht, der im 19. Jahrhundert mit 0,14 Hektar den Weinbau-Start der Familie in die Wege leitete. Nicht unterschlagen wurde, dass ein weiterer Ur-Ahne den Betrieb im Jahr 1862 fast beim Kartenspielen verloren hätte.

Etliche Jahrzehnte wurde gemischte Landwirtschaft betrieben, ehe sich Karl, der Grossvater von Norbert, entschied, auf Weinbau zu setzen, und zwar mit Rotweinsorten, die damals in diesem Teil des nordwestlichen Weinviertels rar waren, aber im Hause Bauer bis zu 90 Prozent der Fläche ausmachten. 1985 übernahm Norbert (Jahrgang 1965) die Verantwortung, heiratete zwei Jahre später die temperamentvolle Gisela aus Parisdorf, die sich voll in den Betrieb einbrachte und nebenbei Mutter von fünf Kindern wurde. Weil das Weingut mit dieser engagierten «Doppelspitze» bestens unterwegs war, wurde 2000 ein neuer Betriebsstandort im 410-Einwohner-Dorf Jetzelsdorf errichtet, gleich mit Potenzial für weiteres Wachstum. Umfangreiche Rebanlagen in der Umgebung sucht man vergeblich. «Unsere Flächen mit etwa 95 Hektar verteilen sich auf rund 100 Weingärten in 16 Gemeinden» erläutert Norbert Bauer. Dafür muss vor allem im Herbst ein riesiger Organisationsaufwand bewältigt werden. «Aber wir haben ein tolles Team», lobt der Chef. Und er hat seit knapp zehn Jahren auch einen Mitarbeiter, der sich schnell Sporen beim Ausbau der Weine erwarb. Junior Willy (30) wusste schon als 16-Jähriger, dass er Winzer werden wollte. Mutter Gisela hat dafür eine passende Kurzbeschreibung: «Er ist ein Mann der Erde, und hat auch die Technik im Griff.»

«Wir bieten Weine mit Kraft, Eleganz, Mineralik und feiner Frucht»

Willy Bauer

Nach Besuch der Weinbauschule Klosterneuburg und diversen Praktika in Deutschland, Österreich, Australien und Kalifornien bei erstklassigen Adressen übernahm der Junior 2016 die volle Verantwortung für die Vinifikation. Der Vater sorgt mit selektiver Ernte für Top-Traubenmaterial, das inzwischen zu 70 Prozent Weiss ist, mit Grüner Veltliner (teilweise von alten Reben) an der Spitze, mit Riesling und Chardonnay als härteste Konkurrenz. Ein längeres Lager auf der Feinhefe trägt zu den Feinheiten der Weine bei. «Ich will Weine mit Kraft, Mineralik und feiner Frucht», nennt Willy seine Zielsetzung. Holz wird bei Rot (Blaufränkisch und Zweigelt sind die Aushängeschilder) sorgsam eingesetzt und sorgt für komplexe, elegante Weine, auch als Cuvée.

Erstaunen macht sich beim Studium der Preisliste breit. Die Weine, teilweise prämiert und mit diversen Auszeichnungen von Wettbewerben versehen, sind erstaunlich günstig zu haben. «Wir wissen eben, woher wir kommen» erklärt Norbert Bauer fast entschuldigend.

Unsere Selektion

2022 Grüner Veltliner Retzer Stein Ried

Holzweg Reserve

Klassischer Veltliner, als Fassmuster verkostet. Goldfarben, mit einem Hauch Pfeffer im Aroma: elegant, vielschichtig, etwas cremige Note, hat Tiefgang und sehr gutes Potenzial.

 

2019 Cabernet Franc Ried Hasenecken

Ein etwas geheimes rotes Aushängeschild im Sortiment; feiner Duft nach Waldbeeren im Aroma; elegant, viel Tiefgang, vielschichtig, stattliche Länge im Abgang, hat noch Potenzial.

 

2023 Mischsatz vom Alten Weingarten

Weissburgunder, Scheurebe, Traminer und ­Chardonnay gingen hier eine gelungene Partnerschaft ein zu einem vielversprechenden, gehaltvollen Wein mit Pfeffer und Kräutern in der Nase, eleganten Facetten, straff, guter Länge.