Weingut COS, Sizilien
Weine aus der Erde
Text: Christian Eder
Natürliche Weine – denen hat sich das sizilianische Weingut COS verschrieben. Der Winzer Giusto Occhipinti verwendet dafür biodynamische Methoden und Amphoren. Vor allem ein Wein hat es ihm angetan: der Cerasuolo di Vittoria.
«Ein Wein ist die Erinnerung eines Jahrgangs», erklärt Giusto Occhipinti, während wir uns durch die neuen Jahrgänge in seinem Keller kosten. Erinnerungen und Jahrgänge hat der dezent ergraute Winzer nun schon einige gesammelt, genauer deren 35. Die ersten sechs hat er die Trauben noch mit seinen Füssen gepresst. Heute werden sie im modernen Keller schonend verarbeitet, die Reife der biodynamisch zertifizierten Weine begleitet klassische Musik. Vor allem die harmonischen Klangkompositionen von Chopin und Mozart sollen sich gedeihlich auf den Reifungsprozess der Weine auswirken. Mit weit ausholenden Bewegungen und voller Inbrunst erklärt Giusto Occhipinti seine Weine, sein Terroir und seine Philosophie: warum er seinen Wein als natürliches Produkt sieht, warum er 2005 alle seine Barriques aus dem Keller verbannt hat und warum er Terrakotta-Amphoren liebt.
Giusto Occhipinti ist mehr noch als sein Partner Giambattista Cilia das Gesicht hinter dem Gut COS. Beide haben studiert, als sie 1980 den Weinbau als Zeitvertreib entdeckten und gemeinsam mit dem inzwischen ausgeschiedenen Partner Cirino Strano COS gründeten – jeder der drei Buchstaben steht für den Familiennamen eines der drei Gründer. Aber längst sind die promovierten Architekten Occhipinti und Cilia Winzer aus Passion. Heute bewirtschaften sie 37 Hektar und produzieren 200 000 Flaschen jährlich.
Der Betrieb aus Vittoria zählt zu den innovativsten in Italien. COS trug in den 80er und 90er Jahren wesentlich zum Sizilien-Boom bei. Aber anders als Planeta, Donnafugata oder Tasca d’Almerita, die sich um internationale Rebsorten und Nero d’Avola verdient machten, hatte sich COS insbesondere einem Wein verschrieben: dem Cerasuolo di Vittoria. Und anders als bei der auf Rebsorten spezialisierten sizilianischen Weinbautradition üblich handelt es sich bei diesem Wein um einen Blend: Die floral-fruchtige Frappato-Traube wird kombiniert mit der beerig-würzigen Nero d’Avola. COS war der erste Betrieb, der diesen Wein gross machte, ihn unter den besten Etiketten Siziliens platzierte.
«Amphoren lassen den Wein atmen»
Ab dem Jahr 2000 arbeitete COS biodynamisch, und Giusto entdeckte Terrakotta-Amphoren. Fortan liess er einen Teil seiner Weine – zuerst den Cerasuolo di Vittoria Pithos, dann auch einen weissen Pithos aus Grecanico – in 400-Liter-Amphoren vergären und reifen. Heute ist ein ganzer Keller mit rund 150 dieser Terrakotta-Behältnisse aus spanischer Produktion gefüllt und der Pithos legendär.
«Die Amphoren lassen den Wein atmen wie das Holz», erzählt Giusto bei unserer Visite im Keller. Und dass er auch im Keller lieber natürliches Material verwendet, ein Produkt der Erde, in dem ein anderes Produkt der Erde reift. Das ist für ihn die logische Fortsetzung des biodynamischen Weinbaus. «Damit ist es uns gelungen, ein Stück unseres Erbes wiederzuerobern. Und das mit Weinen, die gar nicht dem entsprechen, was sich amerikanische Zeitschriften unter einem Sizilianer vorgestellt haben: keine muskulösen, hyperkonzentrierten Typen», schwärmt er.
Denn in Vittoria gedeihen burgundermässige Weine: Kein anderer Nero d’Avola Siziliens hat diese Eleganz, und besonders der Frappato besticht durch seine Finesse. Occhipinti: «Das Produkt daraus, der Cerasuolo di Vittoria, kennt keine Arroganz gegenüber dem Essen, dominiert nicht, ist ein Wein, der einfach Spass macht.»
Seine Rolle im Keller sieht der Winzer als Begleiter, nicht als Macher: «Amphoren, Zement oder Holz sind nur Hilfsmittel. Es ist das Terroir, das den Unterschied ausmacht.» Karge Böden, Tuffstein und Lehm, mit Sand aus dem Pliozän durchzogen, dazu eine Höhenlage von 230,270 Metern, gut ventiliert durch Brisen von den Ibleischen Bergen und dem Scirocco, der aus der Sahara nach Norden weht. «Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind hoch, die Mikroklimata von Zone zu Zone, von Contrada zu Contrada unterschiedlich. Und aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren entstehen einzigartige Weine», erklärt Occhipinti.
Autochthone Rebsorten
COS produziert fast ein Dutzend Etiketten: neben den Amphorenweinen den klassischen Cerasuolo di Vittoria Classico, in grossem Holz gereift, einen fruchtig-würzigen Nero d’Avola namens Contrade und den fein ziselierten Weisswein Ramì – aus den autochthonen Rebsorten Insolia und Grecanico. Und selbst mit einem Schaumwein nach der klassischen Flaschengärmethode experimentiert Occhipinti. «Es ist gerade das, was mich reizt: neue Wege zu gehen, etwas Ungewöhnliches zu probieren – auch wenn es hin und wieder nicht gleich beim ersten Mal gelingt.»
Schon lange ist er nicht mehr der Einzige, der an den Cerasuolo di Vittoria glaubt. Unter den jungen Winzern hat sich auch Arianna Occhipinti etabliert. Sie ist die Nichte des COS-Gründers und gilt als der Shootingstar im sizilianischen Weinbau: Mit ihrer geradlinigen Art und ihren ebenso klaren, nach biodynamischen Kriterien erzeugten Weinen gilt sie als das neue Gesicht Siziliens. Mit gerade 30 Jahren hat sie bereits ihre Autobiografie veröffentlicht, «Natural Woman», deren erste Auflage schnell vergriffen war.
Und ebenso wie ihr Onkel Giusto hat sie sich mit dessen Unterstützung dem Cerasuolo di Vittoria und seinen beiden Rebsorten verschrieben – Frappato und Nero d’Avola. Giusto: «Aber jeder von uns hat seinen eigenen Stil. Meine Entwicklung, die etwas kurvig verlief, hat sicher Arianna geholfen, ihren Weg ohne Abweichungen zu gehen. Sie ist inzwischen selbst ein Vorbild: Man muss nur sehen, mit welchem Vergnügen Arianna auf einen Traktor klettert, um zu verstehen, welch positive Arbeit der Weinbau ist. Und Vorbilder braucht man – gerade in der Landwirtschaft.»
Weine des Winzers
Pithos Bianco Anfora Sicilia IGT 2013
100% Grecanico | 2015 bis 2017
Elegante Interpretation eines in Ton vergorenen Weissweines mit dem Hauch eines Orange Wine: kompakt mit viel Schmelz und doch Frische, finessenreich am Gaumen, anhaltend fruchtig.
Mariage: Passt zu vielerlei Risottos, Gefl ügel und gegrilltem oder gebratenem Fisch.
Cerasuolo di Vittoria Delle Fontane Classico DOCG 2010
40% Frappato, 60% Nero d’Avola | 2015 bis 2018
Fruchtbetonter, in Holz ausgebauter Cerasuolo-di-Vittoria-Cru aus der Reblage Delle Fontane: geschmeidige Textur mit gut eingebundenen Tanninen, endet fein-würzig auf Kirschnoten.
Mariage: Hervorragender Begleiter zu Pasta, aber auch zu gekochtem Rindfleisch, zu Wildgeflügel und Geflügel.
Contrada Labirinto Sicilia IGT 2008
100% Nero d’Avola | 2015 bis 2020
Harmonischer und charaktervoller Nero d’Avola, in Stahl und grossem Holz gereift: duftet nach Schwarzen Johannisbeeren, Zwetschgenkompott und Gewürzen, gut gebaut und saftig.
Mariage: Universell einsetzbar, zu gebratenem oder gegrilltem Fleisch. Passt auch zu Wild. Vorher dekantieren!