Die Seele des Terroirs
Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien
Text: Nicole Harreisser, Foto: Maria Zambrini
Die Liebe zur Region Bierzo gab den Ausschlag für Andrea Mufatto und Gerardo Michelini, sich auf die Suche nach alten, vielversprechenden Weinbergen zu machen und neben ihren Weingütern in Argentinien und Uruguay auch hier ein Weinprojekt zu starten.
Weinbau ist in der Familie der Michelinis fest verankert. Die vier Brüder Gerardo, Matias, Gabriel und Juan Pablo führen gemeinsam das biodynamische Weingut SuperUco in Argentinien, das für die weitverzweigte Familie auch als eine Art Weinbauschule fungiert. Viele Familienmitglieder sind eng mit dem Weinbau verbunden und lernen dort das Handwerk von der Pike auf. Jeder der Brüder verfolgt zudem auch ein eigenes Weinbauprojekt. Gerardo führt zusammen mit seiner Frau Andrea Mufatto und Sohn Manuel «Manu» Michelini insgesamt drei Weingüter in drei Ländern: in Argentinien, in Uruguay und Spanien. Das jüngste Projekt ist das Weingut im spanischen Bierzo. Aufmerksam auf die Region mit ihren spannenden Weinen wurden Andrea und Gerardo durch den Besuch vom bekannten spanischen Weinmacher César Márquez, der im Jahr 2015 ins Uco-Tal kam, um dort eine Ernte mitzuerleben. Im selben Jahr kamen Andrea und Gerardo erstmals auf Einladung von César nach Bierzo, und die hügelige Region nahm sie sofort gefangen.
Das erste Fass
Begeistert von den alten, teils noch aus Prä-Phylloxera Zeiten stammenden Rebstöcken, die die beiden in den teils vergessenen Gebieten von Ponferrada wie Valdecañada und Ozuela fanden, wagten die beiden einen ersten Versuch. Sie erkannten das grosse Potenzial der alten Rebstöcke, insbesondere der Sorte Mencía. Im ersten Schritt kelterte Andrea im Jahr 2015 ein erstes Fass, um zu sehen, ob der Wein ihren Ansprüchen gerecht werden kann. Natürlich stand ihr Gerardo zur Seite, aber Andrea ist die eigentliche Weinmacherin. Für sie steht der Ausdruck, die Seele des jeweiligen Terroirs im Fokus. Und bereits nach wenigen Monaten im Fass erreichte sie der Anruf von César: «Euer Wein ist wirklich gut, daran solltet ihr anknüpfen.» So reisten sie erneut nach Spanien, um sich selbst ein Bild von ihrem Wein zu machen. Der Wein überzeugte sie von ihrer Idee, und sie wagten das Abenteuer. Nach mehreren weiteren Besuchen starteten sie 2016 mit dem ersten «seriösen» Wein, der unmittelbar Weinliebhaber und Kritiker begeisterte. Als ersten Weinberg konnten sie bereits 2015 Encrucijada kaufen. Die Weine sind unverfälscht und beeindrucken mit viel Frische, Eleganz und grossartigem Terroircharakter.
Heute werden charaktervolle, harmonische, angenehm fordernde Weine aus den typischen Rebsorten der Region Bierzo – Mencía, Godello, Palomino, Merenzao, Brancellao, Garnacha Tintorera (Alicante Bouschet) und Doña Blanca – hergestellt. Bei der Wahl der Rebberge legen Andrea und Gerardo besonderen Wert auf altes Rebmaterial mit grossem Potenzial, das die Ausgangsbasis für die strukturierten und finessenreichen Weine ist. Zum Teil sind die Rebberge im Eigenbesitz, bei den zugekauften Trauben arbeitet man sehr eng mit den Rebbauern zusammen, um die gewünschten Qualitäten zu erhalten. Die Reben sind zwischen 80 und 100 Jahren alt. Die Böden sind geprägt von Schiefer und Ton und werden nach biologischen und biodynamischen Grundsätzen ausschliesslich von Hand bearbeitet. Die steilen Hügel sind nach Norden ausgerichtet und liegen rings um die pittoreske Stadt Ponferrada, deren Wahrzeichen die beeindruckende, aus dem Mittelalter stammende Templerburg ist. Mehr und mehr ist die Ausrichtung der Weinberge nach Norden wegen der steigenden Temperaturen von Vorteil, um eine knackige Frische in den Weinen zu bewahren. Das kühle Klima ist unabdingbare Voraussetzung für die Frische der Weine. Bei der Bereitung der Rotweine wird zusätzlich zur Bewahrung der Frische ein kleiner Teil Weissweintrauben verwendet. Aber keine Regel ohne Ausnahme: A Merced, der Villagewein aus San Lorenzo, wird ausschliesslich aus Rotweintrauben, Mencía und Garnacha Tintorera, bereitet. Die Weine der Familie lassen sich in drei Gruppen einteilen: die Gutsweine, deren Trauben aus verschiedenen Teilen der DO Bierzo kommen wie der En el Camino, dessen Trauben von Lagen entlang des Camino di Santiago stammen. Die Orts- oder Villageweine wie der A Merced, deren Trauben aus einem Ort der DO, zum Beispiel San Lorenzo im Süden von Ponferrada gelegen, stammen. Dieser Wein gibt für Andrea am stärksten die Typizität des Bierzo wieder.
«Wir machen Weine, die die Seele eines jeden Terroirs widerspiegeln. Das ist unsere Vision.»
Zuletzt noch die Parzellenweine wie der Encinado mit Trauben aus einer einzigen Parzelle der DO. Die Rebberge, die teils aus alten, vergessenen Anlagen bestehen und reaktiviert wurden, befinden sich in unterschiedlichen Höhenlagen, bis hinauf zu 750 Metern über Meer. In der Weinbereitung folgt Andrea den traditionellen Wegen: Ein Teil der Trauben wird mit den Stielen, also als Ganztrauben verwendet, der weitere Teil wird entrappt. Vergoren wird ausschliesslich mit eigenen Hefen, und der Ausbau erfolgt je nach Wein und Lage in unterschiedlich grossen Fässern und Amphoren. Bei der Wahl der Fassgrössen und des Alters des Fasses, Zweit- oder Drittbelegung, ist es für Andrea von grosser Bedeutung, dem Wein das bestmögliche Material für eine optimale Reifung zu geben. Zum Einsatz kommen immer ausgewählte Fässer von hochwertigen Küfereien. Jeder Wein bekommt die benötigte Zeit und Aufmerksamkeit, um zu seiner eigenen, charaktervollen Vollendung zu reifen. Teils werden verschiedene Arten des Ausbaus miteinander verbunden, ein Teil des Weins wird im Stahl ausgebaut, der weitere Teil in grossen Fässern, die «Cuba» genannt werden. So findet man als Weingeniesser in jedem Glas den Ausdruck der Region, die Seele des Terroirs wieder. Die gesamte Familie schenkt in der Weinbereitung ihre ganze Aufmerksamkeit den Details, um diesen hohen Anspruch zu gewährleisten. Das Ziel sind strukturierte, ausdrucksstarke Weine, die weniger durch ihre Fruchtigkeit als durch Eleganz und Charakter beeindrucken. In der Ortschaft Toral de Merayo wurde ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert als Weinkellerei umgebaut. Es beherbergt das Weingut.
Die Reise geht weiter
Stillstand gibt es für die Familie Michelini i Mufatto nicht. Sohn Manu, der während seiner Ausbildung auch Erfahrungen im Burgund sammelte, hat bei seinen Reisen nach Bierzo in den vergangenen Jahren sein Herz an die Rioja Alavesa verloren. Mit seinem eigenen Projekt Dominio del Challao macht er in Labastida bereits seine eigenen Weine, die ganz im Zeichen der Familienphilosophie stehen.
Weine im Clubpaket
En el Camino 2021
DO Bierzo
2024 bis 2030
Kräuterwürziger Duft, saftig am Gaumen, dunkle Kirsche, mundfüllend, pikant mit schwarzer Pfeffernote und etwas Veilchen. Präsente, integrierte Säure und packende Mineralität.
Mariage: zu kräftigem Grillfleisch, Cachopo (paniertes Steak gefüllt mit Jamon Serrano, Cecina und Käse)
A Merced 2020
DO Bierzo
2024 bis 2035
Dicht gewoben in der Nase mit winterlichen Gewürzen und dunkler Frucht, am Gaumen lebendig und verführerisch. Samtige Tannine begeistern und bringen den eleganten Wein zum Vibrieren.
Mariage: ein Festtagswein zu Kalbs- und Wildgerichten und für genussvolle Stunden am Kaminfeuer.
El Rapolao 2020
DO Bierzo
2024 bis 2045
Konzentrierte Aromatik, dunkle, einge-legte Frucht, etwas Rosenblätter, mediterrane Kräuter, erdige Noten und etwas Moschus. Am Gaumen seidig mit jugendlichen Tanninen und pikanter Säure. Vibrierend.
Mariage: zu gegrilltem Gemüse mit Hummus oder Kalbfleisch mit cremiger Sauce.