Rebellische Insel, grosses Terroir

Guide Korsika Rot und Weiss: Garten Eden für Weinbau

Degustation & Text: Birte Jantzen

Gut 170 Kilometer südlich der Côte d’Azur gelegen, thront Korsika im Mittelmeer wie eine Zitadelle. Ihr nördlichster Punkt liegt auf gleicher Höhe mit dem italienischen Livorno, der südlichste mit Rom. Mit ihren bis zu 2700 Meter hohen Gipfeln, ihrer rauen Küste, dem blauen Meer und der wilden Natur ist die Insel geprägt von vielfältigen Landschaften, einer Vielzahl an Ökosystemen und einer reichen, rebellischen Geschichte, die in der Mittelmeer-Region ihresgleichen sucht.

Amüsantestes Beispiel ist der Abenteuerbaron Theodor von Neuhoff, 1736 zum König von Korsika gewählt, gekleidet mit scharlachrotem Kaftan, türkischen Hosen und spanischem Hut. Die Genueser Regierung setzte ein Kopfgeld auf ihn aus, was die Zuneigung der Insulaner für ihn nur verstärkte. Seit 1796 unter französischer Verwaltung, war und ist Korsika noch immer ein Knotenpunkt unterschiedlichster Kulturen und blieb im Herzen jedoch unabhängig. Bis auf wenige Ausnahmen konzentrieren sich die Städtchen wie auch die landwirtschaftlichen Aktivitäten auf den gesamten Küstenstreifen.

Dank überwiegend kleinerer Weingüter sind die Weine ebenso individuell wie die Korsen selbst. Die einheimischen Rebsorten zaubern eine grosse Aromenvielfalt ins Glas, und wie in Italien werden die Weine nie auf ein Podest gestellt, sondern blieben ein unverzichtbarer Bestandteil von Familienmahlzeiten. Nicht umsonst sagt ein korsisches Sprichwort: «A chi ha pane e vinu po invità u so vicinu! ». Was so viel bedeutet wie: «Wer Brot und Wein hat, kann seinen Nächsten einladen!» Die kulturelle Verknüpfung spiegelt sich auch in den Namen der 33 auf der Insel angesiedelten Rebsorten wider: Niellucciu, Sciaccarellu, Vermentinu, Barbarossa… Korsika mag klein sein, ist aber an Vielfalt kaum zu schlagen.


Resultate, Analysen, Statements

Korsika ist nicht nur Touristenmagnet und Biodiversitäts-Oase, sondern dank seiner vielfältigen geografischen und geologischen Gegebenheiten auch ein Garten Eden für Weinbau. Bis in die Sekundärzeit formte Korsika zusammen mit Sardinien einen Mikrokontinent, angeschweisst an die Provence. Erst ein Grabenbruch führte zu einem langsamen Auseinanderdriften und zu einer Vielfalt an Bodenformationen: Neben Granit- und Vulkanböden findet man hier Schiefer, verschiedene Sedimentböden sowie Granulit, Porphyr, Diorit, Gabbro und Ophiolithe, aber auch klassische Mergel-, Ton- und Kalksteinböden. Das Klima reicht von mediterran bis alpin, ist eher windig und bietet hervorragende Voraussetzungen. Dennoch war Qualitätswein nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.

«Die Kultur eines rebellischen Bindestrichs zwischen Frankreich und Italien – die Weine feiern mit Stil diese Widersprüche.»

Birte Jantzen VINUM-Autorin

Über Jahrhunderte wurde je nach politischer Lage mal mehr und mal weniger gepflanzt, am extremsten war der Wandel aber zwischen 1960, mit 5000 Hektar, und 1973, mit 32 000 Hektar Rebbergen. Die Qualität und der Ruf der Weine gingen den Bach runter. Ab den 1980ern eroberten die Insulaner ihre Weinkultur zurück. Heute fordert der Klimawandel die Winzer heraus. Innovativ experimentieren sie mit neuen Rebsorten, Weinbergen in Höhenlagen und setzen auf die Anpassungsfähigkeit der Rebe. In der Zwischenzeit überzeugt der Sciaccarellu mit floralen und würzigen Aromen, roten Beeren und Lagerfähigkeit, trotz seiner hellroten Farbe. Niellucciu hingegen ist ein charmantes Raubein, mit dunkler Frucht, balsamischen Noten und kräftiger Tanninstruktur. Aber der Stern der Insel bleibt der Vermentinu, mineralisch, delikat, mit einer ganz mediterranen Leuchtkraft am Gaumen. Korsikas Weine sind eine Insel für sich!


Die Top 10 der verkosteten Weine

RangBeschreibung
1
19,0/ 20
Punkte
Korsika, Frankreich
Domaine Vico
2
18,5/ 20
Punkte
Korsika, Frankreich
Domaine Vico
3
18,0/ 20
Punkte
Domaine Sant’Armettu
4
18,0/ 20
Punkte
Domaine Sant’Armettu
5
18,0/ 20
Punkte
Domaine de la Murta
6
18,0/ 20
Punkte
Clos Finidori
7
17,5/ 20
Punkte
Korsika, Frankreich
Domaine Vico
8
17,5/ 20
Punkte
Domaine de Tanella
9
17,5/ 20
Punkte
Clos Culombu

Die Verkostung

Die Weine wurden alle über das Konsortium der DO Rueda angefordert. Die Bodegas sollten möglichst drei Jahrgänge der Gran Vino de Rueda anstellen. Thomas Vaterlaus und Miguel Zamorano verkosteten die Weine am 17. Mai 2024 in den Zürcher Räumlichkeiten von VINUM. Die Flaschen wurden allesamt verdeckt ausgeschenkt.

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