Familien-Weingut aus dem Bilderbuch • Unique Wineries of the World – Österreich
Johanneshof Reinisch, Tattendorf
Fotos: z.V.g., Herbert Lehmann, Julius Hirtzberger
Auf einem Bild im Barrique-Keller wacht er mit zufriedenem Lächeln über das, was hier heranreift. Johann Reinisch (1952 – 2009) hatte seit 1972 aus einem Landwirtschaftsbetrieb ein bedeutendes Weingut geformt, ehe ein tragischer Traktor-Unfall im Weingarten seinem Leben ein Ende setzte. Aber die Nachfolge war gesichert. Die drei Söhne Hannes (Jahrgang 1975), Christian (1981) und Michael (1983) teilen sich zwar die Arbeit offiziell auf. «Aber jeder von uns ist überall einsetzbar », erzählt Michael Reinisch. Und wenn es um die Weinqualität geht, dann hat Mutter Veronika bei Diskussionen stets das letzte Wort. Der 1995 fertiggestellte, stattliche Johanneshof, den man aus Richtung Wien schon etwas vor dem Weinort Tattendorf inmitten von Reben erreicht, ist ein Familien-Weingut aus dem Bilderbuch. Und bleibt das auch: Denn die nächste Generation, die Söhne von Hannes, Sebastian und Thomas, haben 2021 mit ihrer knackigen weissen Cuvée First schon gezeigt, dass sie das Wein-Handwerk verstehen.
«Wir verwenden unsere ganze Kraft darauf, Wein mit Individualität und klarem Profil zu machen.»
Hannes, Christian und Michael Reinisch
Hier ist mit Cabernet Blanc eine Piwi-Sorte im Spiel, das ist ein zarter Hinweis auf das wichtige Thema Bio. Gestartet wurde damit bereits 2004. Neun Jahre später war die Zertifizierung für alle 40 Hektar auf den Gemarkungen von Tattendorf und Gumpoldskirchen (zehn Hektar) abgeschlossen. Nicht überraschend, dass die umweltbewusste Familie 90 Prozent ihres Stromverbrauchs durch eine eigene Photovoltaikanlage deckt. Bei den Weinen steht man gewissermassen auch unter Strom. Dafür sorgt schon das pannonische Klima mit heissem Sommer, trockenem Herbst und rund 1800 Sonnenstunden im Jahr, gepaart mit einem exzellenten Terroir.
Alles das trägt zu einem stattlichen Niveau der Weine bei. Zwei autochthone Klassiker der Thermenregion sind besondere Spezialitäten: der spät reifende Zierfandler, auch Spätrot genannt, durch eine rötliche Verfärbung der Trauben und der Rotgipfler. Beide ergeben gehaltvolle, eigenständige Weissweine, die sich aber auch in einer Cuvée hervorragend ergänzen und als Gumpoldskirchen S fast zum Niederknien anregen. Auch Spitze sind die gereifteren Solisten aus den Monopollagen Spiegel (Zierfandler) und Satzing (Rotgipfler). Chardonnay ist als preiswerter Basiswein und als enorm dichter, zart von Holz geküsster Wein von der hoch gelegenen Ried Kästenbaum eine gute Ergänzung zum autochthonen Duo.
Damit sind wir bei den Rotweinen angelangt, die rund 60 Prozent Flächenanteil haben. Einen St. Laurent von alten Reben aus der Riede Frauenfeld hat Weinkritiker René Gabriel schon wegen seines «endlosen Finales» als besten der Welt bezeichnet. Die Reinisch- Brüder können hier verschiedene Versionen vorweisen, die allesamt überzeugen. Das gilt ebenso für den Pinot Noir. Der 2020er ist ein preiswerter, saftiger, mineralischer Einsteiger. Knapp 50 Jahre alt sind die Reben aus der Ried Holzspur. Sie liefern einen komplexen, bedeutenden Wein, der ebenso länger reifen durfte wie der vornehme 2017er Ried Kästenbaum. Bei solchen Weinen kann Vater Johann auf Wolke sieben stolz auf seine Buben sein.
Unsere Selektion
Gumpoldskirchner Tradition 2021
Die traditionelle Cuvée der Thermenregion mit zarter, unmerklich eingebundener Frucht. Feiner Kräuterduft; saftig, elegante Facetten, viel Spiel und feine, anregende Säure. Die Freude am Genuss verstärkt sich noch durch den sympathischen Preis von 8,90 Euro.
Pinot Noir Grillenhügel 2019
Wein aus verschiedenen Gumpoldskirchner Rieden. Rund 14 Monate Reifung in gebrauchten Holzfässern sorgte für eine zarte Holznote im Aroma, gepaart mit beeriger Frucht. Im Geschmack betonte Mineralik, fest strukturiert, zugleich zartgliedrig und vielschichtig.
St. Laurent Ried Holzspur 2018
Hier wurden die Möglichkeiten von 1956 gepflanzten Reben optimal ausgereizt. Mineralischer, feiner Einstieg im Aroma, im Geschmack komplex, vielschichtig, getragen von reifen Tanninen, endlos lang im Abgang, mit stimmigen, angenehmen 13 «Volt».