An den Hängen der Madonie

Abbazia Sant’Anastasia, Sizilien

Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.

Das sizilianische Weingut Abbazia Sant’Anastasia zählte einst zur Speerspitze des neuen sizilianischen Weinbaus und sorgte mit seinen Weinen für Furore. Heute setzt die Besitzerfamilie Lena den Fokus auf Biodynamie in Rebberg und Keller.

Abbazia Sant’Anastasia ist eines der verborgenen Juwelen, von denen es in Sizilien so viele gibt: Über eine kleine Strasse gelangt man von der sizilianischen Nordküste aus dorthin. Rund eineinhalb Stunden von Palermo entfernt, liegt die ehemalige Abtei in Panoramalage, rundherum erstrecken sich Rebberge, Olivenhaine und viel, viel Wald. Wir sind im Park der Madonie, einer Gebirgskette, die sich entlang der Küste bis an das Meeresufer ausdehnt und neben viel Natur auch mittelalterliche Dörfer und Städte wie Castelbuono verbirgt. Castelbuonos beeindruckende Burg diente einst als Kulisse des mit einem Oscar prämierten Films «Cinema Paradiso » mit Philippe Noiret.

In der ehemaligen Benediktinerabtei Abbazia Sant’Anastasia wurden schon vor Jahrhunderten Trauben und Wein für Adelige und Bischöfe produziert, die bis in die Provinz Messina im Osten Siziliens vertrieben wurden. «Das klingt nicht besonders weit», meint Gianfranco Lena schmunzelnd, «aber bevor es Autos gab, benötigte man von Castelbuono aus noch einen Tagesritt mit dem Maultier, um nach San Giuseppe Jato vor den Toren Palermos zu gelangen.»

«Biodynamie ist nur ein Plus, wenn die Weine überzeugend sind.»

Gianfranco Lena ist der Sohn des Gründers des Weingutes Abbazia Sant’Anastasia, Francesco Lena, und für die Kommerzialisierung der Weine des Familienunternehmens zuständig. Sein Vater hat das Weingut mit seinen 300 Hektar Grundbesitz Anfang der 1980er Jahre gekauft. Es gab zwar damals bereits Rebberge, diese waren aber nicht gedacht, um Qualitätswein zu produzieren. In der prestigeträchtigen Abtei, die um 1100 erbaut wurde, hatten sich seit Jahrhunderten Benediktinermönche niedergelassen, die auch Wein produzierten. Aber auch ein späterer Besitzer, der Baron Turrisi-Colonna, war für die Qualität seiner Weine der Abbazia bekannt.

Wie alles begann

Francesco Lena sah sofort die Möglichkeiten der Lagen, die sich in perfekter Position zwischen 250 und 450 Metern Meereshöhe erstrecken. Er begann, die alten Reben zu roden und junge am Guyot zu ziehen, um in der neu errichteten, modernen Kellerei Spitzenqualität zu schaffen. Mitte der 1980er kamen die ersten Weine auf den Markt. Damals begann die Phase des neuen sizilianischen Weinbaus, der bis dato vor allem für Quantität bekannt war: Güter wie Planeta, Tasca d’Almerita oder Donnafugata kamen mit ihren ersten Etiketten auf den Markt. Vor allem internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Chardonnay, aber auch Nero d’Avola als autochthone Rebsorte sorgten für Furore. Trauben, die auch Lena auf seiner Abbazia angepflanzt hatte.

Und Abbazia Sant’Anastasia reihte sich bald in die Reihe der Qualitätsgüter ein. Das hatte auch mit der Önologenlegende Giacomo Tachis zu tun, erinnert sich Gianfranco Lena: «Er kam 1994 an unseren Stand auf Vinitaly und hat die Weine probiert. Bei einem davon, dem Cabernet Sauvignon, meinte er schmunzelnd, er sei zwar gut, aber nur wie ein gutes Risotto, das zu kurz gekocht wurde. Er sei noch zu al dente.» So wurde Tachis der Önologe der Abbazia Sant’Anastasia und kreierte unter anderem den Litra mit: Zu Beginn noch ein Blend aus viel Cabernet mit etwas Nero d’Avola, wurde er bald ein reinsortiger Cabernet Sauvignon, vielfach prämiert. Auf Tachis folgte 1999 als Önologe Riccardo Cotarella, der elf Ernten blieb und dem Gut und seinem Gründer bis heute freundschaftlich verbunden ist.

Seit einigen Jahren liegt die Weinproduktion in eigener Hand: Stefania Lena, die Tochter Francescos, ist die Önologin des Gutes und heute auch für die Umstellung der gesamten Produktion nach biodynamischen Richtlinien mitverantwortlich: Nach den Weinbergen – die Francesco Lena bereits Anfang der 2000er Jahre umwandelte – wird nun auch immer mehr im Keller biodynamisch gewerkt. Gianfranco Lena: «Mein Vater hat schon immer den biologischen oder biodynamischen Weinbau geschätzt. Nach der Linie Sensinverso, die 2004 mit dem Nero d’Avola gestartet ist, werden nun auch unsere Spitzenweine biodynamisch. Aber Biodynamie ist nur ein Plus, wenn die Weine überzeugend gut sind, sonst sind gute konventionelle Weine besser.» Abbazia Sant’Anastasia tut sich allerdings nicht schwer mit nachhaltigem Weinbau: Die Rebberge haben keine direkten Nachbarn, die konventionell Wein machen. «Wir haben praktisch das Monopol», meint Gianfranco Lena, «eigentlich wäre auch eine eigene DOC-Ursprungsbezeichnung möglich.»

Bislang erscheinen die Weine allerdings unter dem DOC Sicilia, das die gesamte Insel umfasst. Darunter die wichtigsten Weine des Gutes, der Litra (der nach einer etruskischen Münze mit einer Traube benannt wurde, die auch das Etikett schmückt), der Montenero, ein Blend aus Nero d’Avola und Cabernet Franc, der seinen Namen seiner Lagenbezeichnung verdankt, und der Sensinverso Nero d’Avola, der erste biodynamische Wein des Gutes. Zwei Rebsortenweine und ein Blend aus internationaler und autochthoner Varietät, wie sie auch der Philosophie des Gutes entspricht. «Ob international oder autochthon, diese Rebsorten haben hier ihr ideales Terroir gefunden», ist Gianfranco Lena überzeugt. Deshalb haben die Lenas auch nicht vor, Güter in anderen Teilen Siziliens zu erwerben. Lena: «Unsere Identität ist schon jetzt einzigartig. Es hätte keinen Sinn, einen Sant’Anastasia vom Ätna zu keltern.»

Da kümmert man sich lieber um die Pflege der Rebberge, um die Produktion des eigenen Olivenöls und um das angeschlossene Öko-Relais mit seinen 29 Zimmern und dem Restaurant, in dem man inmitten des Parkes der Madonie Ferien verbringen kann, Panoramaterrasse mit Pool inklusive. Das Relais wurde fachmännisch restauriert und im Jahr 2000 in seiner ganzen Pracht eröffnet. Da ergeben sich dann auch Synergieeffekte, meint Gianfranco Lena: «Unsere Gäste besuchen einerseits die Kellerei, um zu sehen, wo wir unsere Weine produzieren. Und trinken sie dann auch gerne zum Abendessen. Unsere Weine sind auf der anderen Seite wiederum Botschafter, um hier Ferien zu verbringen.» Denn eines ist sicher: Der Gebirgszug der Madonie ist ein von Touristen und Weinfreunden noch weitgehend unentdecktes Gebiet – selbst wenn man in knapp einer halben Stunde mit dem Auto in Cefalù ist und einen Sprung ins türkisblaue Meer machen kann.

Weine im Clubpaket

Sicilia DOC Nero d’Avola Biodinamico Sensinverso 2016

2022 bis 2026

Komplexer Wein mit Noten von Waldbeeren und Kirschen, auch weisser Pfeffer und Orangenblüten; am Gaumen in perfekter Harmonie zwischen Struktur und Säure, geschmeidige Evolution, das Finish würzig-fruchtig.

Mariage: hervorragend zu Risotto, Schmorbraten, Pasta mit Fleischsugo.

 

Sicilia DOC Montenero 2017

2022 bis 2027

Nach biologischen Kriterien produzierter Rosso einer Selektion der Rebberge für Nero d’Avola und Cabernet Franc, zwei Jahre in Holz ausgebaut. Vielschichtiger Charakter. Erinnert im Bouquet an kleine Waldfrüchte, Moschus, Pfeffer und Lakritze; kraftvoll mit vifer Säure und engmaschigem Tannin, besitzt Eleganz und Fülle.

Mariage: zu gebratenem Rindfleisch, Wildgeflügel und gereiften Käse.

 

Sicilia DOC Litra 2017

2022 bis 2029

Nach biodynamischen Kriterien produzierter Wein aus einer Selektion der besten Cabernet-Trauben des Weingutes in 350 Metern Meereshöhe. In der Nase Noten von Heidelbeeren, Thymian und dunkler Schokolade; im Mund saftig, mit feinkörnigem Tannin und gut eingebundener Säure, ellenlang auf Noten reifer Beeren das Finale.

Mariage: zu Lammgerichten, Wild oder einem kräftigen Steak.