Legendäre Weingärten und bedeutende Weine • Unique Wineries of the World – Österreich
Weingut Mayer am Pfarrplatz & Rotes Haus, Wien
Fotos: Steve Haider, Herbert Lehmann, z.V.g.
Wo anfangen? Im 17. Jahrhundert, als in dem Haus am Pfarrplatz schon Wein gekeltert wurde? Oder 1945, als der gerade 16-jährige Franz Mayer in den Weinbaubetrieb des Vaters in Grinzing einstieg und in den folgenden Jahrzehnten zum Doyen und Qualitätsvorbild des Wiener Weinbaus avancierte? Oder 2001, als der im Werbegeschäft erfolgreich gewesene Kärntner Hans Schmid (Jahrgang 1940) sich in die tolle Aussicht einer Weinlage mit einem roten Haus verliebte, die Flur kaufte und sie von einem Profi bewirtschaften liess? Oder 2006, als er dem 78-jährigen Franz den Verkauf seines Weingutes schmackhaft machte und es mit seinem kleineren Betrieb zusammenlegte?
«Topweinlagen in einer Weltstadt wie Wien bewirtschaften zu dürfen, ist ein Privileg.»
Gerhard J. Lobner
26 Hektar waren es damals, doch Schmid setzte auf Wachstum, holte sich mit Gerhard J. Lobner bald darauf einen Profi aus einem Weinvierteler Familienbetrieb zunächst als Aussenbetriebsleiter und dann als Chef ins Haus. Der inzwischen 46-Jährige konnte 2013 in einem Gelände im 19. Bezirk in Donaunähe einen neuen Keller mit Vinothek eröffnen und zudem verwilderte Weingärten, die übernommen wurden, rekultivieren. Gezielt wurde auch erfolgreich nach guten, gepflegten Rieden Ausschau gehalten, die geeignet waren für die besondere Spezialität beider Häuser: Wiener Gemischter Satz. Ausserdem liess sich der Investor und Weinfan Schmid (auch in der Wachau und im Stift Göttweig, Kremstal engagiert) noch die Sanierung des fünf Kilometer von der Kellerei entfernten Traditionshauses Mayer am Pfarrplatz zum behaglichen Heurigen einiges kosten.
Weinstile mit geteilter Herkunft, doch individuellem Profil
Die beiden Betriebe haben Gehard J. Lobner als Chef, mit dem gebürtigen Rumänen Dr. Dragos Pavelescu, 41, einen ambitionierten Önologen und mit dem unermüdlichen Hans Schmid einen Eigentümer. Ausserdem verfügen sie mit über 50 Prozent auf den rund 70 Hektar über einen stattlichen Anteil Gemischter Satz. Die Weinstile unterscheiden sich trotz teilweise gleicher Herkunft deutlich. Man sieht es schon an den Flaschen. Die Flaschen des Stammhauses Mayer am Pfarrplatz sind schlanker und deuten damit schon an, dass auch die Weine keine Kraftmeier sind. Das deutlich kleinere Sortiment vom Roten Haus präsentiert sich in typischen Burgunderflaschen. Der geschmackliche Unterschied erklärt sich beim Gemischten Satz schon durch den Ausbau in Stahltanks und die unterschiedliche Sortenzusammensetzung. Grüner Veltliner, Riesling, Zierfandler, Rotgipfler, Traminer und einige andere Varietäten stehen bei Mayer am Pfarrplatz Pate. Grosse Holzfässer mit Weissburgunder, Grauburgunder, Neuburger, Chardonnay und Traminer sind beim Roten Haus im Spiel. Das sorgt für Fülle, gezügelte Kraft und burgundische Facetten.
Qualitativ befinden sich die beiden Stilrichtungen auf Augenhöhe, schliesslich hat der Betrieb Besitz in Wiener Toplagen wie Nussberg, Alsegg, Schenkenberg, Hernals, Preussen- Nussberg und Langteufel-Nussberg, aus denen man das Optimum herausholt, auch bei klassischen Sortenweinen wie Riesling, Grüner Veltliner, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Pinot Noir. Eigentümer Hans Schmid hat alles gekonnt zusammengeschmiedet.
Unsere Selektion
Mayer am Pfarrplatz – Wiener Gemischter Satz DAC 1ÖTW Ried Langteufel-Nussberg 2020
Die Riede wurde von den Traditionsweingütern als erstklassige Flur eingestuft. Im Glas ist ein Klassiker mit anspringender, animierender Würze im Aroma, knackiger, rassiger Note im Geschmack (der Riesling drängt sich vor), einem sanften Druck und tollem Trinkfluss.
Rotes Haus – Wiener Gemischter Satz DAC 1ÖTW Ried Langteufel-Nussberg 2020
Feine Kräuterwürze, etwas Vanille, ein Hauch Brioche im Aroma; im Geschmack ausgewogene Fülle, zarter Schmelz mit angenehm cremiger Note, vielschichtig; stattliche Länge im Abgang, wunderbarer Begleiter zum Wiener Schnitzel und zu Blutwurst.
Riesling Ried Alsegg-Hernals 2020
Wein aus einer uralten, schon im 11. Jahrhundert erwähnten Hanglage mit acht Hektar. Klare, vielversprechende mineralische Noten im Duft, die sich im Geschmack fortsetzen; straff, fordernd, vielschichtig, ein Riesling mit Pfiff, der Appetit auf das zweite Glas macht.