Cantina il Cavaliere, Contone – Gambarogno

Unweit des Lago Maggiore, im Sopraceneri, spielt eine Rebsorte die unumstrittene Hauptrolle: Merlot, der König des Tessins. Auch für die Familie Belossi steht der Merlot an erster Stelle, wenn sich auch einige Königskinder um ihn versammelt haben.

Im Tessin, der zweitkleinsten Weinbauregion der Schweiz, geht ohne Merlot gar nichts. Mehr als 80 Prozent der gesamten Rebfläche von 1122 Hektar sind mit Merlot bestockt. Der grösste Teil der auf rund 897 Hektar wachsenden Merlottrauben wird als Rotwein vinifiziert, der Anteil an Merlot Bianco ist gering, aber stetig zunehmend. Der ursprünglich aus dem Gebiet Bordeaux stammende Merlot fand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Tessin seine zweite Heimat. Dank des milden, mediterran beeinflussten Klimas zeigt er sich facettenreich mit ausdrucksstarken Weinen, die nicht mehr nur regional nachgefragt werden. Seine Fans nennen ihn liebevoll «König des Tessins».

Tief verwurzelt in der Region ist die Familie Belossi, die seit fünf Generation in Contone ansässig ist. Den landwirtschaftlichen Betrieb begründet hat Pietro, der Urgrossvater des heutigen Inhabers Roberto Belossi. In den Anfängen noch rein auf Landwirtschaft ausgerichtet, begann Grossvater Aurelio mit den ersten Reben, von denen er einen Wein für die Familie kelterte. Ihm, der 1899 geboren wurde, ist heute der Merlot Reserva Aurelio 1899 gewidmet, ein eleganter, vielschichtiger Wein, der in französischen Barriques seine Vollendung findet. Jede der Generationen strebte und strebt danach, der nachfolgenden die besten Voraussetzungen für die Zukunft zu geben. Sie folgen den Traditionen und sind gleichzeitig innovativen Techniken und Verfahren aufgeschlossen.

Als Roberto 1998 den Betrieb von seinem Vater übernahm, konnte er seine Vorstellungen verwirklichen und auf reinen Weinbau umstellen. Alle Flächen wurden gerodet, nur die bereits mit Rebstöcken bepflanzten Flächen wurden erhalten. So stehen heute noch knorrige, alte Rebstöcke im Ertrag, die mehr als 60 Jahre alt sind. Ihr Potenzial galt und gilt es zu bewahren, denn die Intensität ihrer Trauben gibt den Weinen Kraft und Struktur, wenngleich sie nur noch einen geringen Ertrag liefern.

Im Einklang mit der Natur

Das heutige Weingut liegt an der Via Cantonale, die von Bellinzona nach Magadino an den Lago Maggiore führt. Das Gebäude ist ringsherum von Reben umgeben. Das Haus ziert neben dem markanten Schriftzug «Il Cavaliere» mit dem Malteserkreuz auch eine eindrucksvolle Marienfigur. Mit dem Namen «Il Cavaliere», zu Deutsch «Ritter», wollte Roberto der Historie der Region Rechnung tragen, denn die Komturei Contone ist ein historischer Sitz des Malteserordens. Die Verbundenheit und Treue zum Land spielen ein grosse Rolle, die das Malteserkreuz auch im Logo des Weinguts symbolisiert. Auch heute wird der Bedeutung der Malteser noch Rechnung getragen. Diese hatten den Bewohnern des Dorfes medizinische Hilfe geboten und zum Dank dafür landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Polenta und Früchte erhalten, bevor sie sich weiter auf den langen Weg ihrer Pilgerreise begaben. Heute erinnert das grosse Fest «Spada Nella Rocco» in Bellinzona, das jeweils im Juni stattfindet, noch an diese alten Traditionen.

Insgesamt bewirtschaftet die Familie Belossi sieben Hektar eigene Rebflächen. Diese sind zu 80 Prozent mit Merlot bepflanzt, dazu kommen Gamaret, Garanoir, Galotta und die Neuzüchtung VB 91-26-26 sowie der 2014 neu gepflanzte Ferradou als Rotweinsorten. Chardonnay, Doral und Sauvignon Blanc liefern die Trauben für die Weissweine. Insgesamt werden 14 Weine vom einfachen Tischwein bis hin zu eleganten und edlen Weinen höchster Qualität, ein Spumante und zwei Grappa produziert. Die beiden letzten Neuzugänge im Portfolio sind Viva Bianco und Viva Rosso, die komplett ohne Schwefel produziert werden. Beide werden aus Merlottrauben gekeltert. Sie zeichnen sich durch ihre Lebendigkeit und ihre Genussfreude aus. Ein weiterer ausgezeichneter Wein ist der Merlot Riserva Aurelio 1899, dessen Reben rund 50 Jahre alt sind und in Nachbarschaft zu einem Kastanienwald wachsen.

 «Wir stecken unsere ganze Leidenschaft in unsere Arbeit, um Weine mit Persönlichkeit zu kreieren.»

Er reift für mindestens 16 Monate in teilweise gebrauchten Barriques und verbleibt nach der Abfüllung für weitere zwölf Monate in der Flasche, bevor er in den Verkauf kommt. Der intensivste Merlot des Weingutes ist der Prestige Barrique, der für 24 Monate in der Barrique aus gebaut wird und danach ein Jahr auf der Flasche reift. Diese drei Merlotvarianten zeigen das Potenzial und die Vielfalt des Betriebs. Alle Weine werden mit grossem handwerklichen Geschick und Leidenschaft erzeugt. Nicht immer war es einfach, diese Qualitäten auf die Flasche zu bekommen. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre konnte man deutliche Klimaänderungen verfolgen, die die Entwicklung der Trauben beeinflussen. Konnte man früher die Jahreszeiten noch klar trennen, so springen heute die Temperaturen von Winter auf Sommer innerhalb kurzer Zeit. Auch fällt im Winter deutlich weniger Schnee, die Rebberge sind nur noch leicht angezuckert. Durch die Lage der Rebberge im Schatten sind die reduzierten Niederschläge dennoch ausreichend. Ein unterirdischer See versorgt vor allem die alten, sehr tief wurzelnden Reben ausreichend. Bei der Bodenbearbeitung wird besonders darauf geachtet, das Wurzelwerk in der ersten Bodenschicht fein zu halten, um den Boden optimal zu belüften und die Mikroorganismen lebendig zu halten. Durch die feinen Haarwurzeln nimmt der Rebstock genau die richtige Menge an Nahrung auf, um keine fetten, sondern elegante Trauben zu liefern. Jede zweite Zwischenrebzeile wird begrünt, und es werden dem Boden mit eigenem Kompost nur die Nährstoffe zugeführt, die ihm durch die Trauben genommen werden. Dieser natürliche Kreislauf ist fester Bestandteil der biologischen Arbeitsweise der Belossis.

Seit einigen Jahren wird Roberto von den beiden Söhnen Loris, der seit 2014 wieder in den Betrieb zurückgekehrt ist, und Eros, der Bruder und Vater seit 2018 zur Seite steht, unterstützt. Loris und Eros haben in verschiedenen Betrieben ihr Handwerk gelernt und geben seit ihrer Rückkehr neue Impulse für die Weiterentwicklung des Betriebs mit neuen Ausbauarten und der Neupflanzung widerstandsfähiger Rebsorten. Der Kellerausbau, der neuen Projekten und der zukünftigen Erweiterung der Rebfläche Rechnung trägt, wurde Ende Mai fertiggestellt. Die Ausgangsposition für die sechste Generation könnte nicht besser sein.