Weisswein-Star vom Atlantik
Guide Albariño / Alvarinho: Eine iberische Sorte geht auf Reisen
Degustation: Thomas Vaterlaus, Miguel Zamorano; Text: Miguel Zamorano
Frische, schlanke Struktur und delikate Aromen nach Zitrusfrüchten – das ist eine Stilistik, die man nicht sofort auf der Iberischen Halbinsel verortet. Trotzdem verblüffen die Albariño aus Galicien (Spanien) und Alvarinho/Vinho Verde (Portugal) stets aufs Neue. Seit über 700 Jahren in der Region heimisch, hat diese Sorte besonders in den vergangenen 40 Jahren die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, auch weil sie in beiden Ländern seitdem reinsortig gekeltert wird. Die Region bietet dazu ideale Bedingungen. Anders als in anderen Teilen der Halbinsel sind die Weinberge hier am stärksten den Einflüssen des Atlantiks ausgesetzt, maritime Winde und reichlich Niederschlag wechseln sich ab. Die Sommer sind mässig warm. Viele Winzer bewirtschaften ihre Reben in Pergola-Erziehung, die Böden bestehen mehrheitlich aus Granit und verleihen den Weinen eine salzige Mineralik – wenn der Winzer besonders ambitioniert ist. Solche Weine zeigen bereits in jungen Jahren eine beeindruckende Komplexität, die sich in Zitrusnoten,Pfirsich und Eiergebäck ausdrückt. Gereift kommen dann mineralische Noten hinzu, wie etwa Anklänge von Petrol.
Unter den hier verkosteten Weinen sticht besonders Pazo de Señorans (Galicien) hervor, mit seiner Selección de Añada. Je nach Jahrgang reift der Albariño 30 Monate oder mehr auf der Feinhefe im Edelstahl. Der Wein zählt mittlerweile zu den besten Weissweinen Spaniens. Er stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass die Sorte Albariño hervorragend reifen kann. Vermutlich ist diese Eigenschaft einerder Gründe, warum sich auch deutsche Winzer an dieser Rebsorte versuchen. In Rheinhessen, der Pfalz oder dem Rheingau zaubern Winzer wie etwa Künstler oder Thomas Dollt überraschende Alvarinhos auf die Flasche. Auch das sollte man unbedingt probieren.
Resultate, Analysen, Statements
«Bei Alvarinho / Albariño ist die spannende Frage, wo diese Sorte in der kommenden Zeit überall kultiviert wird.»
Miguel Zamorano Redaktion VINUM
Die grossen Fragen der Menschheit, das sind auch die grossen Fragen der Rebsorten: Woher kommen wir? Und wo gehen wir hin?
Übertragen auf Alvarinho/Albariño lautete die legendenhafte Antwort lange Zeit, dass die Zisterzienser-Mönche aus Frankreich die Sorte in den Nordwesten der Iberischen Halbinsel mitgebracht haben. Damals, vom 12. bis 14. Jahrhundert, auf dem Jakobswegnach Santiago pilgernd, sollen die Geistlichen die Sorte mit im Gepäck gehabt haben. Oder aber man dichtete der Sorte wegen ihrer Säure eine Verwandtschaft zum Riesling an. Daraus entstand dann die Erzählung, dass Albariño eigentlich «der kleine Weisse vom Rhein» bedeutet. Eine Studie der Universität von Santiago de Compostela stellte schliesslich vor wenigen Jahren fest, dass die Sorte bereits zu Zeiten der Römer in der Region domestiziert wurde. Viel spannender ist indes die Frage: Wo gehen wir hin? Beeindruckenderweise geben die Produzenten aus Rías Baixas darauf eine klare Antwort. Und zwar: hinaus in die Welt. Die Winzer haben es geschafft, einen spanischen Weisswein weit über die Grenzen zu tragen. Und das zu keinen schlechten Preisen – die lokale Zeitung «La Voz de Galicia» berichtete im Februar 2022, dass der Liter Albariño im Export im Schnitt 5,64 Euro einbringt. Probleme beim Absatz und Vertrieb ihrer Weine scheinen die Winzer praktisch nicht zu haben. Dieser Erfolg soll sich möglichst woanders wiederholen. In Kalifornien, in Australien, in Neuseeland, also weit weg von dem Ursprungsland. In dieser Verkostung haben auch die Anstellungen aus der Türkei überrascht. Aber nur auf den ersten Schluck. Schliesslich wurde in der Türkei Wein schon lange vor der Zeit der Römer angebaut.
Die Top 10 der verkosteten Weine
Rang | Beschreibung | |
---|---|---|
1 | 18,0/ 20 Punkte | Vinho Verde, Portugal Quinta de Soalheiro |
2 | 17,5/ 20 Punkte | Vinho Verde, Portugal Aveleda |
3 | 17,5/ 20 Punkte | Galicien, Spanien Bodegas del Palacio de Fefiñanes |
4 | 17,5/ 20 Punkte | Galicien, Spanien Bodegas del Palacio de Fefiñanes |
5 | 17,5/ 20 Punkte | Galicien, Spanien Bodega Vetus |
6 | 17,5/ 20 Punkte | Pfalz, Deutschland Weingut Thomas Dollt |
7 | 17,0/ 20 Punkte | Galicien, Spanien Pazo de Señorans |
8 | 17,0/ 20 Punkte | Galicien, Spanien Pazo de Señorans |
9 | 17,0/ 20 Punkte | Vinho Verde, Portugal Quinta de Soalheiro |
10 | 17,0/ 20 Punkte | Pfalz, Deutschland Weingut Thomas Dollt |
Die Verkostung
Alle Weine wurden bei den Produzentenangefordert, einzelne auch beim Weinhandel in der Schweiz. Thomas Vaterlaus und Miguel Zamorano verkosteten die Weine am 24. März 2023 in den Zürcher VINUM-Räumlichkeiten. Die Degustation erfolgte mit verdeckten Flaschen.