Seitensprung Guide: Manufaktur-Essige
Balsam für die Seele
Degustation: Beat Caduff und Nicole Harreisser, Text: Nicole Harreisser, Fotos: gettyimages / valentinarr, VINUM, Mathis Leicht Photography
Essig gehört schon seit Urzeiten zum Repertoire der Kulturen, wie 8000 Jahre alte archäologische Funde aus Mesopotamien belegen. Er ist Heilmittel, Konservierungsmittel, Aphrodisiakum und der Schönheit zuträglich, vor allem aber auch ein Würz- und absolutes Genussmittel. Wir haben uns dem kulinarischen Aspekt angenommen und handwerklich hergestellte Manufaktur-Essige aus Deutschland, der Schweiz und Österreich verkostet.
Beginnt man sich mit Essig zu beschäftigen, so erinnert das Angebot bald schon an Trendgetränke wie Gin, so vielfältig sind die heute am Markt erhältlichen Kreationen. Kein Wunder, es gibt wenig Lebensmittel, die auf eine tausendjährige Historie zurückblicken können. Essige herzustellen war lange Zeit unerforscht und vom Zufall abhängig. Heute haben sich einige namhafte Produzenten auf dem Markt etabliert und machen immer mehr Anhänger glücklich, sowohl begeisterte Hobby- wie auch Profiköche. Ein guter Essig macht aus einem Salat einen grossen Genuss, rundet eine delikate Sauce ab und verleiht einem tollen Gericht noch den letzten Schliff.
Einen grossen Bereich der am Markt befindlichen Essige bilden dabei die Balsamessige. Aber nicht mehr nur der Aceto balsamico traditionale ist in aller Munde, aus dieser traditionellen Methode haben viele Manufakturen ihre eigenen Balsamessige entwickelt. Der Herstellungsprozess der Balsamessige folgt der langjährigen, erprobten Tradition: Der Most, aus Äpfeln, Birnen, Quitten und vielen weiteren Früchten mehr, wird eingekocht, um eine höhere Konzentration zu erhalten. Dieser konzentrierte Most wird dann in Fässer unterschiedlicher Grössen und Materialien wie etwa Kastanien- oder Akazienholz gefüllt, um dort zu vergären. Die Fässer stehen an exponierten Orten, haben es luftig und werden auch den aufgrund wechselnder Jahreszeiten schwankenden Temperaturen ausgesetzt. Dadurch verdunstet Wasser, und die Konzentration der Aromen nimmt zu. Die Fässer werden aus dem jeweils nächstgrösseren aufgefüllt, im grössten Fass, der sogenannten Batterie, landet der Folgejahrgang. Der Prozess dauert viele Jahre bis hin zu Jahrzehnten. Auch ändert sich die Farbe durch die Lagerung im Fass.
Süsses oder Saures
In der gehobenen Küche haben die Essigkreationen längst Einzug gehalten. «Bis zu 20 verschiedene Essige haben wir bei uns im Einsatz», meint Beat Caduff. Der Bündner Spitzenkoch, der über einzigartige Produktkenntnisse nicht nur bei Weinen verfügt, legt grössten Wert auf hervorragende Produkte, um seine Gerichte zu verfeinern. Caduff kombiniert die Essige gerne mit seinen Wildgerichten, aber auch Klassiker der traditionellen Küche wie ein Erdäpfelsalat werden mit besonderen Essigen verfeinert. Ein Essig muss über eine harmonische Säure verfügen, alle Aromen sollen fein verwoben sein, um die Aromen des Gerichts nicht zu dominieren, sondern im Zusammenspiel zu intensivieren. Da unterscheiden sie sich nicht sehr von herausragenden Weinen. Das Weinessiggut Doktorenhof in der Pfalz hat sich ganz der Produktion feinster Trinkessige auf Basis bester Grundweine aus eigener Kelterung verschrieben und verfeinert die Essige mit weiteren Ingredienzien aus dem Reichtum der Pfälzer Natur. Exotische Gewürze bester Güte finden ebenso ihre Verwendung in den flüssigen Kostbarkeiten.
Die Verkostung
Die Muster forderten wir direkt bei den Produzenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Alle Essige wurden in Caduff‘s Wineloft in Zürich verkostet. Der Bündner Spitzenkoch Beat Caduff, Weinexperte, leidenschaftlicher Geniesser und passionierter Jäger, ist immer auf der Suche nach den besten Produkten für seine Kreationen und kompromisslos, was die Qualität der Zutaten betrifft.