Wineguide: Languedoc AOP – La Clape, Minervois, Pic-Saint-Loup und Co.

«Die besten Languedoc-Crus vereinen südliches Temperament mit einer fast schon kühl anmutenden Eleganz.»

Thomas Vaterlaus Chefredakteur VINUM

Zugegeben, ich hatte die Languedoc-Crus etwas aus den Augen verloren. Und ich denke mal, ich bin da nicht der Einzige. Während sich die Provence durch den Rosé-Boom ins Bewusstsein der Geniesser katapultiert hat, wirkt das klassische Languedoc auf sympathische Weise verschlafen. Corbières, Minervois oder Saint-Chinian waren einst jedem Weinliebhaber bekannt und auf den hiesigen Weinkarten gut vertreten. Heute liegen andere Regionen im Trend.

Es ist höchste Zeit, das Languedoc von Neuem zu entdecken. Das ist mein Fazit aus dieser Guide-Verkostung. Weil das Qualitäts­niveau der Verkostung verblüffend hoch war. Die Hälfte der verkosteten Weine erreichte Bewertungen von 17 Punkten und mehr – das spricht sowohl für die Winzer als auch für die Fachhändler, die diese Weine angebaut beziehungsweise selektioniert haben. Im besten Falle verkörpern die Gewächse südliches Temperament, ja auch eine gewisse Wildheit, gleichzeitig aber auch eine kühl anmutende Eleganz. Das Zusammenführen dieser Gegensätze, dass die Winzer heute so gut beherrschen wie wohl noch nie zuvor, verleiht den Weinen eine faszinierende Spannkraft. Und verleitet zum Träumen. Beim Duft von Thymian, Rosmarin und Ginster wähnt man sich auf einem Spaziergang durch die Garrigue-Landschaft. Und beim ersten kleinen Schluck wünscht man sich den Besuch eines Weinbistros im wilden Hinterland der Küste, wo der Wirt ein schmackhaftes Cassoulet mit Roussillon-Kartoffeln und Lingot-Bohnen auftischt. Und an den Nachbartischen okzitanisch gesprochen wird. Eine urtümlich kantige und doch warme Sprache, ganz anders als das geschliffene Schulfranzösisch.

«In ihrer Dichte und Kraft erinnern diese Weine oft an das Priorat. Das Languedoc ist allerdings günstiger.»

Miguel Zamorano Redakteur VINUM

Was zunächst wie ein Schnellkurs in südfranzösischer, mediterraner Dorf-Geographie anmutet, liest sich wie ein Streifzug durch eine (Kultur-) Landschaft, in der bisweilen ungehobene Schätze schlummern.

Etwa in Saint-Chinian, umgeben von einer mediterranen Hügellandschaft, knapp 115 Kilometer südwestlich von Montpellier entfernt. Hier keltern die Winzer die Sorten Grenache, Syrah und Carignan; La Livinière, ein Stück weiter südlich und die Montagne Noire im Rücken, wurde erst 1999 als AOP gegründet und macht ebenso mit den oben genannten Sorten echt formidable Weine. Fünf von neun der besten Weine dieser Verkostung stammen aus den AOPs La Livinière und Miner­vois.

In der Liga ab 18 Punkten lagen die Weine oft so dicht beieinander, dass tatsächlich feine Nuancen und persönliche Vorlieben den Unterschied machten. Beeindruckend neben der bereits angesprochenen kühlen Eleganz war auch die Leichtigkeit, mit der Minervois, La Clape und Faugères ein hohes Alkoholvolumen wegstecken – praktisch kein Rotwein unterschreitet die 14-Volumenprozentgrenze. Auch die Limoux-Prickler, von denen leider viel zu wenig angestellt wurden, sind dank der Struktur und Trinkfreude eine echte Alternative zu anderen Crémants der Grande Nation. Den Rosés und Blancs, die hier verkostet wurden, wünscht man indes mehr von der Eigenständigkeit eines Faugères. Apropos – fast ist man ganz im Duktus eines Online-Kaufhauses gewillt zu sagen: Kunden, die diese Weine gekauft haben, haben auch Montsant und Priorat gekauft. Im Hinterland von Tarragona bestehen die besten Lagen auch aus hügeligen Schieferböden. Das Languedoc ist allerdings einen Tick günstiger.