Wein und Politik

Der «Bundesratskeller»

 

Wenn Sie «Cave du Conseil fédéral» bei Google eingeben, werden Sie nur zwei Treffer finden. Es handelt sich dabei um zwei Kurznachrichten des «Confédéré», der radikalen Zeitung aus Martigny, die sich 1980 und 1982 mit den Treffen der Verkostungskommission befasste, die damals beauftragt war, den Weinkeller der Schweizer Regierung auszustatten. In diesem Komitee sass Frédéric Rothen, der damals Sektionsleiter beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) war. Über 30 Jahren lang war er für die Einkäufe dieser diskreten Einrichtung mitverantwortlich, die den Grössten dieser Welt edle Tropfen kredenzt. Dieser Weinkeller im Béatrice-von-Wattenwyl-Haus, den alle Bundesratskeller nennen, dessen offizieller Name aber Staatskeller ist, beinhaltet circa 1500 Flaschen. Die Weine sind für die offiziellen Mittag- und Abendessen der sieben Bundesräte und des Bundeskanzlers gedacht. «Nur diese acht Personen dürfen sich an den Weinen bedienen», erklärt der Neuenburger, der heute Leiter der Sektion Weinbau beim BLW ist. Frédéric Rothen erzählt, dass der Weinkeller nur zu Beginn mittels Verkostungen bestückt wurde, heute gelten die Wünsche der Bundesräte und des Kanzlers als wichtigste Auswahlkriterien. «Den Rest wählen wir so, dass Weine für alle Gelegenheiten vorhanden sind: Weissweine als Aperitif, im Fass ausgebaute Rotweine, Schaumweine und Süssweine…» Die bis vor etwa 20 Jahren gängige Praxis der Auswahl über Verkostungen wurde aufgegeben, da die selektionierten Weine nicht immer gut angekommen sind. «Wir hatten Weine, die auf der Grundlage dieser Empfehlungen ausgewählt, aber wenig oder gar nicht nachgefragt wurden. Aus diesem Grund haben wir uns für ein pragmatischeres System entschieden und Weine bevorzugt, die bei organisierten Mittagessen oder als Aperitif Anklang fanden.»

«Die Weine des Staatskellers sind für die offiziellen Mittag- und Abendessen der sieben Bundesräte und des Bundeskanzlers gedacht.»

Frédéric Rothen Chef der Sektion Weinbau

Weiteres Auswahlkriterium: die Wettbewerbe. Frédéric Rothen bestätigt: «Wenn ein Chasselas de La Côte, ein Pinot des Grisons oder eine Zürcher Spezialität ausgewählt werden müssen, dann verlassen wir uns auf die verschiedenen Wettbewerbe, zum Beispiel den Grand Prix du Vin Suisse, den Mondial du Chasselas oder du Merlot. Ich denke, wenn ein Wein eine Goldmedaille in einem Wettbewerb gewinnt, bei dem der Grossteil der Jury aus internationalen Experten besteht, dann müssen wir ihn nicht noch einmal verkosten.» Allerdings garantiert ein noch so renommierter Preis keineswegs den Einzug in den Staatskeller. «Wir wollen nicht in ein starres System zurückfallen», unterstreicht Rothen. «Nehmen wir zum Beispiel einen Rosé, der eine Goldmedaille gewinnt: Das ist schön, aber die Roséweine, die wir im Keller hatten, sind nie sehr gut gelaufen.»

Schweizer Weine im Aufwind

«Heute gibt es im Staatskeller nur noch Schweizer Weine. Mit Ausnahme einiger Champagner», bestätigt Frédéric Rothen, der hinzufügt, dass das bei weitem nicht immer der Fall war. «Als ich meinen Posten hier antrat, gab es noch Weine aus dem Ausland. Dann haben wir die Frage mit dem damaligen Direktor Jean Claude Piot diskutiert und dem Leiter der Abteilung vorgeschlagen, dass der vom Bund finanzierte Staatskeller nur noch Schweizer Weine enthalten sollte. So wurde es auch beschlossen. Was die Schaumweine betrifft, so gab es damals – wir sprechen von den 1980er Jahren – keine sehr grosse lokale Produktion, und die Schaumweine, die es gab, wurden auf der Grundlage ausländischer Weine hergestellt.

Heute haben wir mit Häusern wie der Cave de Genève, Mauler, Jacques Germanier und anderen Schweizer Schaumweine mit einem guten Niveau. Aber es muss dazu gesagt werden, dass wir als Aperitif hauptsächlich trockene Weissweine anbieten.» Und wenn ein Regierungsmitglied nun doch einen Bordeaux oder Rioja bevorzugt? «Kein Problem, wir kümmern uns um die Bestellung, aber wir schicken ihm die Rechnung», scherzt Frédéric Rothen und fügt hinzu, dass sich die Frage nie gestellt hat. Und noch etwas hat sich geändert: die gekauften Mengen. «Heute bestellen wir eher 60 Flaschen und nicht 240 wie vorher.» Dieser vorsichtigere Ansatz ermöglicht eine kürzere Reaktionszeit, gerade weil die Auswahl der Weine bei einem Essen nicht Sache des Bundesamtes für Landwirtschaft ist. Der Staatskeller schlägt vor, und die Bundesräte, ihre Mitarbeiter oder die Protokollabteilung entscheiden. Durch die geringeren Mengen konnte auch die Auswahl vergrössert werden. «Heute haben wir bei den Weissweinen 14 verschiedene Weine aus den Kantonen Waadt, Genf, Freiburg, Neuenburg, Wallis und Zürich im Angebot. Bei den Rotweinen gibt es etwa 20 Etiketten. Neben Weinen aus dem Tessin und Graubünden gibt es einen Wein aus dem Waadtland und einige aus Neuenburg, da Bundesrat Burkhalter aus diesem Kanton stammt.»

Frédéric Rothen erklärt, dass es bis heute keinen strengen Verteilungsschlüssel gibt, der verlangt, dass ein Cru pro Kanton vorhanden ist: «Unser Ziel ist, das verfügbare Budget bestmöglich zu nutzen und die Schweizer Weine zu würdigen. Die Frage der Retouren stellt sich unweigerlich, und wir versuchen, diese möglichst zu vermeiden. Wenn 60 Flaschen bestellt und 59 davon getrunken werden, ist es relativ schwierig, die letzte anderweitig einzusetzen.»

Die Weine der Galadinner

18. August 1945, General Henri Guisan

Von seinen Stabsoffizieren gegebenes Dinner

• Aigle, Grand Vin 1943

• Dôle du Valais 194314

Oktober 1946, Unbekannt

• Yvorne Clos du Rocher 1943

• Dôle de l’Evêché 19421

Februar 1947, Unbekannt

• Aigle Clos des Murailles 1943

• Dôle du Valais Gloire du Rhône 1937

• Champagne Piper-Heidsieck 1937

• Malvoisie Pinot Gris Etat 1943

16. April 1948, Schah von Persien

• Dézaley, Ville de Lausanne 1943

• Dôle Evêché de Sion 1943

• Champagne Bollinger 1937

20. Juni 1960, Arturo Frondizi

Präsident Argentinien

• Saint-Saphorin, Roches Brûlées 1958

• Dôle, Cave des Chevaliers 1957

• Mumm, Cordon Rouge 1952

3. April 1968, Vom norwegischen König gegebenes Dinner

• Dézaley Clos des Philosophes 1966

• Château Grand-Puy-Lacoste 1959

• Mercier, Réserve de l’Empereur

20. November 1972, Vom indonesischen Präsidenten Suharto gegebenes Dinner

• Yvorne l’Ovaille 1970

• Pinot Noir, Vignoble del’Etat du Valais 1971

• Mumm, Cordon Rouge

26. November 1972, Rainier III. Prinz von Monaco

• Rivaz, Le Grillon 1970

• Corton Bressandes 1962

• Mercier Réserve de l’Empereur 1964

22. Oktober 1974, Jean-Bédel Bokassa

Präsident von Zentralafrika

• Yvorne Clos du Rocher 1972

• Brouilly Château La Chaine 1971

• Veuve Clicquot

29. April 1980, Elizabeth II.

Königin von England

• Dézaley 1978

• Dôle Hurlevent 1978

• Mauler Cuvée du Jubilé 1976

28. November 1980, Robert McNamara

Präsident der Weltbank

• Aigle les Cigales 1979

• Dôle Chanteauvieux 1978

• Fleurie Beaujolais 1978

7. Mai 1981, Indira Gandhi

Indische Premierministerin

• Epesses La Braise d’Enfer 1979

• Volnay Clos des Chênes 1972

• Dom Pérignon 1970

18. Mai 1981, Sandro Pedrini

Italienischer Präsident

• Fendant Molignon de la Dame de Sion 1978

• Merlot del Ticino 1976

7. September 1981, Rudolf Kirschschläger

Österreichischer Präsident

• Saint-Saphorin Faverges, Vignoble de l’Etat de Fribourg 1980

• Pinot Noir Sang de l’Enfer 1979

• Dom Pérignon 1970

17. August 1982, Karl Carstens

Deutscher Bundepräsident

• Vinzel La Boiserie 1980

• Château Giscours 1978

• Veuve Clicquot Carte d’Or 1975

18. August 1982, Karl Carstens

Deutscher Bundespräsident

• Saint-Saphorin Faverges, Vignoble de l’Etat de Fribourg 1980

• Pinot Noir Römerblut 1980

• Veuve Clicquot Carte d’Or 1975

14. April 1983, François Mitterand

Französischer Präsident

• Fendant Soleil du Valais 1981

• Merlot Gran Riserva 1979

29. Oktober 1983, Amine Gemayel

Libanesischer Präsident

• Château d’Echandens 1981

• Dôle Créta-Plan 1981

• Champagne Pommery

8. März 1984, Fred Sinowatz

Österreichischer Kanzler

• Dézaley Médinette 1982

• Merlot Gran Riserva 1979

• Champagne Pommery

25. März 1986, Mauno Koivisto

Finnischer Präsident

• Saint-Saphorin 1984

• Bourgogne Chardonnay 1984

• Château Kirwan 1979

• Château de Malle 1981

10. April 1987, Chaim Herzog

Israelischer Präsident

• Neuchâtel Blanc Maison Carrée 1984

• Syrah 1984

• Champagne Pommery Royal Brut

20. August 1987, Raúl Alfonsín

Argentinischer Präsident

• Clos du Roussillon, Tartegnin 1985

• Pinot Noir Maître de Chais 1984

• Pommery Brut Millésimé 1982

22. April 1989, Carl XVI. Gustaf

König von Schweden

• Aigle les Murailles 1989

• Dôle Sang de l’Enfer 1989

• Pommery Brut 1979

14. Mai 1990, Giulio Andreotti

Italienischer Politiker

• Aigle les Murailles 1989

• Syrah 1987

• Malvoisie Brindamour 1988

2. Mai 1994, Abdul Aziz Al-Zamil

Saudi-arabischer Industrieminister

• Yvorne le Chant des Resses 1992

• Pinot Noir Lucifer 1992

30. Mai 1998, Fidel Castro

Kubanischer Präsident

• Aigle les Murailles 1996

• Merlot del Ticino San Zeno 1994

17. Mai 2000, Johannes Rau

Deutscher Bundespräsident

• Dézaley l’Arbalète 1998

• Dôle des Monts 1998

• Malvoisie Brindamour 1998

29. März 2001, Kofi Annan

Generalsekretär der UNO

• Yvorne Clos du Rocher 1999

• Humagne Rouge La Tornale 1999

• Malvoisie Brindamour 1999

28. Juni 2001, Václav Havel

Tschechischer Präsident

• Chardonnay Dardagny 2000

• Merlot Sassi Grossi 1998

• Malvoisie Brindamour 1999

4. Oktober 2002, Abdullah II.

König von Jordanien

• Yvorne Clos du Rocher 2001

• Cornalin Primus Classicus 1999

10. Juni 2003, Thabo Mbeki

Südafrikanischer Präsident

• Epesses Clos du Boux 2001

• Dôle des Monts 2001

30. Oktober 2008, László Sólyom

Ungarischer Präsident

• Clos des Corbassières Chasselas 2007

• Rouge d’Enfer 2005

• Mitis 2001

21. September 2009, Dmitri Medwedew

Russischer Präsident

• Bianco Rovere Merlot 2008, Guido Brivio

• Cayas Syrah 2006, Jean-René Germanier

20. Mai 2014, Giorgio Napolitano

Italienischer Präsident

• Sauvignon Blanc 2011, Grillette Domaine de Cressier

• Cayas 2011, Jean-René Germanier

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