Guide: ÖTW Erste Lagen
Mehr klassifizierte Lagen in Austria
Verkostung: Ursula Geiger und Sigi Hiss, Text: Ursula Geiger, Fotos: ÖWM, Gerhard Elze
Die Lagenklassifizierung in Österreich wird laufend weiterentwickelt, und sie prägt das Qualitätsempfinden in den Weinregionen. Seit 2010 wurden im Donaugebiet 60 Erste Lagen klassifiziert. Nun sind dieses Jahr zwölf Lagen aus Wien ausgezeichnet worden, und die Region Carnuntum steht in den Startlöchern.
Das Konzept des Vereins der Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW) bei der Klassifizierung ihrer Rieden (Lagen) ist beispielhaft. Seit 1992 evaluieren die Mitgliedsbetriebe das Terroir, auf dem die Trauben für die besten Weine wachsen. Historisches Wissen fliesst dabei ebenso ein wie der Erfahrungsschatz der Winzer über mikroklimatische Verhältnisse. Geologen prüfen Bodenbeschaffenheit und Topographie und setzen diese in Zusammenhang mit der Qualität der Weine. Hinzu kommen die Degustationen alter Jahrgänge und die Resultate der jährlichen Lagenverkostung, die mit in die Klassifikation einfliessen und zu der Journalisten und Sommeliers aus aller Welt geladen sind. Im Jahr 2010 präsentierte der Verein erstmals das Resultat seiner Arbeit. 53 Rieden in den Regionen des Donauraums, Kamptal, Kremstal, Traisental und Wagram wurden als Erste Lage klassifiziert, begrenzt auf die Hauptrebsorten Grüner Veltliner und Riesling. Sieben weitere kamen im Laufe der Jahre dazu, denn welchen Sinn hätte ein Projekt, das nicht weiterentwickelt wird? Auf der diesjährigen Vievinum in der Wiener Hofburg präsentierten die ÖTW 20 neue Mitgliedsbetriebe aus der Region Carnuntum sowie sechs aus Wien.
Die Lagenklassifikation in Carnuntum ist noch nicht abgeschlossen und wird parallel zur Entwicklung des Carnuntum DAC (Districtus Austriae Controllatus) erfolgen. Doch die bei der Verkostung vorgestellten Weine aus den verschiedenen Rieden des Arbesthaler Hügellands und der Hainburger Berge sind vielversprechend und zeigen das Potenzial der Region für dichte und komplexe Rotweine. In Wien dürfen Weissweine aus zwölf Rieden bereits das ÖTW-Signet auf dem Etikett tragen. Darunter fünf Rieden am berühmten Wiener Nussberg.
Carnuntum
Auf 906 Hektar stehen in der Region Carnuntum Reben. Die roten Sorten dominieren mit einem Anteil von 54 Prozent, mit Zweigelt (240 Hektar) an der Spitze, gefolgt von Blaufränkisch (84 Hektar). Seit 1992 steht der Verein «Rubin Carnuntum Weingüter» für die Qualitätsentwicklung in der Region ein. 2018 haben 20 Rubin-Weingüter den ÖTW Regionalverein Carnuntum gegründet. Sie bewirtschaften nahezu die Hälf-te der Carnuntiner Rebfläche.
Wien
Die Weinregion Wien weist auf einer Rebfläche von 640 Hektar sagenhafte 140 Rieden aus. In den letzten Jahren haben sechs Winzer die Lagenklassifizierung vorbereitet und erstmals im September 2018 die Weine aus den zwölf betreffenden Rieden vorgestellt, die 2,9 Prozent der Wiener Rebfläche umfassen. Das ÖTW Erste Lagen-Logo tragen Weine der Sorten Grüner Veltliner, Riesling und Weissburgunder sowie Gewächse des Wiener Gemischten Satzes DAC.
Resultate, Analysen, Statements
Sie haben es bestimmt schon bemerkt: Wir sind online und stellen unseren Lesern rund 36 000 Verkostungsnotizen zur Verfügung. Das ist eine feine Sache, denn nun können alle interessierten Weintrinker nach Herzenslust Jahrgangsbewertungen vergleichen, interpretieren und diskutieren. Die Entwicklung der Ersten Lagen der Österreichischen Traditionsweingüter verfolgen wir seit dem Jahrgang 2012 mit einer Unterbrechung 2013. Insgesamt haben wir über 600 Degunotizen zu diesem Thema in unserer «Genussenzyklopädie» gespeichert und für Sie aufbereitet. Selbstverständlich vergleiche und interpretiere auch ich per Tastendruck, und die Zahlen bestätigen, was ich im Glas wahrgenommen habe:
«Im Bouquet intensive Frucht, am Gaumen Säure, Länge und Struktur. Die 2017er Rieslinge aus dem Donaugebiet werden hervorragend reifen.»
Ursula Geiger VINUM-Redakteurin
Das Jahr 2017 ist ein Rieslingjahr, während beim 2016er, den wir letztes Jahr degustierten, die Grünen Veltliner die Nase vorn hatten. Die 2017er Rieslinge zeigen viel aromatische Frucht im Bouquet, konzentrieren sich am Gaumen aber auf Säure, Länge und Struktur. Qualitäten, die hervorragend reifen werden. Auch stehen die Rieslinge der Riede Heiligenstein in Zöbing an der Spitze unserer Bewertungen: Die terrassierte, nach Süden und Südwesten ausgerichtete Hanglage mit durchlässigen Sandsteinformationen ist ein ideales Terroir für diese Sorte. Etwas verschlossener in der Nase und auch zurückhaltend am Gaumen präsentierten sich die Grünen Veltliner der Donauregion, wobei die Klassiker von den Lössböden des Wagrams und des Traisentals hoch punkteten, sofern die Weine knochentrocken ausgebaut wurden. Sie werden wie die Rieslinge mit der Reife gewinnen.
Wie in der Donauregion findet sich auch in Carnuntum und Wien der eine oder andere diskussionswürdige Wein. Schlimm? Nein. Die Roten aus der Region Carnuntum sind per se nicht gerade Leichtgewichte. Doch bis auf zwei Ausnahmen waren keine dicken Boliden im Glas. Kraftvoll waren sie, teils auch mit deutlicher Holzwürze, die sich mit der Flaschenreife aber integrieren wird. Vergleicht man die Jahrgänge, eignete sich das Jahr 2015 eher für den Holzeinsatz. Die Weine haben genug Stoff und eine besondere aromatische Dichte. Das Jahr 2016 hingegen hat den Rotweinen eine frische Säure und eine glasklare rotbeerige Frucht mitgegeben. Im Gesamt-Ranking sehe ich die filigraneren, aber auch langlebigeren 2016er leicht vor den 2015ern. Die 2017er Weissweine aus Carnuntum präsentieren sich heterogener. Teils wurde die Süsse gut verpackt, teils zeigte sie sich deutlich oder spielte eine offensive Rolle am Gaumen. Der Grossteil hat aber eine straffere Stilistik und braucht noch Zeit. Vor allem jene, die mit Screwcap verschlossen wurden.
«Erfreulich ist die stilistische Eigenständigkeit, welche die Wiener Produzenten pflegen. Sie verleiht den Weinen viel Klasse.»
Sigi Hiss VINUM-Verkoster
Wien mit dem Gemischten Satz und den Sorten Grüner Veltliner, Riesling und Weissburgunder stellt deutlich weniger Weingüter als Carnuntum. Hier war das Niveau etwas uneinheitlich, auch innerhalb eines Weinguts. Oft war Hervorragendes im Glas, aber der nächste Wein war dann mehr als schwierig. Erfreulich ist die stilistische Eigenständigkeit, welche die Produzenten pflegen. Sie verleiht den Weinen grosse Klasse. Allgemein betrachtet brauchen die meisten Weissen aus Wien noch eine Spur länger auf der Flasche als jene der Carnunteser Produzenten.
Die Verkostung
Wir verkosteten vor Ort in Österreich. Weitere Weine finden Sie unter www.vinum.eu/ch/wein/weinsuche, Stichwort: «ÖTW Erste Lagen 2018» im Feld Degustation.
Ratings & Notizen aller Weine