Guide Crozes-Hermitage
Spitzenweine für jedes Portemonnaie
Verkostung, Text und Foto: Rolf Bichsel
Unter den vielen verkannten französischen Ursprungsgebieten, die preislich faire Weine hervorragender Machart liefern und folglich Beachtung verdienen, nimmt Crozes-Hermitage eine Sonderstellung ein. Wer Weine aus dem Norden der Rhône mag, ob rot auf Syrah-Basis oder weiss aus Marsanne, ergänzt durch Roussanne, hat hier schon fast die Qual der Wahl.
Zwischen zehn und elf Millionen Flaschen produziert Crozes-Hermitage jährlich. 20-mal mehr als der umworbene Nachbar Hermitage. Verglichen mit allen anderen Rhône-Crus ist Crozes mit seinen 1650 Hektar Rebfläche ein Riese. Selbst Saint-Joseph am rechten Ufer bringt es auf «nur» 1200 Hektar. Crozes-Hermitage mangelt es folglich an Seltenheitswert. Es gibt genug davon (auch wenn es eigentlich nie genug geben kann von solchen Weinen), sie sind meist unverschämt günstig und werden immer besser, wie unsere Verkostung illustriert.
Ausrutscher unter den Roten wie den Weissen waren selten (und nur im untersten Preissegment zu finden). Für den grossen Rest gelten Wörter wie Vielfalt, Saftigkeit, Kernigkeit, Fruchtigkeit, Vergnügen. Die Vielfalt erklärt sich aus der Vielseitigkeit der ausgezeichneten Böden (Rollkiesel, Lehm, Sand, Granit), der Rest aus den idealen Klimabedingungen mit perfekt abgestimmten Einflüssen von Nord (Trockenheit, Wind) und Süd (Regen, Hitze, Sonnenschein) sowie der tadellosen Arbeit der Winzer und Handelshäuser.
Die Rotweine, ausschliesslich aus Syrah gekeltert, sind blumig und fruchtig in ihrer Jugend (die Palette an Ausdrücken reicht von Johannisbeere bis Kirsche und Cassis mit Akzenten von Veilchen, Flieder, Rose), entwickeln mit zunehmender Reife dezente Würze und munden in der Regel vier bis acht Jahre nach der Ernte, wenn die Tannine, die in den ersten zwei, drei Jahren knackig, aber auch etwas kantig wirken, den optimalen Schliff erhalten haben. Die Weissweine kann man bereits nach ein, zwei Jahren öffnen und wird sie generell nicht allzu lange im Keller vergessen, auch wenn die besten Abfüllungen auch gealtert noch munden.
Von Croses zu Crozes
1920 erhielt die kleine Gemeinde Croses im Norden von Tain l’Hemitage einen neuen Namen. Eigentlich sollte sie ja Crozes l’Hermitage heissen. Doch das liess Nachbar Tain nicht gelten. 1937 wurde den Weinen von Crozes-Hermitage die AOC zugesprochen, die André Jullien 1812 als «von ähnlicher, wenn auch tieferer Qualität als die Weine von Hermitage» bezeichnete. Er schloss bereits auch die Crus der Gemeinden Mercurol und Gervans mit ein.
Zahlen und Fakten
Mit 1650 Hektar Reben ist Crozes-Hermitage die grösste Appellation der nördlichen Rhône. Bei der Schaffung der AOC auf Crozes beschränkt, gilt jene heute für elf benachbarte Gemeinden am rechten Ufer der Rhône im Norden, Süden und Osten von Tain: Crozes-Hermitage, Erôme, Sèrves sur Rhône, Gervans, Larnage, Tain l’Hermitage, Mercurol, Chanos-Curson, Beaumont-Monteux, La Roche de Glun und Pont l’Isère. Über 90 Prozent der Weine sind von roter Farbe.
Resultate, Analysen, Statements
Es gibt einiges, was mich aktuell auf die Palme bringt. Meine Frustrationstoleranzkurve scheint umgekehrt proportional zu meiner Alterskurve zu verlaufen. Über angelernte Dummheit ärgere ich mich grün und blau und sehe rot, wenn sie sich in Sätzen äussert wie: «Französische Weine sind elitär, verstaubt und teuer.» Bullshit! (Englisch im Original, sensiblen Ohren zuliebe). Chutzemischt! (Meine Berner Wurzeln). Connerie! (Meine Alltagssprache). Brechen wir dieser üblen Nachrede doch endlich den Hals und stellen klar: Französische Weine besitzen das beste Preis-Spass-Verhältnis der Welt! Auch wenn das niemand hören will. Es ist weit schicker, über französische Weine zu schimpfen. Auf das halbe Prozent der französischen Weine zu pochen, die tatsächlich ganz oben auf den Preislisten internationaler Auktionshäuser thronen (wofür sie die ganze übrige Weinwelt beneidet, die nichts Besseres weiss, als dieser Praktik nachzueifern), aber mit Weingenuss etwa so viel zu tun haben wie eine begabte Zeichenlehrerin, die offenherzig ihr Wissen teilt und weitergibt, mit einem Alphatier der internationalen Kunstszene à la Jackson Pollock.
Nehmen wir Crozes-Hermitage. Grosse Rotweine in Hülle und Fülle, hervorragend gemacht und zum Trinken bestimmt, für 10 bis 20 Euro zu haben, was die «einfacheren» Qualitäten anbelangt, und kaum je teurer als 30, 35 Euro, schon jung genüsslich zu trinken und doch gut reifefähig, mit moderatem Alkoholgehalt von 13 Volumenprozent erstaunlich bekömmlich (ja, bekömmlich), ideal für die Tafel, Spitzenwein für (fast) jeden Tag. Doch Schlagzeilen machen Weine wie der so gut wie inexistente Hermitage Cathelin von Jean-Louis Chave, der an Auktionen Rekordpreise von mehreren Tausend Euro erzielt. Bollocks!
Die Verkostung
Die Verkostung wurde über die regionale Dachorganisation ausgeschrieben. Geladen waren folglich alle Produzenten mit Interesse an den deutschsprachigen Märkten, ob Handelshäuser, Genossenschaft oder unabhängige Winzerbetriebe. Geprüft wurden die Weine daraufhin von Rolf Bichsel in den vinmedia-Räumlichkeiten bei Bordeaux, wie immer unter optimalen Bedingungen.