Unique Wineries of the World – Deutschland
Weingut Hans Wirsching
Text: Rudi Knoll, Fotos: z.V.g.
Aus Iphofen hinaus in die weite Welt
Was haben Papst Johannes Paul II., der 42. US-Präsident Bill Clinton und der König der Niederlande, Willem- Alexander, und seine Gattin Máxima gemeinsam? Sie alle konnten schon mal bei unterschiedlichen Gelegenheiten Wein aus dem Hause Wirsching geniessen. Beim Papst avancierte der Frankenwein sogar zum Messwein, weil in Rom der Kelch auf dem Altar umfiel und einige fränkische Geschenkflaschen in Reichweite waren. Der Heilige Vater soll den Rest aus dem Bocksbeutel am Abend genossen haben. Anlässlich der Krönung von Prinz Willem-Alexander in den Niederlanden im Jahr 2013 wurde ein offizieller Koningswijn aus Iphofen kreiert, ein 2012er Riesling.
Über diese Ereignisse kann die Chefin des Hauses, Andrea Wirsching, im Rückblick immer noch strahlen. Denn sie zeigen auf, dass das Weingut im beschaulichen Iphofen mit seiner mittelalterlichen, gut erhaltenen Stadtmauer weltoffen ist und international wahrgenommen wird. Begonnen wurde der Weinbau 1630, ausgerechnet in der Zeit des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648). Aber die Vorgänger der Familie konnten immer schon gut mit schwierigen Umständen umgehen. Das zeigte sich nach dem Ersten Weltkrieg, als Hans Wirsching, der Grossvater der heutigen Chefin Andrea, durch individuelle Pflege des übrig gebliebenen Rebbestandes, einer konsequenten Qualitätspolitik und geschickten Zukauf von Fläche das Weingut wieder aufblühen liess.
«Unsere Weine haben ein riesiges Reifepotenzial und überraschen auch nach etlichen Jahren mit enormer Frische.»
Andrea Wirsching
Seine Söhne Hans (gestorben 1990) und Dr. Heinrich Wirsching setzten seine erfolgreiche Arbeit ambitioniert fort. Der heute 87-jährige Heinrich Wirsching, ein Wein-Gentleman aus dem Bilderbuch, schaut noch täglich im Betrieb nach dem Rechten und ist glücklich über die Entwicklung der letzten Jahre. Der für die Weinqualität verantwortliche Dr. Peter Heigel, früher selbst Chef eines fränkischen Weingutes, holt aus den Iphöfer Steillagen Julius-Echter- Berg, Kronsberg und Kalb mit sorgfältiger, umweltschonender Pflege der Reben das Optimum heraus. Nach Lese per Hand werden die Weissweine im Edelstahl und im grossen Holzfass ausgebaut, ein kleiner Teil darf in Barriques reifen.
Der Silvaner ist zwar mit knapp 40 Prozent Flächenanteil führend und ein Liebling von Andrea Wirsching («Er ist stark, aber nicht laut, hat ein feines, zurückhaltendes Bouquet und einen kraftvollen Geschmack»). Aber auch mit betont mineralischem Riesling, der feinaromatischen Scheurebe, der gehaltvollen Burgunderfamilie in Weiss und Rot sowie Traminer kann das Weingut auf breiter Front überzeugen. In den letzten Jahren wurde der Verkaufsrhythmus geändert. Die besten Weine kommen erst nach zwei oder sogar drei Jahren auf den Markt. Sie sind dann zwar schon ein Hochgenuss, haben aber das Reife-Potenzial für zehn und mehr Jahre. Um das zu beweisen, greift die Chefin gelegentlich in die gut gefüllte Schatzkammer oder in eine Art unsortierte «Rumpelkammer». Da kann sich herausstellen, dass ein scheinbar schlichter Silvaner oder sogar ein über 40-jähriger Müller-Thurgau immer noch schmecken.
Drei Spitzenweine
2017 Iphöfer Julius-Echter-Berg Riesling
Grosses Gewächs
Die Lage, benannt nach dem einstigen Fürstbischof von Würzburg, ist ein Aushängeschild des Hauses. Feine Mineralische Elemente kitzeln die Nase; im Geschmack sanfter Druck, rassige, vibrierende, aber gut verpackte Säure, sehr komplex; tolles Potenzial für Jahrzehnte.
2018 Iphöfer Kronsberg Weissburgunder
Alte Reben Erste Lage
Die Burgunder des Hauses sind immer für eine Geschmacksüberraschung gut. Der Wein aus der Steillage Kronsberg kann lange ausreifen und entwickelt dabei eine animierende Kräuterwürze im Aroma und im Geschmack, dazu straff, fordernd, mit viel Tiefgang und Länge.
2018 Iphöfer Kammer Silvaner
Grosses Gewächs
Kammer ist ein neu ausgesuchtes Filetstück in der Lage Kronsberg. Hier ist ein förmlich genialer Silvaner mit klarer, animierender Würze und etwas Pfeffer im Aroma möglich. Im Geschmack kühle Eleganz, anregend, gleichzeitig aufregend, mit feiner Säure und Ausdauer.