Vertikale: 50 Jahre Kerner beim Weingut am Steinig Tisch

Denkt man an die weisse Sorte Kerner, kommen einem nicht viele Verkostungsmomente in Erinnerung. Die Neuzüchtung hatte ihren Höhepunkt zu Beginn der 1990er Jahre, gut 7800 Hektar waren damit in Deutschland bestockt. Mehr als 30 Jahre später ist nur noch die Hälfte übriggeblieben. Wirft man einen Blick in den «VINUM Weinguide Deutschland 2024», findet man unter den über 10 800 verkosteten Weinen nur 19 Weine, die reinsortig mit Kerner gekeltert wurden. Die besten kommen aus Südtirol. Auch in der Schweiz blickt die Neuzüchtung auf eine bewegte Geschichte zurück. Das Weingut am Steinig Tisch von der Familie Rutishauser in Thal, St. Gallen, arbeitet mit Kerner schon seit 50 Jahren. Christoph Rutishauser erinnert sich, wie er in den 1970er Jahren gemeinsam mit Vater August die ersten Pflanzen aus Nonnenhorn auf der deutschen Bodensee-Seite in die Schweiz brachte. Der Schweizer Zoll soll beim Import Bedenken angemeldet haben. Trotzdem gelangten die 1060 Pflanzen nach Thal. 1975 kam der erste Jahrgang auf die Flasche. Davon sind nicht viele Flaschen übriggeblieben. Mittlerweile steht der Kerner bei den Rutishausern auf knapp 1,2 Hektar, was bei insgesamt 7 Hektar Grösse beachtlich ist. Trotzdem bleibt es für das Weingut eine Herausforderung, 60 bis 120 Flaschen jedes Jahrgangs wegzulegen. Denn der Wein ist gefragt, nicht wenige zählen den Rutishauser Kerner zu den besten in der Schweiz. Das wurde bei der Vertikalen-Verkostung im Weingut Mitte Januar nochmal deutlich. Einige Jahrgänge haben sich fein entwickelt, obwohl man das der Sorte zunächst nicht zutrauen würde. Dass das gelingt, zeugt von der Kerner-Erfahrung aus 50 Jahren. Seit 2015 führt nun Roman, Sohn von Christoph, das Weingut in dritter Generation. Mit seinem Einstieg ist auch eine in der Barrique ausgebaute Variante des Kerners entstanden – der Jungspund. Ein neues Kerner-Kapitel ist damit aufgeschlagen.