Weingut Roxanich, Kroatien
«No compromise»
Text: Thomas Vaterlaus
Kein Winzer hat die istrische Weinszene in den letzten Jahren so geprägt wie Mladen Rožanić. Mit einem Maximum an Wissen bringt er Weine mit einem Minimum an Intervention in die Flaschen. Vor allem sein Malvazija Antica und sein Teran Re sind «outstanding» eigenständig.
Sein Renommee reicht längst weit über seine idyllische Heimat auf der kroatischen Halbinsel Istrien hinaus. Der 53-jährige Mladen Rožanić gilt weltweit als Aushängeschild der Orange-Wine-Bewegung, die seit einiger Zeit für mächtig Wirbel in der Szene sorgt. Doch gerade weil Orange Wine zum Modewort geworden ist, distanziert er sich heute von diesem Begriff . «Trendausdrücke werden automatisch unpräzise. Darum bezeichne ich meine Crus inzwischen lieber als lang mazerierte Gewächse oder schlicht und einfach als Urweine», sagt er. Dass er bereits in dieser ersten Definition den Faktor Zeit ins Spiel bringt, ist kein Zufall. Denn Rožanić lehnt es ab, seine Weine mit moderner Kellertechnik auf schnelle Genussreife zu trimmen. Er geht den radikal entgegengesetzten Weg und lässt seinen Weinen so viel Zeit, wie sie brauchen, um sich aus eigener Kraft zu harmonisieren. «Geduld ist eine fantastische Kellertechnik», sagt er. So ruhen seine Crus, die mit minimalsten Schwefeldosierungen (neun bis elf Milligramm freier Schwefel pro Liter) in die Flasche kommen, zwischen dreieinhalb und fünf Jahren in grossen, 3800 Liter fassenden Holzfässern aus slawonischer oder französischer Eiche. Wenn sie diese lange Schule durchlaufen haben, sind sie nicht nur stabil, sondern offenbaren ein Maximum an individuellem Ausdruck.
Mladen Rožanić stammt aus einer kroatisch-venezianischen Familiendynastie, nach deren ursprünglichem Namen «Roxanich» er seine Kellerei benannt hat. Aufgewachsen ist er in der istrischen Hafenstadt Opatija, sein Vater war Schiffsbauingenieur und Universitätsprofessor. Mladen Rožanić folgte seinem Beispiel und entwickelte in den 90er Jahren als Maschineningenieur verschiedene Spezialgeräte für den Strassenbau. Sein lukrativer Job führte ihn häufig ins Ausland, wobei er seine Geschäftsreisen gerne mit seinem wachsenden Interesse für Wein verband. Eine besondere Leidenschaft entwickelte er dabei für die Weine aus dem Rhônetal, wo er Ausnahmewinzer wie Jacques Reynaud von Château Rayas und Henri Bonneau, beide aus Châteauneuf-du-Pape, persönlich kennenlernte. Von beiden lernte er, wie man auf urtümliche, ja fast antik anmutende Weise grossartige Weine hervorbringen kann. Seine stetig wachsende Liebe zum Wein verbunden mit einer gehörigen Portion Patriotismus brachte ihn schliesslich 1998 im Alter von 37 Jahren dazu, im heimischen Istrien mit dem Aufbau eines eigenen Weingutes zu beginnen. In den folgenden fünf Jahren bepflanzte er im Weiler Kosinozici, rund sechs Kilometer von der Küstenstadt Poreč entfernt, rund 26 Hektar mit Reben. Die Stöcke wurzeln in der legendären «Terra Rosso», bestehend aus einer zwei Meter dicken Lehmschicht mit viel rötlich schimmerndem oxidiertem Eisen auf purem Kalkstein. Schon in dieser Aufbauphase praktizierte er das Konzept Geduld. Rožanić liess sich nämlich ganze zehn Jahre Zeit, bis er schliesslich im Jahr 2008 seine erste Jahrgangs-Kollektion, die 2005er, auf den Markt brachte.
Istrisch, zeitgenössisch, antik…
Sein Renommee hat sich das Weingut Roxanich zwar auch mit internationalen Sorten geschaffen. Die zwei interessantesten Weine sind jedoch pure Istrier, hinter denen eine Philosophie steht, die extrem urtümlich, gleichzeitig aber auch extrem innovativ erscheint. Der Malvazija Antica durchläuft eine Maischenstandzeit von über 80 Tagen, bevor er für über drei Jahre ins grosse Holzfass kommt. So entsteht ein bernsteinfarbenes Elixier, das nach Akazienblumen, Mandelöl, Garigue-Kräutern, Nüssen, Meersalz und einer Spur Jod riecht. Und im Gaumen offenbart dieser Wein die perfekte Symbiose von Filigranität, Komplexität und geradliniger Frische. Das Konzept hinter diesem Wein ist nicht neu, auf ähnliche Weise wurden in Istrien schon vor 200 Jahren die meisten Weine produziert. Doch der Antica ist eben nicht einfach ein nostalgischer Wein, er ist gleichzeitig auch ein Wein, in dem das ganze zeitgenössische Weinwissen steckt. Das heisst, Rožanić arbeitet bewusst mit Naturhefen und verzichtet ebenso bewusst auf jegliche Zusätze. Selbst die Steuerung der Gär- und Ausbautemperatur lehnt er ab. Erst ganz am Schluss, bei der Flaschenabfüllung, setzt er auf Hightech. Die Weine kommen sauerstofffrei und mit Insertgas vor Oxidation geschützt in die Flaschen, damit sie dort trotz minimalster Schwefelung jahrelang weiterreifen können.
«Geduld ist eine fantastische Kellertechnik. Denn Weine brauchen Zeit, um sich zu finden.»
Mladen Rožanić, Winzer
Ein ebenso einzigartiges Gewächs ist Rožanić’ Teran Re. Traditionelle Teran-Gewächse aus Istrien zeigen sich so säurebetont, dass sie einem Nicht-Istrier, rudimentär ausgedrückt, die Schuhe ausziehen. Der Teran Re besteht zu 80 Prozent aus dem istrischen Teran und zu 20 Prozent aus dem etwas milderen Refosco, der im italienischen Friaul zu Hause ist. DNA-Analysen beweisen, dass Refosco und Teran aus der gleichen Sortenfamilie stammen, gewissermassen ein Brüderpaar sind. Durch die Assemblage der beiden Varietäten und den jahrelangen Ausbau im grossen Fass gelingt Rožanić eine Teran-Interpretation, die etwas mehr Fülle und Schmelz aufweist, ohne diesem istrischen Urwein seinen einzigartigen Charakter zu nehmen.
Rožanić ist überzeugt, dass Weine, die sich in Bezug auf Körper, Tannin, Alkohol und Säure im Gleichgewicht befinden, keinen Schwefel benötigen, um jahrelang zu halten. Schon lange vertraut der Mann seiner Intuition mehr als allen Schulbüchern. Vor ein paar Jahren hat er in einem Fass Rotwein einen Anflug von Brettanomyces festgestellt. Doch nach wiederholtem Degustieren kam er zum Schluss, dass es sich um einen milden Brett-Typ handelte, der sich nicht in Pferdestall-Komponenten zu erkennen gab, sondern mit durchaus interessanten Gewürz-, Leder- und Specknoten. Rožanić separierte das entsprechende Fass, baute den Wein weiter aus und verwendete ihn schliesslich für eine rote Cuvée, die von der Fachpresse hoch gelobt wurde. «Es geht mir keinesfalls darum, Fehler zu initiieren. Aber genauso bin ich überzeugt, dass perfekt vinifizierte Weine selten grosse Weine sind», sagt der istrische Querdenker.
Weine des Winzers
Roxanich, Malvazija Antica 2008, Istrien (KR)
Malvazija (Malvasia-Varietät) | 2014 bis 2025
83-tägige Maischenstandzeit und jahrelanger Ausbau im grossen Fass sind die Basis für einen Malvasia Istriana von höchster Komplexität.
Mariage: Luftgetrockneter Schinken, Risotto oder Pasta mit Trüffeln, gereifter Hartkäse, aber auch Sushi
Roxanich, Teran Re 2007, Istrien (KR)
Istrischer Teran (80%) und Refosco (20%) | 2014 bis 2018
Eine Edelversion des traditionell rustikalen istrischen Teran. Anhänger eines geradlinigen Pinot Noir werden an diesem Cru viel Freude haben.
Mariage: Speck, Salami oder Lardo Dolce, deftige Fleischgerichte, Leber, Nieren, aber auch Pilzgerichte
Roxanich, Superistrian 2008, Istrien (KR)
Merlot (40%), Cabernet Sauvignon (40%) und Borgonja (20 %) | 2014 bis 2019
Der Ausdruck «Super» steht hier nicht für superkonzentriert, sondern vielmehr für supereigenständig und superausgewogen.
Mariage: Pilzragout, klassische Fleischgerichte (besonders Lamm), gereifter Hartkäse