Vertikale Von Oetingers Marcobrunn: Geduld ist gefragt

Der Erbacher Marcobrunn ist von vielen Dichtern «besungen» worden. Goethe und Fontane gehörten zu den wortgewaltigen Bewunderern der Rieslinge aus dieser Lage. Die Weine erzielten stets Fabelpreise, etwa als das Gräflich Schönborn’sche Rentamt 1862 ein Stückfass mit 1154 Litern Wein für über 5000 Gulden verkaufen konnte. Umgerechnet wären das heute 80 000 Euro, je Flasche entspricht das einem Preis von 150 bis 200 Euro. Nicht schlecht für eine Lage, die in der allgemeinen Wahrnehmung keinen überragenden Stellenwert geniesst. Das mag an einer Eigenheit der Weine liegen. Ihre Grösse und Finesse zeigen sich nur dem geduldigen Weinfreund. Die Weine brauchen mehrere Jahre Kellerreife und sollten vor dem Genuss unbedingt dekantiert werden. Auch bei professionellen Verkostungen, wo nur wenige Minuten bleiben, um die Weine zu beurteilen, landen die «Marcobrunner» nie auf den vorderen Plätzen. Dabei entwickelt der Wein höchste Komplexität und Balance, eine unter Rheingau-Weinen ungewohnte Wärme, basierend auf Gewürznoten, sogar indisches Curry, Zimt und Eukalyptus sind dann zu finden.

Achim von Oetinger hat ein paar Jahre gebraucht, um seine Paradelage und die daraus entstehenden Weine wirklich zu verstehen, trotz günstiger Voraussetzungen. Die Wasserversorgung ist gut, das Rebalter liegt bei 30 Jahren, seit drei Jahren gibt es keine Laubarbeit mehr in seiner Marcobrunn-Parzelle. Die Weine werden immer spontan vergoren und ohne weitere Unterstützung durchgegoren, die Maischestandzeit variiert je nach Jahrgang zwischen 24 und 72 Stunden. Viele Jahre reichte die Erntemenge nicht, um die erforderliche Mindestmenge für ein VDP.Grosses Gewächs zu erreichen, nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Vereins konnte er die Weine als GG vermarkten. Gesucht sind diese raren Flaschen bis heute.