Französischer Esprit am Duoro
Quinta do Pessegueiro, Ervedosa do Duoro
Text: Thomas Vaterlaus, Foto: www.numo.pt
Trotz Klimaerwärmung haben die roten Douroweine in den letzten Jahren deutlich an Eleganz gewonnen. Zu den Vorreitern dieser Entwicklung gehört die Quinta do Pessegueiro. Sie vereint französisches Savoir-vivre und innovatives Douro-Weinbau-Knowhow.
Schon mal etwas von der Rebsorte Tinta da Barca gehört? Das Gewächs taucht bisher noch kaum auf, wenn von Toprotweinen aus dem Douro-Tal die Rede ist. Denn in den letzten 40 Jahren dominierten hier die sogenannten «grossen Fünf», wie die Leitsorten Touriga Nacional, Touriga Franca, Tinta Roriz, Tinta Barocca und Tinto Cão genannt werden. Erst in letzter Zeit besinnen sich die Weinmacher wieder auf den historischen Schatz an alten Sorten im Tal, der je nach Quelle immer noch 40, 60 oder gar über 100 Gewächse umfasst. Und sie experimentieren auch zunehmend mit Sorten, die in anderen portugiesischen Regionen für Furore gesorgt haben. So hat der in seiner quirligen Art hochengagierte João Cabral Nicolau de Almeida, der in der Quinta do Pessegueiro für An- und Ausbau der Weine verantwortlich ist, mit dem Jahrgang 2018 erstmals eine limitierte Assemblage aus den beiden Sorten Tinta da Barca und Alicante Bouschet auf die Flasche gebracht. Bei der ersteren handelt es sich um eine alteingesessene, aber fast vergessene Douro-Sorte, die letztere gilt heute vor allem im Alentejo als Garant für Topweine. Zwar liegt das Alentejo rund 350 Kilometer südlich vom Douro, doch beide Regionen galten schon vor dem Einsetzen der viel zitierten Klimaerwärmung als ausgesprochen warm. Darum sind vermehrt hitzeresistente Sorten gefragt. Und tatsächlich zeigt sich der Tinta da Barca & Alicante Bouschet als überraschend straff, elegant und trinkig. Zu dieser Stilistik trägt auch die Vinifikation bei. In althergebrachten Granit-Lagares eingemaischt, vergärt der Wein mit rebbergseigenen Naturhefen und wird danach in ovalen Zementfässern ausgebaut.
«Jede Generation muss ihr Tun in Rebberg und Keller stets von neuem hinterfragen.»
Dass João Cabral Nicolau de Almeida neue Akzente im Douro-Tal setzt, ist keine Überraschung. Schliesslich kommt der heute 41-Jährige aus einer Dynastie von Önologen und Weinmachern, die den Weinbau am Douro in den letzten 60 Jahren so geprägt hat wie keine andere. So war sein Grossvater, Fernando Moreira Pais Nicolau de Almeida, der Schöpfer des Barca Velha, des ersten roten Ikonen-Tafelweins am Douro. Und sein Vater, der ebenfalls João Nicolau de Almeida heisst, gilt als der Erfinder des modernen Weinbaus am Douro. Zuerst als Bassist einer Rockband erfolgreich, studierte er in den 70er Jahren Weinbau in Bordeaux bei Émile Peynaud und Pascal Ribérau-Gayon und selektionierte mit wissenschaftlichem Ansatz schliesslich ab 1975 eben jene fünf Sorten, die fortan am Douro dominierten. Zudem bepflanzte er Parzellen strikt sortenrein und führte moderne Vinifikationstechnik ein. Für viele gilt er als der grösste Erneuerer im Douro-Tal, seit ein gewisser Marquês de Pombal, seines Zeichens erster Minister Portugals, im Jahr 1756 per Dekret hier das erste Weinbaugebiet mit kontrollierter Ursprungsbezeichung schuf. Die von João Nicolau de Almeida senior lancierte Neuausrichtung des Weinbaus im Douro-Tal führte ab den 80er Jahren zu eklatanten Qualitätsverbesserungen, besonders im Bereich der roten Tafelweine. Dass sein Sohn heute im Rebberg und im Keller seinen eigenen Weg geht, ist ganz im Sinne des Doyen der Douro-Weinszene. «Jede Generation muss ihr Tun in Rebberg und Keller stets von neuem hinterfragen und nicht einfach starren Regeln folgen. Denn was vor 30 Jahren vielleicht gut und richtig war, ist es heute nur noch bedingt», sagte er einst in einem VINUM-Interview.
Die Geschichte der Quinta do Pessegueiro begann Anfang der 90er Jahre. Der französische Textilhersteller Roger Zannier war zu jener Zeit häufig in Portugal und verliebte sich in das Douro-Tal, genauer gesagt in das Herzstück, den Cima Corgo, der dann, zehn Jahre später, in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Nur wenige Kilometer flussaufwärts von Pinhão, auf der anderen Seite des Douro-Flusses kaufte er Land, das damals mehrheitlich mit Pfirsich-Bäumen bepflanzt war, und startete sein Projekt. Der heute 77-Jährige ist ein klassischer Selfmade-Unternehmer. Der Sohn eines italienischen Steinmetzen begründete sein Business südwestlich von Lyon zusammen mit seiner Schwester. Was mit zwei Nähmaschinen begann, entwickelte sich zu einem Big Player für Kindermode. Um die Jahrtausendwende beschäftigte die Zannier-Gruppe über 3500 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von nahezu 600 Millionen Euro jährlich. 2017 verkaufte Roger Zannier sein Imperium, um sich ganz auf seine Aktivitäten im Bereich Hotellerie, Gastronomie, Gourmet-Produkte und Wein zu konzentrieren.
Tradition trifft Hightech
Seine Quinta am Douro hatte er schon seit 1991 kontinuierlich zu einem Spitzenweingut geformt. Eine zentrale Rolle spielt dabei der für die Ernte 2010 fertiggestellte Kellerei-Neubau, ein schlicht gehaltener, moderner Bau aus Beton und Glas, konsequent für die Produktion von Topweinen konzipiert. Über fünf Ebenen angelegt, müssen Maische und Wein nicht gepumpt werden, sondern durchlaufen die Vinifikation ausschliesslich nach dem Gravitationsprinzip. Besonders innovativ ist der Mix aus Hightech-Equipment, etwa für die Kaltmazeration vor der Gärung, und traditionellen Einrichtungen, wie den Lagares. In diesen offenen Becken aus Granitstein, die im Gegensatz zu früher temperaturgesteuert sind, werden die Trauben wie früher durch blosses Treten mit den Füssen sehr schonend eingemaischt, ein zentraler Faktor, um ausgewogene Weine mit Schmelz und Souplesse herzustellen. Auch im Ausbau werden hier alle Register gezogen. So kommen nebst unterschiedlich grossen Fässern (225 bis 600 Liter) aus französischer, österreichischer und deutscher Eiche auch zunehmend ovale Betontanks zum Einsatz, um den Fruchtcharakter der Crus unverfälscht in die Flaschen zu bringen. 60 Prozent der Weinberge, die sich verteilt auf drei Lagen nahe der Kellerei im Cima Corgo befinden, werden nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Mittelfristig strebt die Quinta eine Bio-Zertifizierung an. Als Direktor der innovativ geführten Quinta amtiert seit vielen Jahren Marc Monrose, der Schwiegersohn von Roger Zannier. Dessen familiäre Wurzeln führen übrigens ins Burgund. Vielleicht auch mit ein Grund dafür, dass die Weine mehr zur Eleganz und weniger zur Opulenz tendieren. Wie stark die Familie mit dem Douro verbunden ist, beweist die Tatsache, dass Zannier nahe der Kellerei ein typisches Douro-Herrenhaus wieder aufbauen liess.
Weine im Clubpaket
Aluzé 2016 Cima Corgo, Douro
2022 bis 2025
Dunkle Frucht, dazu schwarze Oliven und ein Anflug erdiger Randen und saftigen Bauernbrots. Am Gaumen sehr trinkig, mit gutem Zug. Zeigt trotz seiner dunkelfruchtigen Eleganz einen animierenden, fast «kitzelnden» Biss. Getragen von einer saftigen Säure.
Mariage: Tapas, Pasteten, Pasta, auch mit vegetarischen Saucen
Tinto 2017 Cima Corgo, Douro
2022 bis 2028
Verführerische Aromen von frischen Beeren, dazu Lakritz, sowie Teer und Rauch. Am Gaumen dunkle Beerenfrucht mit delikater Bitternote. Hat Zug, Struktur und einen soliden Körper. Wirkt noch jung, aber dennoch komplex und dank seiner Balance sehr trinkig.
Mariage: Lamm, Nieren, gebratenes Gemüse, Chili con Carne, Pot au Feu
Tinta da Barca & Alicante Bouschet 2019 Cima Corgo, Douro
2022 bis 2028
Ein Anflug von Blüten, Schwarze Johannisbeeren, Brombeeren, Backpflaumen sowie Garrigue-Kräuter. Auch am Gaumen viel kühl anmutende Beerenfrucht. Straffe, perfekt ausbalancierte Tanninstruktur. Vollmundig, mit seidig-elegantem Abgang.
Mariage: Fleischgerichte, auch Lamm oder Saté. Pasta mit Pilzragout