Prickelnde Sensation: Herrliche Schäumer für jede Gelegenheit

Wineguide: Crémants d’Alsace

Degustation & Text: Barbara Schroeder, Rolf Bichsel

Wir erwarteten 80 Weine und hatten uns total verrechnet. Fast 260 Cuvées trafen bei uns ein – je zwei Flaschen. Zum Entsorgen und Rezyklieren des Kartonbergs mussten wir schliesslich wohl oder übel ein geräumiges Nutzfahrzeug mieten. Als wir endlich alle Weine erfasst, entstaubt, einsortiert, fotografiert und kühl gelegt hatten, machten wir uns ehrlich gesagt mit einem leichten Schaudern und eher träge an diesen unerwarteten Schaumsegen. Die Motivation kam vorab aus Respekt vor den rund hundert Produzenten, die sich für diesen epischen Guide eingeschrieben hatten und die wir nun wirklich nicht enttäuschen wollten, und weniger aus Spass am Nass.

Doch bereits nach den ersten paar Gläsern änderte sich das radikal. Der dreiwöchige Verkostungsmarathon (nicht mehr als 15 Weine pro Sitzung, daran hielten wir trotz allem fest, die Weine verdienten unsere ungeteilte Aufmerksamkeit) wurde zum regelrechten Schnupper- und Schmeck-Abenteuer, mit einem eindeutigen, indiskutablen, glasklaren Resultat: Qualität und Stil der Crémants d’Alsace sind im Jahr 2021 schlichtweg sensationell.

Der beste Produzent französischer AOC-Schaumweine

Das Elsass ist nicht länger nur der mengenmässig wichtigste, sondern auch der beste Produzent französischer AOC-Schaumweine (von Champagner abgesehen) und gehört klar auf das Podium der besten Schaumweinproduzenten der Welt. Zu unserer Verblüffung (Vorurteil, komm hervor, du bist umzingelt) wurde die nachfolgende Verkostung daher zu einem eigentlichen Highlight und gehört für uns zu den eindrücklichsten Verkostungen der letzten drei Jahrzehnte. Die Zahlen allein sprechen für sich: Nur gerade 23 der exakt 257 verkosteten Schäumer blieben (aus welchen Gründen auch immer) unter der Schwelle von 15 Punkten (gut bis sehr gut). Eliminiert (weniger als 14 Punkte) wurden gerade mal vier Weine. Stolze 130 Exemplare notierten ganz ohne Bonuspunkte 16 Punkte und mehr.

Wir präsentieren sie hier im Detail. Für wenig Geld gibt es da nicht nur Schaum, sondern auch viel Fruchtigkeit, Saft und Frische.

Lange Geschichte

Viele glauben Crémants d’Alsace seien eine Erfindung der 1970er Jahre. In Wahrheit haben sie eine lange Tradition. Bei der Weltausstellung von 1900 in Paris liess sich der Elsässer Julien Dopff (Dopff au Moulin) in das damals noch «Champagnermethode» genannte Prinzip der zweiten Gärung in der Flasche einweihen (seit 1994 Methode Traditionelle genannt). Er begann sogleich mit dieser Technik zu experimentieren. Bald entdeckten auch andere Elsässer Winzer, dass sich Klima, Terroir und traditionelle Elsässer Sorten, vorab Auxerrois und Pinot Blanc, aber auch Riesling und Pinot Gris, besonders gut für die Erzeugung von interessanten Schaumweinen eigneten. Sie wurden nach und nach ergänzt durch die Immigranten Chardonnay und Pinot Noir.

Pierre Hussherr, ehemals Direktor der Genossenschaftskellerei Wolfberger, kam auf die Idee, diese Schaumweine Crémant zu nennen, um sie vom Champagner zu unterscheiden. Seit 1975 ist der Begriff Crémant ausschliesslich Schaumweinen aus kontrollierter Herkunft (Loire, Bourgogne, Jura, Bordeaux, Die, Limoux und Luxembourg) vorbehalten. Die AOC Crémant d’Alsace wurde im August 1976 offiziell anerkannt. Das Produktionsreglement für den Crémant d’Alsace wurde seither laufend angepasst und verbessert. Es schreibt nicht nur vor, in welchen Elsässer Gemeinden Crémant produziert werden darf, sondern setzt auch etwa die Mindestpflanzdichte (4000 Stöcke pro Hektar), den Rebschnitt, Höchstmengen (maximal 16'000 Kilogramm pro Hektar), die Mostausbeute (100Behälter) und vieles andere mehr fest. Doch das erklärt nur an der Basis die besondere Qualität der Elsässer Crémants.

Sie ist vor allem den Winzern zu verdanken, die alles daransetzen, die Herzen und Gaumen der Weinfreunde mit einem tadellos erzeugten, erstklassigen, aber auch besonders fröhlichen und erfrischenden Schaumwein zum möglichst fairen Preis (8 bis 15 Euro für einen hübschen Teil der verkosteten Crémants) zu erobern.

Stil und Sorten

Die neue grosse Klasse der Crémant d’Alsace wird noch augenscheinlicher, wenn wir die aktuelle Verkostung mit dem vor drei Jahren durchgeführten umfangreichen Test aller Crémants vergleichen. Was hat sich geändert? Abgesehen von der Menge der Produzenten und angestellten Weine (zwei Dutzend Macher präsentierten rund 80 Cuvées) ist die Schaumweinproduktion total professionell geworden. Die Reben werden von Grund auf dazu ausgewählt und bestimmt, Crémant-Trauben zu erzeugen.

Crémant ist nicht länger einfach ein willkommenes Sammelbecken für alle überschüssigen Grundweine. Pinot Blanc und Auxerrois haben ihre Eignung für die Schaumweinerzeugung unter Beweis gestellt und kommen meist reinsortig auf die Flasche. Der ElsässerPinot Noir ergibt besonders fruchtige und saftige Rosés, die obligatorisch ausschliesslich aus dieser Sorte erzeugt werden müssen. Die besonders aromatischen Sorten Riesling und Pinot Gris geben im Mischsatz besonderen Pfiff.

Und der Chardonnay?

Das ist vielleicht unser einziger Vorbehalt. Im Mischsatz mit Pinot Noir oder reinsortig ausgebaut mag er einige interessante Cuvées ergeben: Wir notierten aber im Schnitt Chardonnay-Cuvées weniger hoch als solche auf Pinot Blanc/Auxerrois-Basis. Oft gab er sich etwas rustikal und reduktiv. Das mag am jungen Alter der Reben liegen – doch weiter profilieren, davon sind wir überzeugt, wird sich der Elsässer Crémant mit Pinot Blanc/Auxerrois und Pinot Noir.

Elsässer Crémants sind preiswerte, hochklassige, fröhliche, festliche Schäumer für alle Gelegenheiten, vom Apero über einen Umtrunk bis hin zum Mahl. Sie passen zu leichter, kreativer, internationaler Küche ebenso wie zu Grillspeisen oder deftiger ländlicher Küche. Man sollte sie recht kühl servieren (6 bis 8 Grad), am besten in einem Weissweinglas oder einer leicht tulpenförmigen Flute, die das fruchtig-blumig-würzige Bouquet der Crémants d’Alsace optimal zur Geltung bringt.

Vor vielen Jahren fragte uns mal ein Journalist, welchen Wein wir wählen würden, wenn uns jemand für den Rest des Lebens ein Weinabonnement schenken würde. Wir sagten damals: eine Flasche Fino pro Woche. Später ersetzten wir das durch drei Champagnermarken, die wir nicht missen möchten.

Heute würden wir wohl antworten: Elsässer Crémant, am liebsten jeden Tag.

Die Verkostung

Zur Teilnahme an der aktuellen Crémant-Verkostung lud die Dachorganisation CIVA alle Produzenten der Appellation ein. Knapp hundert Betriebe mit Interesse am deutschsprachigen Markt reichten schliesslich Muster ein, darunter erfreulicherweise auch viele bislang weniger bekannte. Geprüft wurden die Weine von Barbara Schroeder und Rolf Bichsel in ihren Räumlichkeiten bei Bordeaux.

RangBeschreibung
1
18,0/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Domaine Vincent Stoeffler
2
18,0/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Domaine Muré
3
17,5/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Domaine Vincent Stoeffler

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